Bertelsmann überschreitet erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro Umsatz. Konzernchef Rabe kann mit den Zahlen jedoch nicht über die Probleme des Unternehmens hinwegtäuschen.
Thomas Rabe
Der Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann sprach von Erfolgen beim Konzernumbau.
Bild: IMAGO/IPON
Düsseldorf Nach dem Jobkahlschlag beim Traditionsverlag Gruner + Jahr (G+J) verkündet Eigentümer Bertelsmann den höchsten Umsatz seiner Geschichte. Im vergangenen Jahr erzielte der Medienkonzern Erlöse von 20,2 Milliarden Euro – ein Plus aus eigener Kraft von gut vier Prozent. Erstmals knackte Bertelsmann beim Umsatz die Marke von 20 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.
Der operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank allerdings leicht auf 3,2 Milliarden Euro. Die Marge ging entsprechend von 17,3 auf 15,8 Prozent zurück.
Die Zahlen täuschen nicht darüber hinweg, dass die Zeiten für Bertelsmann und Konzernchef Thomas Rabe gerade schwierig sind. Das Unternehmen der Eigentümerfamilie Mohn steht in der Kritik, weil es Anfang Februar angekündigt hatte, bei G+J 700 der 1900 Stellen zu streichen. 45 von 58 Marken und Magazinen sollen verkauft oder eingestellt werden. Nur Kerntitel wie „Stern“, „Geo“ oder „Capital“ bleiben bestehen.
Bertelsmann-Chef Rabe hatte die beiden Töchter RTL und G+J Anfang 2022 fusioniert. Frühere und aktuelle Führungskräfte von G+J hatten dem Manager vorgeworfen, den Verlag bewusst schlechtgerechnet zu haben. Rabe wies das im Gespräch mit dem Handelsblatt zurück.
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Vor der Fusion hatte der Manager ertragreiche Geschäfte von G+J in andere Bereiche des Bertelsmann-Konzerns ausgelagert – etwa die schnell wachsende App-Plattform Applike oder die Beteiligung am Nachrichtenmagazin „Spiegel“.
Insider monierten auch, dass zuletzt viele Werbekunden abgesprungen seien, weil Rabe mehr als fünf Monate das Portfolio von G+J überprüft hatte. Zudem soll der Manager mit besonders hohen Kosten für das Verlagshaus kalkuliert und dessen Erlöse in der Gütersloher Zentrale verbucht haben.
Der Blick in die Bertelsmann-Bilanz zeigt auch, dass der wichtigste Gewinnbringer schwächelt. Der Ertrag der Luxemburger RTL Group, an der das Familienunternehmen gut 75 Prozent der Anteile hält, sank um 6,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Die Umsätze stiegen indes leicht auf 7,2 Milliarden Euro.
Die im MDax notierte Privatsendergruppe leidet unter einem schwächelnden Werbemarkt in Deutschland. Die RTL Group erzielt gut 43 Prozent ihrer Umsätze durch Reklame. Doch viele Unternehmen sparen angesichts der unsicheren und krisenhaften Lage an ihren Werbeausgaben.
Der Rückgang des Bertelsmann-Gewinns erklärt sich auch mit Anlaufverlusten in Höhe von 233 Millionen Euro aus dem RTL-Streaminggeschäft. Der Konzern investiert in die App RTL+ (früher: TV Now). Laut eigenen Angaben liegt der Marktanteil in Deutschland bei acht Prozent. 2026 soll das Vorhaben profitabel sein.
Zu Bertelsmann gehören neben RTL und G+J auch die weltgrößte Buchgruppe Penguin Random House, das viertgrößte Musikunternehmen BMG – und Arvato. Der IT-Dienstleister ist mit einem Umsatz von 6,6 Milliarden Euro der zweitgrößte Bereich von Bertelsmann und steigerte Erlöse und Ergebnis. Arvato verwaltet etwa die Rechnungen von Amazon oder transportiert Medikamente.
Der drittgrößte Bereich, das Buchgeschäft von Penguin Random House, erzielte mit 666 Millionen Euro einen um fast zwölf Prozent niedrigeren Gewinn als im Vorjahr, was insbesondere am Rückgang des US-Geschäfts liegt. Beim strukturell rückläufigen Druckgeschäft ging das Ergebnis um 57 Prozent auf 26 Millionen Euro zurück.
Gewinnbringer von Bertelsmann sind die kleineren Sparten BMG (866 Millionen Euro Umsatz) und das Bildungsgeschäft (622 Millionen Euro). Das Musikunternehmen steigerte seinen Gewinn auch wegen verstärkter Investitionen in neue Geschäfte um 35 Prozent auf 195 Millionen Euro.
Die Education Group schaffte es, ihr Ergebnis mit 192 Millionen Euro mehr als zu verdoppeln. Hier machte sich die Aufstockung an dem brasilianischen Bildungsgeschäft von Afya positiv bemerkbar. 2024 sollen beide Bereiche jeweils eine Milliarde Euro erlösen, kündigte Rabe an.
Zuletzt hatte der Bertelsmann-Chef große Wachstumspläne versprochen. Bis 2026 soll der Umsatz bei 24 Milliarden Euro liegen, der Gewinn bei vier Milliarden. Ende 2026 läuft auch der Vertrag des heute 57-Jährigen aus.
Bertelsmann bekräftigte sein Ziel, im Rahmen seiner „Boost“ genannten Zukunftsstrategie von 2021 bis 2025 fünf bis sieben Milliarden Euro zu investieren. Allein im abgelaufenen Jahr nahm Bertelsmann davon 1,6 Milliarden Euro in die Hand.
Viel Geld davon soll in den Bereich digitale Gesundheit fließen – ein globaler Wachstumsmarkt. Bertelsmann will Mitarbeitern im Gesundheitsweisen mit digitalen Angeboten etwa dabei helfen, schneller ihre Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Die Zukunftsaktivitäten sind in dem Segment Bertelsmann Investments gebündelt.
2022 hatte Bertelsmann in diesem Bereich 60 Millionen Euro in Fonds und kleinere Firmen investiert. „Das ist eine gute Art und Weise, das Geschäft kennenzulernen“, erklärte Rabe am Donnerstag. Um die Präsenz in dem Markt auszubauen, hält er im laufenden Jahr eine größere Investition für denkbar. „Wenn wir eine geeignete Möglichkeit finden, sind wir bereit, auch mehrere Hundert Millionen Euro zu investieren“, sagte der Manager. Potenzial sieht Rabe vor allem in den USA.
Rabe ist seit 2012 Chef von Bertelsmann. Er stellte das Unternehmen internationaler, digitaler, wachstumsstärker und regional breiter auf und reduzierte die Abhängigkeit vom konjunkturabhängigen Werbe- und Anzeigengeschäft. „Der Konzernumbau und die Strategie der vergangenen Dekade zeigen ihre Wirkung“, sagte Rabe. Unter seiner Ägide ist der Umsatz bereinigt von 12,2 auf 20,2 Milliarden Euro und der Gewinn von 2,2 auf 3,2 Milliarden gestiegen.
Gruner-+-Jahr-Redaktion in Hamburg
Bertelsmann will sich im Zeitschriftengeschäft nur noch auf wenige Marken konzentrieren.
Bild: dpa
Trotz der Erfolge muss der Manager auf ein Jahr der gescheiterten Fusionen zurückblicken. Insgesamt konnte Bertelsmann vier Deals mit einem Volumen von insgesamt fünf Milliarden Euro nicht vollziehen. Die US-Justiz verhinderte den Plan, Penguin Random House mit einem Zukauf in den USA noch größer zu machen.
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Die Vorhaben, in Frankreich und den Niederlanden durch Zusammenschlüsse starke Medienhäuser zu schaffen, scheiterten an den Kartellbehörden. Und in der Callcenter-Branche kam die Tochter Majorel nicht mit dem Konkurrenten Sitel zusammen.
Wegen der Rückschläge will Rabe mit RTL nun „alternative Wege der Skalierung verfolgen“ und kleinere Allianzen und Partnerschaften anpeilen. Für das laufende Jahr rechnet Bertelsmann-Finanzchef Rolf Hellermann „mit einem moderaten bis deutlichen Umsatzanstieg sowie einem stabilen operativen Ergebnis“. Der Konzern beschäftigt weltweit fast 165.000 Mitarbeiter. Trotz der Entlassungen bei G+J sind das 20.000 mehr als im Jahr zuvor.
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