Nachdem die Werbeagenturen die Pandemiefolgen gerade erst überwunden hatten, steuern sie auf die nächste Delle zu. Die Konsolidierung dürfte sich verschärfen.
Außenwerbung
Die Werbebranche blickt mit Sorge auf die kommenden Monate.
Bild: Ströer Gruppe
Düsseldorf Der Krieg in der Ukraine hat den Optimismus von Florian Haller eingetrübt. Haller ist Chef der Agenturgruppe Serviceplan, mit 4500 Beschäftigten die größte inhabergeführte Kommunikationsagenturgruppe Europas. Vor Kriegsausbruch hielt Haller ein zweistelliges Umsatzwachstum für möglich. Er rechnete mit Nachholeffekten, weil viele Firmen in der Coronakrise ihre Werbeausgaben zurückgefahren hatten.
Diese dürften nun ausbleiben, das Wachstum geringer ausfallen. „Unternehmen kürzen oder verschieben die Budgets für Werbung“, sagt Haller. Wie schnell die Mittel der Firmen wieder das Vorkriegsniveau erreichen, hänge vom Verlauf der militärischen Auseinandersetzung ab. „Eine mittelfristige Erholung vielleicht ab Mai ist denkbar.“
Die gesamte Werbebranche blickt mit Sorge auf die kommenden Monate. „Ich befürchte, dass die Auswirkungen des Krieges für die Agenturen durchschlagender sind als bei der Coronakrise“, sagte Ralf Nöcker, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes GWA, am Dienstag bei der Vorlage der Jahresprognose. „Die Anspannung in den Agenturen ist extrem hoch“, ergänzte GWA-Präsidentin Larissa Pohl.
Zwar gaben zwei Drittel der Agenturen an, mit steigenden Umsätzen zu rechnen, doch die Befragung fand kurz vor der Verschärfung des Ukrainekonflikts statt. Man müsse die Zahlen nach unten korrigieren, so Pohl. Dem Werbemarkt droht nun die nächste Krise, nachdem die Folgen der Pandemie gerade erst überwunden schienen: Sank der Umsatz laut GWA 2020 um 1,3 Prozent, stellt der Verband für 2021 ein deutliches Plus von acht Prozent fest. Zwei Drittel der befragten Agenturen steigerten ihren Umsatz.
„Nach der harten Coronazeit hat sich die Auftragslage in den vergangenen Monaten wieder berappelt, es gab eine Aufbruchsstimmung“, so Pohl. Doch die Wirtschaftslage trübt sich infolge des Krieges wieder ein, Firmen kämpfen mit steigenden Preisen für Energie und Rohstoffe. Deshalb haben erste Unternehmen ihre Werbebudgets gekürzt, weitere dürften folgen. Werbeagenturen als Dienstleister sind davon direkt betroffen.
Kunden wie Vermarkter befinden sich in einer ähnlichen Situation wie zu Beginn der Pandemie. Man könne auch jetzt keine verlässlichen Prognosen abgeben, sagt Florian Adamski, Chef der US-Agentur Omnicom Media Group. „Das ist ein Zustand, an den wir uns in den vergangenen zwei Jahren gewöhnen mussten und gewöhnt haben.“
GWA-Präsidentin Larissa Pohl
„Nach der harten Coronazeit hat sich die Auftragslage in den vergangenen Monaten wieder berappelt, es gab eine Aufbruchsstimmung.“
Bild: GWA
Gerade der Werbemarkt in Russland liegt brach. Viele westliche Marken haben sich dort zurückgezogen oder ihre Werbeaktivitäten ausgesetzt. Zwar stehen Russland und die Ukraine nur für ein Prozent der globalen Werbeausgaben. Doch bei Firmen, die einen großen Umsatz in der Region machen oder von den Lieferketten des Krisengebietes abhängig sind, spüre man schon die Auswirkungen, so Adamski. In der Branche ist von Kampagnenverschiebungen bei Automobil- und bei Nahrungsmittelherstellern zu hören, Auswirkungen gibt es auch in den Sektoren Reise und Energie.
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Die Kunden der deutschen Omnicom-Tochter BBDO haben ihre Kampagnen bislang nicht gestoppt, berichtet Marianne Heiß, Chefin der deutschen Gruppe. Die langfristigen Auswirkungen des Krieges ließen sich noch nicht abschätzen. „Auch in Krisenzeiten wollen und müssen Unternehmen für ihre Haltung stehen.“
Wie kompliziert das sein kann, zeigt das Beispiel Edeka. Die Supermarktkette schrieb in den sozialen Medien den Spruch „Freiheit ist ein Lebensmittel“ in den Farben der Ukraineflagge, die auch die hauseigenen sind. Edeka erntete viel Kritik dafür, den Krieg zu Werbezwecken nutzen zu wollen. Viele Firmen meiden die Ukraine-Berichterstattung als Werbeumfeld. Andere müssen die Tonalität ihrer Kampagnen anpassen, was die Aufträge an die Agenturen stoppt oder aufschiebt.
Der Krieg dürfte die Konsolidierung der Branche verschärfen. Branchenkennerin Pohl fürchtet, dass sich die Marktbereinigung „deutlich beschleunigen“ werde. 2019 zählte das Statistische Bundesamt noch 27.000 Werbeagenturen – ein Viertel weniger als zehn Jahre zuvor. Das liegt auch daran, dass Unternehmen dazu tendieren, mit weniger Agenturen zusammenzuarbeiten, um den Abstimmungsaufwand zu minimieren und auch global mit einer Stimme zu sprechen. Manche Firmen verlangen gar maßgeschneiderte Agenturlösungen, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt werden.
Florian Haller
Der Chef der Agenturgruppe Serviceplan sagt: „Unternehmen kürzen oder verschieben die Budgets für Werbung.“
Bild: Serviceplan
Das ist nur von großen Agenturen zu stemmen. Dabei ist die Branche durch viele kleine Anbieter und wenige große charakterisiert. Zwei Drittel der Agenturen machen weniger als 250.000 Euro Jahresumsatz, 90 Prozent beschäftigten weniger als neun Personen. Solche kleinen Anbieter werden es künftig schwer haben.
Unabhängig von den Auswirkungen des Kriegs leidet die Branche unter einem immer stärker werdenden Fachkräftemangel. Der Branchenverband warnt, dass den Agenturen mehr als 10.000 Beschäftigte fehlen. Gut 80 Prozent der Agenturen sehen in der Personalknappheit das größte Wachstumshemmnis, fast 60 Prozent können mangels Personal sogar keine neuen Projekte mehr annehmen.
Einige Agenturen würden selbst Juniorstellen mit Headhuntern suchen, berichtet Pohl. Agenturen kämpfen seit Jahren mit einem schlechten Image von langen Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung. Zudem haben viele Bewerber Agenturen als Arbeitgeber nicht im Blick.
Trotz der negativen Vorzeichen ist das Digitalgeschäft für die Branche ein Wachstumstreiber. Digitale Werbeformen etwa im E-Commerce oder auf Social Media haben durch die Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen. So entfallen bei Omnicom mittlerweile 60 Prozent aller Investitionen auf diesen Bereich, vor zwei Jahren waren es 35 Prozent.
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Die Ausgaben für Technologie und Mitarbeiter, die entsprechendes Know-how haben, seien derzeit sehr hoch, sagt CEO Adamski. Aber: „Agenturen, die sich spätestens jetzt nicht digital transformieren, werden es schwer bekommen.“
Im Digitalgeschäft sei vor allem personalisierte Werbung wichtig, ergänzt Serviceplan-Gruppen-Chef Haller. Konsumenten verlangen zunehmend nach individuell abgestimmten Produkten. Die Werbebranche versucht das durch passende personalisierte Ansprache zu adressieren. Diese scheint mehr denn je nötig. „Durch die Coronakrise hat die Markenloyalität stark abgenommen.“
Potenzial sieht Haller auch im Bereich Nachhaltigkeit. Verbraucher seien verstärkt durch Corona an der nachhaltigen Aufstellung der Firmen interessiert. Immer mehr Betriebe buchten Nachhaltigkeitskampagnen, um sich zu positionieren. Das bedeutet Geschäft für die Werbeagenturen – sofern die Aufträge infolge des Kriegs gerade nicht storniert werden.
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