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14.01.2023

11:42

Medienkonzern

Vince McMahon zurück an der Spitze – neue Verkaufsgerüchte um Wrestling-Konzern WWE

Von: Alexander Möthe

Der Ex-CEO übernimmt trotz etlicher Skandale wieder die Kontrolle. Seine Tochter kündigt. Die Übernahmegerüchte kochen hoch, inzwischen soll auch Rivale AEW dabei sein. Die Aktie steigt.

Der heute 77-Jährige ist sich für Auftritte im Ring nicht zu schade, wie hier zuletzt im April 2022. IMAGO/USA TODAY Network

Vince McMahon

Der heute 77-Jährige ist sich für Auftritte im Ring nicht zu schade, wie hier zuletzt im April 2022.

Düsseldorf Manche Geschichten sind zu gut, um wahr zu sein. Das gilt auch für den Verkauf des Wrestling-Konzerns WWE an den saudi-arabischen Staatsfonds PFI. Gleich mehrere US-Medien berichteten kürzlich, der Deal sei bereits abgeschlossen. Unternehmensinsider haben das inzwischen dementiert. Allein: Überrascht hätte es niemanden.

Der börsennotierte, aber familiengeführte Unterhaltungskonzern World Wrestling Entertainment (WWE) macht wilde Tage durch. Der Konzern verdient sein Geld mit akrobatischen Schaukämpfen, die in Erzählstränge wie aus einer Seifenoper eingebettet sind. Die sind auf Polarisierung ausgelegt, Gut gegen Böse. Die bis zu 80.000 Fans bei Live-Events sollen jubeln oder buhen – aber alles ist kalkuliert. Etwa 1,2 Milliarden Dollar Jahresumsatz macht der Konzern.

Ähnlich melodramatisch wie im Ring geht es mittlerweile auch im Unternehmen selbst zu. Anfang Januar wurde bekannt, dass Vince McMahon, Großaktionär mit rund 80 Prozent der Stimmrechte und Patriarch der Inhaberfamilie, sich nach einem halben Jahr Ruhestand überraschend wieder ins operative Geschäft einbringt.

WWE: Gegen Vince McMahon wurde intern ermittelt

Kurz darauf räumte seine Tochter Stephanie ihren Posten als CEO. Auch andere Mitglieder des Vorstands und Verwaltungsrats traten ab – mal mehr, mal weniger freiwillig.

Vince McMahon ist nun seit wenigen Tagen wieder Verwaltungsratsvorsitzender. Die Mission des 77-Jährigen wird mit jedem Tag komplexer. Ging es zunächst noch um die lukrative Neuverhandlung von TV-Verträgen, traute McMahon laut Medienberichten zuletzt weder seiner Familie noch dem Vorstand zu, die WWE bestmöglich zu verkaufen.

Am Freitag hat es Berichten zufolge ein Meeting gegeben, in dem Paul Levesque, Vorstandsmitglied und McMahons Schwiegersohn, die Athleten informierte, es gelte beim Verkauf zunächst das „ob“ zu klären, nicht das „an wen“. Allerdings gelten seine zurückgetretene Frau Stephanie und er als Gegner eines Verkaufs. Das Unternehmen reagierte auf Anfragen bisher nicht.

In den Ruhestand war der damalige CEO Vince McMahon im Juli 2022 nur gegangen, weil gegen ihn interne Ermittlungen wegen Vorwürfen sexueller Belästigung, Machtmissbrauch und Schweigegeldzahlungen liefen. Zahlungen über zwölf Millionen Dollar sollen nach Berichten des „Wall Street Journals“ aus Firmenmitteln bestritten worden sein, um Fehlverhalten und außereheliche Affären zu vertuschen.

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Die Ermittlungen wurden im November beendet, ein Ergebnis wurde bislang nicht kommuniziert. Dafür ist im Schwung der Abgänge auch der zuständige Vorstand der WWE zurückgetreten. Inzwischen gibt es Berichte über weitere Anschuldigungen. Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge klagen Aktionäre gegen McMahons Vorgehen. Ihm werde Machtmissbrauch und die Umgehung der Kontrollinstanzen vorgeworfen.

Das alles bewegt die Aktie des Unternehmens – und zwar nach oben. In diesem Jahr haben die Papiere bereits rund 30 Prozent zugelegt, der Kurs steht auf einem Dreijahreshoch. Größte Anteilseigner sind die Finanzinvestoren Lindsell Train, Vanguard und Blackrock, die aufgrund von Besonderheiten im US-Aktienrecht zwar große Teile des Kapitals halten, aber weniger Stimmrechte genießen.

Disney, Netflix und Amazon gelten als mögliche Interessenten

Angetrieben wird die Aktie von den Spekulationen um den Verkauf des Unternehmens. Die WWE bietet Interessenten zwei erfolgreiche Live-Shows auf Sendern der US-Mediengruppen NBC Universal und Fox. Hinzu kommt ein Archiv von mehreren Jahrzehnten Showmaterial, die über Streamingdienste vermarktet werden.

Als mögliche Interessenten gelten Disney, Comcast – auf dessen Dienst Peacock die WWE-Shows derzeit gestreamt werden –, aber auch Netflix oder Amazon. Und eben Saudi-Arabien. Die Frage ist, wer sich zutraut, das wüste Umfeld des Wrestling-Zirkus ohne eigenen Imageverlust zu integrieren. Womöglich bietet inzwischen auch der Hauptkonkurrent, die Wrestling-Liga AEW, mit.

Dabei geht es nicht nur um das Geschäft selbst, das der Konzern als „Sport-Entertainment“ beschreibt. Dieses basiert maßgeblich auf den Schauwerten der konzertierten Kämpfe durchtrainierter Männer und Frauen. Die vor wenigen Jahren noch unverhohlene Sexualisierung vor allem von Wrestlerinnen hat dabei merklich abgenommen.

Im Rahmen des größten Events der WWE lädt der Patriarch auch zur Präsentation der Geschäftszahlen – samt Motivationsrede an die Geschäftspartner. IMAGO/USA TODAY Network

McMahon bei „Wrestlemania“

Im Rahmen des größten Events der WWE lädt der Patriarch auch zur Präsentation der Geschäftszahlen – samt Motivationsrede an die Geschäftspartner.

Skandalträchtig ist vor allem Vince McMahon selbst. Sein Stil gilt als autoritär, auch weil er das Wrestling-Business in seiner heutigen Form fast im Alleingang geprägt hat.

Der Promoter, der die Firma einst von seinem Vater übernommen hat und zu einem international erfolgreichen Konzern geformt hat, ist sich selbst nicht für die Rolle vor der Kamera zu schade. Dabei ließ er sich unter anderem von Donald Trump die Haare abrasieren und von Mitarbeitern im Ring den blanken Hintern küssen. Athleten wie Dwayne „The Rock“ Johnson, Hulk Hogan, Dave Bautista oder John Cena verdanken ihm ihre Karrieren als Weltstars.

Die WWE ist heute immer noch die größte Marke im Geschäft, aber bei Weitem nicht die einzige. Die TV-Quoten stimmten zuletzt, haben aber durch die AEW starke Konkurrenz bekommen. Und Berichten zufolge suchen deren Inhaber inzwischen Partner, um dem Rivalen ein Angebot zu unterbreiten. Die AEW gehört dem Unternehmer, Milliardär und NFL-Team-Besitzer Shahid Khan und dessen Sohn Tony. Der Vater wird bereits mit den Worten „wir haben tiefe Taschen“ zitiert. Die Khans wüssten immerhin, worauf sie sich einlassen.

Corporate-Governance-Experte sieht grundsätzliche Probleme

„McMahons Rolle ist mit dem Firmenpatriarchen einer nicht börsennotierten Gesellschaft vergleichbar, ergänzt allerdings um Skandale und Compliance-Probleme“, sagt Andreas Hecker, Corporate-Governance-Experte bei der Kanzlei Hoffmann Liebs.

Die Investoren würden diese Struktur seit Jahren kennen und hätten diese bei ihrer Anlageentscheidung für die WWE eingepreist, insbesondere mit Blick auf kontinuierliche Dividenden oder mögliche Verkaufserlöse. Sprich: Solange die WWE Erfolg hat, sehen die Anleger über Defizite bei der Unternehmensführung hinweg.

„Aus Governance- und Compliance-Sicht ist die Struktur, aber auch die aktuelle Entwicklung des Unternehmens grundsätzlich kritisch zu bewerten“, sagt Hecker. Entscheidender Aspekt sei dabei die fehlende Unabhängigkeit bei der operativen Führung und Aufsicht und damit auch ein Vakuum bei der Aufarbeitung von Pflichtverletzungen und Compliance-Verstößen.

Wer McMahons Ansprachen vor Vertriebspartnern und Anteilseigenen kennt, versteht allerdings, wie der Geschäftsmann andere mitreißt. Der Konzern ist auf ihn an der Spitze ausgerichtet. Der Unternehmer gilt als Intimus von Ex-Präsident Donald Trump, dem er regelmäßig eine TV-Bühne geboten hat. Ehefrau Linda, eine eher erfolglose republikanische Lokalpolitikerin, durfte unter Trump die Behörde für kleine und mittlere Unternehmen leiten.

Vince McMahon sieht sich laut Medienberichten nun als entscheidenden Faktor in den Verkaufsplänen. Die gären seit Monaten, zuletzt wurde die US-Bank JP Morgan beauftragt, Optionen auszuloten.

„Man kann daher für den aktuellen Zeitpunkt sagen, dass die Personalie dem Unternehmen bislang wirtschaftlich nicht schadet“, sagt Hecker. Umgekehrt könne sogar ein potenzieller Käufer ein Interesse haben, „den mit Abstand stärksten Gesellschafter – jedenfalls auf dem Weg zur Transaktion und bei der Transaktion – an seiner Seite zu haben“.

Auch Saudi-Arabien entdeckt das „Sportswashing“

Nach McMahons überfallartiger Rückkehr hätte ein ebenso rasanter Verkauf sehr gut in den Seifenoper-Plot gepasst. Saudi-Arabien ist als Käufer weiterhin im Rennen, die Dementis von Insidern beziehen sich ausdrücklich nur auf den jetzigen Zeitpunkt. Dafür spricht, dass der Staatsfonds zuletzt das aus Katar bekannte Modell des „Sportswashing“ nachgeahmt hat – Imagepolitur durch zuschauerstarke Großveranstaltungen. Das wird von Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International kritisiert.

McMahon selbst hatte eine eigene Großveranstaltung für Saudi-Arabien entwickelt und verkauft. Die acht bisherigen Ausgaben haben Berichten zufolge für 400 Millionen Dollar Umsatz gesorgt. Doch auch hier ging es nicht ohne persönliches Drama. 2019 strandeten Dutzende Wrestler nach der Show in dem Land, die Athleten sprachen von einer „Geiselnahme“. McMahon entkam der Situation dank seines Privatjets.

Entzündet hatte sich der Streit Berichten zufolge durch einen Wutausbruch des Patriarchen, weil er angeblich vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman versetzt wurde. Ob das die aktuellen Verkaufsgespräche fördert, dürfte fraglich sein.

Datum der Erstveröffentlichung: 13.01.2023, 13:45 Uhr

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