Das junge deutsch-marokkanische Joint Venture soll noch in diesem Jahr an der Amsterdamer Börse starten. Majorel könnte mit drei Milliarden Euro bewertet werden.
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Bertelsmann hält 50 Prozent der Anteile an dem Unternehmen Majorel.
Bild: E+/Getty Images
Düsseldorf, Frankfurt Der Bertelsmann-Konzern bereitet einen milliardenschweren Börsengang seines Callcenter-Dienstleisters Majorel vor. Ein genaues Datum steht noch nicht fest, aber schon im September oder Oktober könnte es laut Handelsblatt-Informationen so weit sein. Insidern zufolge ist ein Konsortium aus den US-Banken JP Morgan, Citigroup sowie der französischen BNP Paribas mandatiert, angestrebt wird eine Notiz an der Amsterdamer Börse Euronext. Die Bewertung Majorels könnte bei bis zu drei Milliarden Euro liegen.
Bertelsmann teilte auf Nachfrage mit, „Spekulationen über Markttransaktionen grundsätzlich nicht kommentieren“ zu wollen, auch die Banken äußerten sich auf Nachfragen nicht.
Seinen Sitz hat Majorel in Luxemburg. Das Unternehmen betreibt Callcenter und Online-Kundenbetreuung für Großkonzerne und ist mit mehr als 60.000 Mitarbeitern in 31 Ländern präsent. Der Umsatz stieg nach 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf knapp 1,38 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2020.
Dem Geschäftsbericht von Bertelsmann zufolge wurden etwa die Geschäfte mit Kunden aus der IT- und Hightech-Branche weiter ausgebaut und Gesundheitsbehörden und Institutionen der öffentlichen Hand in Deutschland und Marokko bei der Bewältigung der Corona-Pandemie unterstützt. Zudem sei in Deutschland ein innovatives Kommunikationsprojekt für einen Kunden aus der Automobilbranche erfolgreich realisiert worden.
Durch den Börsengang sollen Finanzkreisen zufolge Mittel für weiteres Wachstum von Majorel erlöst werden, damit das Joint Venture mit den Weltmarktführern mithalten beziehungsweise aufschließen kann.
Schon zum Start des Unternehmens Anfang 2019 hatte CEO Thomas Mackenbrock umfangreiche Investitionen angekündigt. So sollten in den kommenden Jahren „mehrere 100 Millionen Euro“ in die geografische Expansion und in digitale Fähigkeiten und Lösungen fließen – unter anderem in die Bereiche Analytics, Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung.
Majorel ging damals aus dem Zusammenschluss der Callcenter-Aktivitäten der Bertelsmann-Tochter Arvato und des marokkanischen Callcenter-Betreibers Saham hervor. Dies geschah seinerzeit etwas überraschend, nachdem zuvor ein Verkauf des Arvato-Geschäfts als bevorzugte Strategie von Bertelsmann gegolten hatte.
Mit der Saham-Gruppe verbindet Bertelsmann bereits seit 2004 eine unternehmerische Partnerschaft in französischsprachigen Ländern. Hinter Saham stehen der marokkanische Unternehmer und Minister für Industrie, Handel und neue Technologien, Moulay Hafid Elalamy, und dessen Familie. Am Gemeinschaftsunternehmen Majorel halten Bertelsmann und Saham jeweils die Hälfte der Anteile.
Das Joint Venture mit Saham ist dabei nur ein Beispiel für Bertelsmanns Strategie, durch Zusammenschlüsse mit internationalen Wettbewerbern zu konkurrieren. Erst kürzlich gab Deutschlands größter Medienkonzern bekannt, die Fernsehgruppe RTL Deutschland und das Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr zu einem neuen, crossmedialen Medienhaus mit TV, Radio, Streamingdiensten, Online und Zeitschriften zusammenzulegen. Das Ziel ist klar: Das Familienunternehmen will dominierenden Giganten wie Netflix, Amazon oder Google mehr Paroli bieten können.
Zuletzt schwächelte die RTL-Gruppe, die mit sechs Milliarden Euro den größten Anteil zum Bertelsmann-Umsatz beiträgt, etwas. Sowohl Umsatz als auch Ergebnis gingen 2020 zurück, auch durch deutliche Einbußen bei den Werbeerlösen.
Insgesamt fußt die Bertelsmann-Strategie seit einem Umbau im Jahr 2016 auf acht Geschäftsfeldern, die weitgehend selbstständig arbeiten. Neben RTL (Fernsehen und Radio) und Gruner + Jahr (Zeitschriften) und Arvato (Dienstleistungen) sind das Penguin Random House (Buch), BMG (Musikrechte), Bertelsmann Education Group (Bildung), Bertelsmann Printing Group (Druck) und Bertelsmann Investments (Beteiligungen). Der größte Ertragsbringer ist nach dem Mediengeschäft die Dienstleistungssparte, zur dritten Ertragssäule wird aktuell das Bildungsangebot ausgebaut.
Unter dem Strich lief es für Bertelsmann zuletzt nicht schlecht: Der Gesamtumsatz des 130.000 Mitarbeiter zählenden Unternehmens ging im durch die Coronakrise geprägten Geschäftsjahr 2020 zwar um rund vier Prozent auf 17,3 Milliarden Euro zurück. Den Gewinn konnte der Konzern aber um ein Drittel auf knapp 1,5 Milliarden Euro steigern, nicht zuletzt auch durch Immobilienverkäufe sowie Kostensenkungen.
Einen bedeutenden Anteil am Erfolg hatte ebenfalls die Tochter Arvato, die neben dem 1,38 Milliarden Euro schweren Majorel-Callcenter-Geschäft für ihre Kunden Finanzdienstleistungen, IT-Services und Logistik organisiert. Um rund fünf Prozent wuchs der Umsatz 2020 auf 4,4 Milliarden Euro. Das Ebitda, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, stieg sogar um 20,6 Prozent auf 662 Millionen Euro.
Gleichwohl besteht trotz der positiven Entwicklung auch für Majorel in der personalintensiven und durch schrumpfende Margen geprägten Callcenter-Branche erheblicher Kostendruck, vorangetrieben durch die digitale Transformation. In Deutschland, wo Majorel rund 8000 Mitarbeiter beschäftigt, gab der Callcenter-Betreiber seit Herbst vergangenen Jahres das Aus für mehrere Standorte bekannt.
Davon betroffen sind Stralsund, Neubrandenburg und Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern, zum Jahresende folgt Chemnitz in Sachsen. Die Callcenter hätten seit längerer Zeit Verluste eingefahren, hieß es. Zumindest 300 der bisher 1000 Mitarbeiter in Stralsund konnten zuletzt aufatmen. Das dortige Callcenter wird seit Juli von der Magdeburger Regiocom-Gruppe fortgeführt.
Der Wettbewerb im Callcenter-Geschäft gewinnt unterdessen auch global an Intensität, die Marktkonzentration wächst. Erst im Juni gab der zur französischen Acticall-Gruppe gehörende Anbieter Sitel bekannt, den US-Anbieter Sykes Enterprises zu übernehmen. Sitel gehört mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar zu den wichtigsten Verfolgern der Weltmarktführer Teleperformance, Concentrix und Capita. Branchenprimus Teleperformance erzielte zuletzt mit mehr als 380.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 5,7 Milliarden Dollar.
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