PremiumKlusmann war fast fünf Jahre Chefredakteur des „Spiegels“. Seinem Abgang sollen Konflikte mit der Geschäftsführung vorausgegangen sein.
Düsseldorf Einer der wichtigsten Medienmacher Deutschlands muss gehen: Der bisherige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, Steffen Klusmann, verlässt den Hamburger Verlag mit sofortiger Wirkung, teilte das Medienhaus am Donnerstagabend mit. Klusmanns Nachfolger ist der bisherige „Spiegel“-Autor Dirk Kurbjuweit.
Der 57-jährige Klusmann wird in der Mitteilung so zitiert: „Zuletzt haben Geschäftsführung und ich in entscheidenden strategischen Fragen allzu oft keine Einigkeit erzielt – was nun mein Ausscheiden zur Folge hat.“ Schon in den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Gerüchte um Machtkämpfe an der Spitze des Verlags gegeben.
Hintergrund des Abgangs sollen Uneinigkeiten mit den „Spiegel“-Geschäftsführern Thomas Hass und Stefan Ottlitz über die künftige Strategie sein, hatte das Magazin „Business Insider“ am Donnerstagmorgen berichtet. Sie sollen Klusmann für fehlende journalistische Konzepte kritisiert haben. Hass bedauerte in der Mitteilung, „dass es am Ende nicht gelungen ist, unsere immer sehr gute Zusammenarbeit für die Zukunft fortzusetzen“.
Laut „Business Insider“ soll sich Klusmann in der Redaktionssitzung am Mittwoch nach Lesart mehrerer Teilnehmer von der Redaktion verabschiedet haben. Er soll davon gesprochen haben, eine gute Zeit beim „Spiegel“ gehabt zu haben. Das Medienhaus äußerte sich dazu nicht.
Die Ablösung Klusmanns sorgt für Verunsicherung in der Redaktion. Einige Redakteure sollen versucht haben, mit einem Protestbrief an die Geschäftsführung den Rauswurf Klusmanns zu verhindern. „Ein Auswechseln der Chefredaktion würde keines unserer aktuellen Probleme lösen, wie die sich eintrübenden Geschäftsaussichten. Im Gegenteil, dies hätte eine erneute, mehrmonatige Lähmung des ganzen Hauses zur Folge“, zitieren Mediendienste aus dem Schreiben.
Zuletzt haben Geschäftsführung und ich in entscheidenden strategischen Fragen allzu oft keine Einigkeit erzielt – was nun mein Ausscheiden zur Folge hat. Pressemitteilung „Der Spiegel“
Klusmann war seit Januar 2019 Chefredakteur des „Spiegels“, nachdem er zuvor dieselbe Position beim zur „Spiegel“-Gruppe gehörenden „manager magazin“ hatte. Klusmann trat anders als manche Vorgänger auf, die stärker als markante Figuren in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden.
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In seiner Zeit führte er die Print- und Online-Redaktion zusammen und arbeitete an einer digitalen Abo-Strategie. Bei der Zusammenlegung ging es auch darum, die Bezahlung der Redakteure anzupassen, die in Print und Online unterschiedlich verdient hatten.
Der Fokus auf digitale Inhalte scheint Klusmann gelungen zu sein: Trotz schwieriger Bedingungen am Werbemarkt erzielte der „Spiegel“ 2022 einen Jahresüberschuss von 42,8 Millionen Euro und erreichte damit fast das Ergebnis des Vorjahres. Die Umsätze lagen bei 267 Millionen Euro. Daran hatte das von Klusmann ausgebaute digitale Angebot einen gewichtigen Anteil. Das digitale Bezahlmodell „Spiegel +“ zählt mittlerweile 300.000 Abonnenten.
Klusmanns Start als Chefredakteur war schwierig, er fiel in die Zeit der Aufarbeitung des wohl größten Skandals des Magazins: die Affäre um die gefälschten Texte des bis dahin gefeierten „Spiegel“-Autors Claas Relotius. Die Leitung der Redaktion in dieser Zeit brachte ihm Respekt ein.
Vor seiner Tätigkeit in der Spiegel-Gruppe war der gebürtige Karlsruher einige Monate stellvertretender Chefredakteur des „Stern“ beim Konkurrenten Gruner+Jahr (G+J) gewesen. Zu seinen früheren beruflichen Stationen zählte mit Unterbrechung seit 1999 seine Tätigkeit bei der „Financial Times Deutschland“. 2004 wurde er dort Chefredakteur. 2012 stellte G+J die Zeitung ein.
Klusmanns Nachfolger Kurbjuweit muss nun wieder für Ruhe beim „Spiegel“ sorgen. Er will Klusmanns Impulse im digitalen Geschäft fortsetzen. „Ich werde die laufenden Erneuerungsprozesse der Chefredaktion aufnehmen und im intensiven Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen weiterentwickeln.“ „Spiegel“-Co-Geschäftsführer Ottlitz sagte, dass eine weitere Markenprofilierung in der Online-Bezahlstrategie wichtig sei.
Der 60-jährige Kurbjuweit arbeitetet schon seit 24 Jahren beim „Spiegel“. Zwischen 2015 und 2018 war er bereits stellvertretender Chefredakteur. Seither ist er Autor im Hauptstadtbüro.
Der Abgang von Klusmann unterstreicht, dass der Spiegel ein schwer zu führendes Haus ist. Er war der vierte Chefredakteur seit 2008. Ende 2021 sagte Klusmann in einem Interview: „Dass es einen an der Spitze des ‚Spiegel‘ schnell verreißen kann, sollte man einpreisen, wenn man den Job annimmt. Sonst macht man vor lauter Angst entweder gar nix oder alles falsch.“ Wohin es Klusmann künftig ziehen könnte, ist noch nicht bekannt.
Erstpublikation: 25.05.2023, 18:57 Uhr (zuletzt geändert am 25.05.2023 um 20:28 Uhr).
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