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07.02.2023

16:18

Medienkonzern

RTL streicht 1000 Stellen bei Gruner + Jahr und in Kölner Zentrale

Von: Michael Scheppe

Nach dem Zusammenschluss der TV-Gruppe RTL und den Magazinen von Gruner + Jahr greift Chef Thomas Rabe zum Kahlschlag: Ein Drittel der Stellen wird gestrichen.

Bei verbleibenden Kernmarken wie zum Beispiel „Stern“ will RTL vor allem im Digitalen investieren. dpa

RTL-Beschäftigte protestieren gegen Zeitschriftenverkauf

Bei verbleibenden Kernmarken wie zum Beispiel „Stern“ will RTL vor allem im Digitalen investieren.

Düsseldorf Gruner + Jahr (G+J) zählte jahrzehntelang zu den mächtigsten Medienhäusern Europas. Nun gibt es bei dem Hamburger Verlagshaus einen personellen Kahlschlag: Eigentümer Bertelsmann plant, insgesamt 700 der 1900 Stellen zu streichen. Das teilte Bertelsmann- und RTL-Chef Thomas Rabe den Beschäftigten am Dienstagmorgen bei einer Betriebsversammlung am Hamburger Baumwall mit. „Es ist ein Hammer, ein Schock“, hieß es dazu in der Belegschaft. Der Unmut der Beschäftigten wurde während der Ansprache deutlich: Sie unterbrachen den Manager mehrfach und protestierten mit Trillerpfeifen.

Die beiden Bertelsmann-Töchter RTL in Köln und G+J in Hamburg wurden Anfang 2022 zusammengelegt. Europas zweitgrößter Medienkonzern erhoffte sich davon Synergien. Topmanager des Konzerns hatten mithilfe der Beratung McKinsey zuletzt die Zeitschriftentitel der Hamburger auf den Prüfstand gestellt.

Nun ist klar: 13 Kernmarken wie „Stern“, „Geo“, „Capital“ oder „Gala“ bleiben im Portfolio. Sie machen ungefähr 70 Prozent des Umsatzes in Höhe von 350 Millionen Euro aus. 23 Titel, vor allem Ableger der großen Namen, will Rabe einstellen. Dazu zählen „Geo Wissen“, „Brigitte Woman“, aber auch „Barbara“ von TV-Moderatorin Barbara Schöneberger.

RTL streicht auch Stellen in der Kölner Zentrale

„Wir haben entschieden, uns auf die Kernmarken zu konzentrieren“, sagte Rabe am Dienstag. Einen Verkauf prüft Rabe für fünf Marken, darunter „Beef!“ und „Salon“. Auch die RTL-Beteiligung an dem Sportmagazin „11 Freunde“ steht zum Verkauf.

Dafür hatte es bereits Interessenbekundungen von anderen Verlagen gegeben. Rabe sagte: „Wir werden in aller Ruhe in den nächsten Wochen den Markt sondieren und sehen, wer sich für welchen Titel wirklich interessiert und in welcher zeitlichen Schrittfolge wir die Titel abgeben.“

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Auch in der RTL-Zentrale wird es zu einem Stellenabbau kommen, räumte der Konzern am Mittag ein. Bis 2025 sollen 300 Stellen in Köln abgebaut werden. Insgesamt zählt RTL dort 4000 Vollzeitstellen. Das sei nötig, um die Ertragskraft von RTL Deutschland trotz massiver Investitionen langfristig zu sichern, hieß es.

„Aus heutiger Sicht sind wir zuversichtlich, diese Reduzierung durch Maßnahmen wie Fluktuation, Einzelansprachen, Vorruhestand und Altersteilzeit zu erreichen“, sagte ein Sprecher. Bei G+J sind betriebsbedingte Kündigungen wohl nicht zu vermeiden.

Genau das will der Betriebsrat nun verhindern. „Wir fordern das Management auf, der sozialen Verantwortung gerecht zu werden, von der Bertelsmann öffentlich spricht“, sagte Jens Maier, Vorsitzender des RTL-Konzernbetriebsrats, dem Handelsblatt. Die Arbeitnehmervertreter wurden bislang nicht miteinbezogen, das Management hatte zuerst eine Analyse des Portfolios gemacht.

Gruner + Jahr drohte in die Verlustzone abzurutschen

RTL leidet wie die gesamte Medienbranche unter geringer werdenden Einnahmen und wegen der aktuellen Krisen unter der Werbezurückhaltung der Unternehmen. Hinzu kommen steigende Kosten für Papier und Logistik.

Die Publikationsgeschäfte von RTL drohen laut Rabe in die Verlustzone abzurutschen. Im abgelaufenen Jahr habe der Gewinn von Gruner + Jahr noch bei einer Million Euro gelegen. In diesem Jahr wäre das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) „ohne Maßnahmen zweistellig negativ“, so Rabe.

Einen Verkauf prüft RTL für die fünf Marken „Business Punk“, „Art“, „P.M.“, „Beef!“ und „Salon“. dpa

Zeitschriften von Gruner + Jahr

Einen Verkauf prüft RTL für die fünf Marken „Business Punk“, „Art“, „P.M.“, „Beef!“ und „Salon“.

Der Manager gilt als kühler Zahlenmann, der Dinge selbst in die Hand nimmt. Seit Mitte August ist er nicht nur Chef von Bertelsmann, sondern in Personalunion auch von der RTL-Gruppe und RTL Deutschland. Kritiker werfen ihm vor, viele Entscheidungen zu eigenständig zu treffen. So musste der frühere RTL-Chef Stephan Schäfer nach nur einem Jahr gehen, weil er wohl als zu lasch für die Aufgabe angesehen wurde.

Rabes Pläne führen dazu, dass 500 Stellen am Standort Hamburg abgebaut werden – und zwar „schrittweise bis Ende 2025“. 200 weitere Stellen sollen durch den geplanten Verkauf der Titel an die neuen Eigentümer übergehen.

Der Großteil der Jobs soll nicht in den Redaktionen wegfallen, sondern etwa in der IT, in der Personal- und Rechtsabteilung, im Gebäudemanagement, der Kommunikation oder im Marketing.

Rabe will 80 Millionen Euro investieren

Rabe verfolgt die Strategie, „nationale Medienchampions“ zu schaffen, wie er gern sagt. Damit will er gegen die Übermacht von Google, Netflix und Co. auf dem Werbe- und Medienmarkt vorgehen. Rabe hatte betont, dass man für die geplanten Investitionen im wichtigen Streaminggeschäft Ressourcen neu verteilen und Strukturen hinterfragen müsse.

So plant Rabe, in die verbleibenden Titel bei G+J bis 2025 insgesamt rund 80 Millionen Euro zu investieren, wie er ankündigte. Das Geld soll vor allem in den digitalen Ausbau der Kernmarken fließen. „Wir sehen erhebliche Verbundeffekte zwischen den Kernmarken von Gruner + Jahr und RTL – nicht nur in der redaktionellen Zusammenarbeit, sondern vor allem in der Vermarktung“, so Rabe. Er sieht einen Mehrwert von 75 Millionen Euro pro Jahr.

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30 der 80 Millionen Euro will Rabe in das Digitalangebot des Magazins Stern, „Stern plus“, investieren. Diese Ankündigung offenbart, dass ein anderes RTL-Vorhaben nicht so funktioniert wie geplant. Eigentlich wollte RTL seine Bewegtbildinhalte, Musik und digitale Magazine aus dem Hause G+J in einer App mit dem Namen „RTL plus“ an den Start bringen.

Diese Idee konnte das Unternehmen bislang etwa wegen technischer Hürden nicht umsetzen. Es ist nun fraglich, ob alles in einer App gebündelt wird oder ob digitale Angebote auf mehrere Apps oder unterschiedliche Kanäle verteilt werden.

Rabe soll während der Versammlung eingeräumt haben, zu spät in das Digitalgeschäft investiert zu haben. So seien etwa beim Stern die Zahl der bezahlten Digitalabos weit hinter denen der Konkurrenz zurück. Laut Betriebsrat Maier sorge das bei vielen Beschäftigten für Skepsis, ob das Management nun die digitale Transformation hinbekomme. „Das Management hat Fehler gemacht, die nun die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbaden müssen.“

Zeitschriftenstandort Hamburg soll erhalten bleiben

Weitere 30 Millionen Euro fließen in andere Kernmarken, 20 Millionen in neue Räumlichkeiten. Der Hamburger Zeitschriftenstandort soll zwar erhalten bleiben. Die Redaktion wird allerdings ihre traditionellen Büroräume am Baumwall mit Blick auf den Hafen verlassen müssen. Bis 2024 sollen die Beschäftigten in neue Räume ziehen. Funktionen abseits der Redaktion werden allerdings in Köln gebündelt.

Für Manager Rabe ist es gerade eine schwierige Zeit als Bertelsmann-Chef. In den vergangenen Wochen gab es viele Gerüchte, wonach auch Kernmarken wie „Stern“ oder „Geo“ eingestellt werden sollten. Offenbar wurde der Druck aber zu groß: Es hatte starke Proteste von Mitarbeitern und Gewerkschaften gegen einen möglichen Verkauf gegeben.

Thomas Rabe Bertelsmann

Thomas Rabe

Schwierige Phase für den Bertelsmann-Chef.

Auch Rabes Akquisitionspläne gehen gerade nicht auf. In den vergangenen Monaten sind vier Transaktionen im Gesamtwert von fünf Milliarden Euro gescheitert. In Frankreich und den Niederlanden wollte Rabe durch Fusionen starke Medienmarken schaffen. Das scheiterte allerdings am Widerstand der Kartellbehörden. Zudem gingen Übernahmepläne in der Buch- und der Callcenter-Branche schief. „Er hat keinen Lauf“, heißt es in der Belegschaft.

Seine Anteile am Magazin „Spiegel“ und der DDV-Mediengruppe, zu der die „Sächsische Zeitung“ gehört, will Bertelsmann unterdessen behalten. Das gilt auch für die App-Plattform Applike, die früher zu G+J gehörte. Kurz vor der Fusion hatte der Medienkonzern diese Angebote seiner Sparte Bertelsmann Investments zugeordnet.

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