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30.01.2023

12:55

Medienkonzern

Vierte Schlappe in Folge: Bertelsmann scheitert mit Fusionen im Wert von fünf Milliarden Euro

Von: Michael Scheppe

RTL Niederlande darf nicht mit dem Konkurrenten Talpa fusionieren. Für Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ist das der vierte Rückschlag in nur wenigen Monaten.

Der Chef von Bertelsmann und der RTL Group will große Fusionen von Medienunternehmen vorantreiben – doch scheiterte nun vier mal in Folge. Bertelsmann

Thomas Rabe

Der Chef von Bertelsmann und der RTL Group will große Fusionen von Medienunternehmen vorantreiben – doch scheiterte nun vier mal in Folge.

Düsseldorf Europas zweitgrößter Medienkonzern Bertelsmann erleidet bei seinen Fusionsplänen einen weiteren Rückschlag. Der Plan, die TV-Tochter RTL Nederland mit dem Medienunternehmen Talpa des TV-Produzenten Jon de Mol zu fusionieren, ist gescheitert. Die niederländische Kartellbehörde ACM werde den Zusammenschluss nicht genehmigen, teilte die RTL Group am Montag in Luxemburg mit.

Bei einem Zusammenschluss hätten die beiden Firmen rund drei Viertel des niederländischen TV-Werbemarkts ausgemacht. Die Kartellwächter hatten Bedenken angemeldet, vor zwei Wochen schlugen die Unternehmen dann vor, die Werbeverkäufe von Talpa an ein anderes Unternehmen auszulagern.

Doch damit konnten sie die Bedenken der Wettbewerbsbehörde nicht ausräumen und den im Juni 2021 verkündeten Deal nicht retten. Die Fusion, die eigentlich schon 2022 über die Bühne gehen sollte, hat Bertelsmann nun abgesagt. Die Aktie der RTL Group verlor zwischenzeitlich gut ein Prozent.

RTL: Weitere Fusion in den Niederlanden gescheitert

Für Thomas Rabe, der nicht nur Chef der Konzernmutter Bertelsmann ist, sondern in Personalunion auch die RTL Group und RTL Deutschland führt, ist die Entscheidung eine schwere Schlappe. Seit September sind vier Transaktionen gescheitert – mit einem Gesamtwert von fünf Milliarden Euro.

Rabe will auf lokaler Ebene „nationale Medienchampions“ gründen, um globalen Konkurrenten wie Netflix oder Disney etwas entgegenzusetzen. Wie bei der geplatzten Fusion in den Niederlanden wollte Bertelsmann zuvor auch schon in Frankreich einen solchen „Champion“ schaffen.

RTL-Chef Rabe nennt abgesagte Fusion in Frankreich „ernsten Rückschlag“

Doch das Vorhaben, die Bertelsmann-Beteiligung M6 mit dem TV-Sender TF1 des französischen Mischkonzerns Bouygues zusammenzuführen, scheiterte im September an den Wettbewerbsbehörden. Denn auch hier hätte das fusionierte Unternehmen mehr als 70 Prozent des Werbefernsehens kontrolliert.

Auch Plan B, M6 anderweitig zu verkaufen, scheiterte. Der Zeitplan für einen neuen Deal war zu knapp. Rabe bezeichnete den nicht genehmigten Plan im Herbst in einer internen Managertagung als „ernsten Rückschlag“.

Analyst: Die Wettbewerbsbehörden müssen sich umstellen

François Godard, Analyst beim britischen Beratungshaus Enders Analysis, bewertet die strategischen Visionen von Bertelsmann gegenüber dem Handelsblatt als grundsätzlich richtig. Die Umsetzung sei jedoch herausfordernd, weil die Wettbewerbsbehörden sich stark umstellen müssten. Die Entscheidung der französischen Kartellbehörden habe auch die Wettbewerbshüter in den Niederlanden beeinflusst, so Godard.

Rabes Übernahmevorhaben bei dem Gütersloher Familienunternehmen sind auch in zwei weiteren Konzernbereichen gescheitert. Die Bertelsmann-Tochter Penguin Random House durfte den New Yorker Verlag Simon & Schuster nach einem Gerichtsentscheid nicht übernehmen, wie im November bekannt wurde. Der 2,2 Milliarden Dollar schwere Deal in den USA scheiterte ebenfalls an Wettbewerbsbedenken, in diesem Fall bei Bestsellerbüchern.

Rabe scheitert auch in der Verlags- und Callcenter-Branche mit Übernahmen

In der Callcenter-Branche kam die Bertelsmann-Konzerntochter Majorel nicht mit dem doppelt so großen Konkurrenten Sitel der französischen Milliardärsfamilie Mulliez zusammen. Hier lag es nicht an Bedenken der Behörden. Die Beteiligten zerstritten sich im September wegen steigender Zinsen. Dabei hatten sich die Konzerne schon im Sommer auf die Grundzüge einer Übernahme geeinigt.

Wir denken langfristig: Wenn sich Pläne um zwei, drei Jahre verzögern, ist das kein Problem. Bertelsmann-Aufsichtsratschef Christoph Mohn im Herbst 2022

Der Druck auf Bertelsmann-Chef Rabe dürfte nun steigen. Er hatte die Fusionsvorhaben im TV-Bereich mit großem persönlichem Einsatz vorangetrieben und diese als „große Schritte zur Stärkung unserer Sendergeschäfte in Europa“ bezeichnet. Aufsichtsratschef Christoph Mohn stärkte dem Manager im Herbst allerdings den Rücken: „Wir denken langfristig: Wenn sich Pläne um zwei, drei Jahre verzögern, ist das kein Problem“, sagte Mohn dem Handelsblatt.

Analyst Godard sagt, dass Bertelsmann nach den Rückschlägen tief durchatmen „und mit einem Aktionsplan zurückkommen“ werde. Man könne Thomas Rabe nicht dafür kritisieren, dass er in der Vergangenheit stehen geblieben sei. „RTL hat bei den digitalen Herausforderungen stärker nach vorne gedacht als die meisten anderen Privatsender in Europa.“ Ein solches Vorgehen sei in einem disruptiven Markt nötig.

Und so bleibt auch Rabe kämpferisch: „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass eine Marktkonsolidierung notwendig ist, um mit den globalen Technologieplattformen konkurrieren zu können.“ Diese werde früher oder später kommen.

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