Bei den deutschen Medienhäusern sinken die Werbeeinnahmen rapide. Noch herrschen Kurzarbeit und Gehaltsverzicht vor, doch Sparprogramme drohen.
Konzernzentrale der Axel Springer SE
Das Berliner Medienhaus ist eines von vielen der Branche, die derzeit Sparpotenziale ausloten.
Bild: dpa
Düsseldorf Die Bauer Media Group räumt auf: Das Hamburger Medienunternehmen stellt die Zeitschrift „Laura Wohnen kreativ“ ein. Außerdem verlagert das Unternehmen die Produktion des Magazins „Wohnidee“ an einen externen Dienstleister.
Rund 30 Mitarbeiter sind nach Angaben des Unternehmens von den Maßnahmen betroffen. Mit den „beschlossenen Maßnahmen schaffe die Bauer Media Group die wirtschaftlichen Grundlagen, um dieses für Leserinnen und Leser wichtige Segment erfolgreich durch die Krise zu steuern“, heißt es vom Unternehmen.
Nachrichten wie diese sind keine Seltenheit in Zeiten der Coronakrise. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise haben die deutschen Medienhäuser mit Wucht getroffen. Die Leserzahlen sind zwar bei den meisten Publikationen seit März nach oben geschnellt, parallel haben sich aber die Werbeeinnahmen radikal reduziert.
„Den Verlagen ist es bisher nicht gelungen, einen finanziellen Vorteil aus der gestiegenen Nachfrage zu ziehen“, meint Cornelia Berger, Leiterin des Bereichs Medien bei der Gewerkschaft Verdi.
Der Branchenverband ZAW, der die deutsche Werbewirtschaft präsentiert, sprach vor einigen Tagen von einer „durchweg besorgniserregenden Entwicklung bei allen Werbeträgern. „Das Minus von zehn bis 20 Prozent ist eine Prognose, kein Worst-Case-Szenario“, sagte ZAW-Hauptgeschäftsführer Bernd Nauen über die Auswirkungen der Coronakrise. Der Werbeverband gibt alljährlich eine Prognose ab. So schlecht wie dieses Jahr fiel sie noch nie aus. Die Konsequenzen für die Medienbranche fallen drastisch aus.
„Wir erleben wegbrechende Werbeeinnahmen und gleichzeitig ein riesengroßes Interesse an seriösem Journalismus. Wie unter einem Brennglas kann man beobachten, woran der Journalismus als Geschäftsmodell im Moment krankt“, sagte Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands. Die Medienunternehmen, wie auch die Gesellschaft insgesamt, müssten sich jetzt überlegen, wie Journalismus in der Zukunft finanziert werden soll. „Dafür brauchen wir neue Finanzierungsmodelle.“
Doch statt neuer Finanzierungsmodelle setzen Verlage den Rotstift an. „Dass Corona maßgebliche Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft hat und haben wird, war schnell klar“, sagte Ingo Klinge, CEO Publishing Germany Bauer Media Group. „Dementsprechend haben wir direkt den Impact auf unser Business überprüft, Vorsichtsmaßnahmen ergriffen und gegengesteuert: durch besondere Vertriebsaktionen aber auch Sondermaßnahmen im Anzeigenmarkt. Kurzarbeit haben wir im Magazingeschäft nur bei unserer Food-Fotografie einsetzen müssen, sowie im Tageszeitungsgeschäft.“
Kurzarbeit gibt es in zahlreichen Verlagshäusern. Beispiel „Der Spiegel“: Das Hamburger Nachrichtenmagazin hat sich nach eigenen Aussagen auf die Bedingungen für Kurzarbeit in der Spiegel-Gruppe geeinigt. Kurzarbeit gilt zurzeit in ausgewählten Abteilungen im Spiegel-Verlag, die Einführung von Kurzarbeit in der Redaktion und der Dokumentation wird noch mit dem Betriebsrat beraten. Auch in der Spiegel-TV-Gruppe ist eine Einführung im zweiten Halbjahr möglich.
Beispiel Axel Springer: Das Berliner Medienunternehmen hat für Teilbereiche von Axel Springer und von Tochtergesellschaften Kurzarbeit beantragt. So etwa die Pace Paparazzi Catering & Event GmbH, ein Bereich, der durch das Verbot von Veranstaltungen und die Schließung von Gastronomiebetrieben sehr stark von den Einschränkungen betroffen ist.
Auch die Vertical Media GmbH ist seit dem 1. Mai auf 80 Prozent Kurzarbeit. „In beiden Unternehmen wird das Gehalt der Mitarbeiter auf 100 Prozent aufgestockt“, sagte ein Springer-Sprecher. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Axel Springer SE hätten sich zudem Ende April entschieden, für das zweite Quartal auf 20 Prozent ihrer Gehälter zu verzichten.
Kurzarbeit gibt es auch beim Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr, das zum Medienkonzern Bertelsmann gehört. Mit dem Mutterkonzern im Rücken, der einen Jahresumsatz von 17 Milliarden Euro erzielt, kommt Gruner + Jahr besser durch die Krise als Konkurrenten, die sich ausschließlich mit journalistischen Inhalten finanzieren. Und doch: „Wir machen derzeit beides: Gegensteuern, wo es nötig ist, und durchaus auch investieren“, meinte ein Sprecher von Gruner + Jahr.
Hinter vorgehaltener Hand wird über Sparprogramme gesprochen, offiziell gibt es keine Aussagen dazu. Verdi-Vertreterin Berger hat bislang noch keine konkreten Corona-Sparmaßnahmen aus einzelnen Medienhäusern auf dem Tisch liegen, bis auf die Kurzarbeit, wie sie sagt.
Das im vergangenen Jahr gestartete Sparprogramm bei Axel Springer, das sich auf den News-Bereich fokussiert, ist im vollen Gange. Noch laufen sogenannte Freiwilligenprogramme. Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeiten sind weitere Maßnahmen. Rund 50 Millionen Euro will Springer einsparen, diese Summe hatte das Unternehmen bereits 2019 beziffert. Bei Axel Springer gebe es darüber hinaus keine explizit Corona-bedingten Sparmaßnahmen, meinte ein Sprecher.
Sparen ist auch in der Ericusspitze in Hamburg angesagt. „Nach allem, was wir bisher über die Geschäftsentwicklung und die Folgen der Coronakrise wissen, müssen wir davon ausgehen, dass wir bis zum Ende dieses Jahres etwa 20 Millionen Euro weniger erlösen werden, als wir es im Etat 2020 eigentlich geplant hatten“, heißt es beim „Spiegel“.
Das Medienunternehmen wolle kurzfristig überall dort Geld einsparen, wo es schnell und ohne Investitionen möglich ist. „Unser Ziel sind zehn Millionen Euro; darin enthalten sind vor allem Einmaleffekte, die nicht dauerhaft wirken.“
Doch es sind nicht nur die fehlenden Einnahmen, die den Medien zu schaffen machen, sondern auch logistische Probleme. „2025 wird die Zeitungszustellung in 40 Prozent aller Gemeinden nicht mehr wirtschaftlich sein“, warnte der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV).
In einer Studie der Unternehmensberatung Schickler, die der BDZV in Auftrag gegeben hatte, hieß es, die stark steigenden Kosten für die Zustellung von Abonnementzeitungen bei zugleich sinkenden Stückzahlen würden den Zugang zur gedruckten Zeitung in Deutschland dramatisch gefährden.
Mit Blick auf digitale Bezahlangebote der Zeitungen machte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff deutlich, dass es eine Übergangslücke von mindestens fünf Jahren geben werde, „die es für die Verlage zu überstehen gilt, bis das digitale Geschäftsmodell greift“. In dieser Übergangszeit bilde die Zustellung der gedruckten Exemplare weiterhin das wirtschaftliche Rückgrat der deutschen Zeitungen.
Die Transformation der Medienbranche, die schon weit vor der Coronakrise eingesetzt hat, bekommt durch die Auswirkungen des Lockdown einen gewaltigen Schub, wie Branchenexperten meinen.
Beispiel Gruner + Jahr: Bei dem Hamburger Verlagshaus trifft ein in der Coronakrise gestärktes Leserinteresse auf einen erlahmenden Werbemarkt. So verzeichneten die Verkaufszahlen vieler Ausgaben des „Stern“ in den vergangenen Wochen wahre Rekordwerte. Und doch ist ebenso am Baumwall in Hamburg klar: „Wir müssen das digitale Geschäft noch weiter forcieren“, sagte ein Sprecher.
Auch Werbeexperte Nauen vom ZAW meint: „Die digitalen Werbeträger werden weniger von der Coronavirus-Krise belastet sein und in einem gesamtrückläufigen Markt zulegen können“.
Von dieser Entwicklung profitiert beispielsweise Upday, die Nachrichten-App, die auf Samsung-Smartphones vorinstalliert ist und von Axel Springer konzipiert wird. „Upday hat während der Coronakrise starke Nutzerzuwächse verzeichnet: Die Zugriffe haben sich bis auf über 30 Millionen pro Tag verdreifacht.
Auch die Werbeumsätze bewegen sich im ersten und zweiten Quartal 2020 deutlich über dem Vorjahr“, erzählte Peter Würtenberger, CEO von Upday. Laut einer internen Studie sei Upday für 90 Prozent der Nutzer eine der wichtigsten Informationsquellen rund um die Pandemie, fügte er hinzu.
Das Leserinteresse ist groß, und doch: „Das Problem ist die Monetarisierung der journalistischen Inhalte im Internet“, meint Markus Kreher, Medienexperte bei der Unternehmensberatung KPMG. Die digitalen Werbeeinnahmen würden niemals das Niveau der analogen Werbung erreichen, und auch die Erlöse aus Bezahlmodellen würden die Kosten nicht decken.
Für Medienexperte Kreher ist der Trend klar: „Medien müssen sich spezialisieren“, meint er. Wer über eine klar definierte Zielgruppe verfüge und Inhalte biete, die einen Mehrwert darstellen, könne auch höhere Preise im Digitalen verlangen. Denn eines dürfe man nicht vergessen: Das Einkommen, das die Menschen für Medien auszugeben bereit sind, sei begrenzt und werde Corona-bedingt eher sinken als steigen. „Die Menschen werden ihren Medienkonsum neu allokieren.“
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