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05.05.2020

15:13

Telekommunikation

Fusion von O2 und Virgin Media würde den britischen Mobilfunkmarkt neu ordnen

Von: Sandra Louven, Kerstin Leitel, Katharina Kort

Liberty Global und Telefónica prüfen eine Fusion ihrer britischen Töchter. Nun muss auch die Konkurrenz überlegen, ob und wie sie reagiert.

Ein Zusammenschluss mit Virgin Media hätte den Vorteil, dass das neue Unternehmen nicht mehr auf andere Anbieter angewiesen wäre. AFP

O2-Shop in London

Ein Zusammenschluss mit Virgin Media hätte den Vorteil, dass das neue Unternehmen nicht mehr auf andere Anbieter angewiesen wäre.

New York, London, Madrid Es sind Nachrichten, die aufhorchen lassen: Der spanische Telekommunikationsriese Telefónica verhandelt mit dem US-Rivalen Liberty Global über einen Zusammenschluss der britischen Töchter O2 und Virgin Media. Es wäre ein Zusammenschluss von zwei in Großbritannien bekannten Namen – die jedoch in unterschiedlichen Bereichen aktiv sind: O2 ist mit rund 34 Millionen Kunden der größte Mobilfunkanbieter des Landes. Virgin Media gehört dagegen zu den führenden Kabel- und Pay-TV-Anbietern.

Von einem Deal wäre eine ganze Reihe von Unternehmen betroffen – nicht nur die unmittelbar Beteiligten: Auch die Konkurrenz muss sich überlegen, ob und wie sie reagiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die Telekommunikationsbranche in Großbritannien stark fragmentiert. Würden 02 und Virgin Media sich zusammenschließen, rüttelt es die ganze Branche durcheinander.

Aktuell haben rund sechs Millionen Briten bei Virgin Media einen Kabelanschluss und greifen auf das Pay-TV-Angebot zu. 3,3 Millionen Kunden nutzen zudem dessen Mobilfunkangebot – das aber bislang auf der Technologie der BT-Tochter EE basiert.

Ein Zusammenschluss mit O2 hätte den Vorteil, dass das neue Unternehmen nicht mehr auf andere Anbieter angewiesen wäre und selbst ein Paket aus Internet, Festnetz, Mobilfunk und TV anbieten könnte. Mit solchen Bündelangeboten wollen die Unternehmen die Nutzer enger an sich binden. Denn je mehr Dienstleistungen ein Kunde nutzt, desto komplizierter wird ein Wechsel zur Konkurrenz.

Nach dem Zusammenschluss könnte das neue Unternehmen also nicht nur eigenständig seine Dienste anbieten, es wäre auch ein härterer Konkurrent für den britischen Platzhirsch BT.

Aber auch Vodafone wird die Transaktion genau verfolgen. Schon allein, weil es die laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Vodafone und Virgin Media beeinträchtigen dürfte. Ende 2019 hatte Vodafone mit Virgin Media eine Kooperation bis 2026 vereinbart: Virgin Media sollte zukünftig die Mobilfunknetze von Vodafone nutzen, dafür kann Vodafone seine Internetdienste über den Partner verkaufen.

In Großbritannien spekuliert man angesichts dessen, ob Vodafone mit einem Gegenangebot für Virgin Media in den Ring steigt. Aber Vodafone hat ein Problem: Nach der Zahlung von über 18 Milliarden Euro an Liberty Global 2019 für die Übernahme mehrerer Töchter des US-Konzerns ist der britische Telekommunikationsriese nicht mehr so gut bei Kasse – zumal hohe Investitionen in den Aufbau des 5G-Netzes fällig sind.

Die Spanier haben schon 2016 versucht, ihre britische Tochter O2 zu verkaufen. Sie hatten sich damals mit dem Wettbewerber Hutchison auf einen Kaufpreis von 13 Milliarden Euro geeinigt. Doch die EU-Kommission untersagte den Deal, weil er den Wettbewerb beeinträchtigt hätte. Bei dem nun diskutierten Deal mit Virgin sind die Chancen für eine Genehmigung aber höher, weil durch den Zusammenschluss von Festnetz- und Mobilfunkanbieter kein Rivale vom Markt verschwinden würde.

Das große Problem von Telefónica sind die hohen Schulden von 38 Milliarden Euro. Sie stammen noch aus der Zeit, als der einstige spanische Monopolist sich durch Zukäufe in Zentral- und Südamerika zu einem globalen Telekommunikationsriesen gewandelt hat.

Liberty verfügt über volle Kassen

Im vergangenen November stellte Telefónica-Chef José Maria Pallete die Töchter in Lateinamerika mit Ausnahme des starken Geschäfts in Brasilien zum Verkauf. Die Töchter in Spanien, Deutschland, Großbritannien und Brasilien dagegen definierte er als Kerngeschäft, weil sie den meisten Umsatz und Gewinn erzielen. Doch bislang ist es nicht zu signifikanten Verkäufen gekommen. Und die Coronakrise macht die geplanten Veräußerungen noch schwieriger.

Der Deal mit Liberty Media würde die Schuldenquote von Telefónica zwar nicht maßgeblich senken, denn die Spanier müssten die Schulden des Joint Ventures anteilig übernehmen. Allerdings könnten sie von Dividenden sowie von erwarteten Synergien profitieren.

Zudem ist Virgin Media stärker verschuldet als O2, weshalb Liberty womöglich einen Ausgleich zahlen müsste. Die Analysten der Deutschen Bank bewerten O2 mit 11 Milliarden Pfund (12,5 Milliarden Euro) zwar niedriger als Virgin mit 16 Milliarden Pfund. „Da O2 potenziell auf schuldenfreier Basis eingebracht wird, während Virgin Media 12 Milliarden Pfund Schulden hat, öffnet das Telefónica die Tür, Barmittel zu erhalten, um eine Kombination auf der Basis gleicher Anteile zu erreichen“, schreiben sie. Sie rechnen mit einer Cash-Zahlung bis zu 8,5 Milliarden Euro.

Für Liberty Global dürfte eine Zahlung an Telefónica kein Problem darstellen. Schon seit Abschluss des Milliardendeals mit Vodafone fragten sich Analysten, was das Unternehmen mit dem Geld nun anstellen will. Dass es in Richtung Großbritannien gehen könnte, deutete das Liberty-Management im vergangenen Herbst an: Im September hatte Vorstandschef Mike Fries gesagt, dass der Kauf eines britischen Mobilfunkanbieters 500 bis 700 Millionen Pfund an  Synergien bringen könnte.

Hinter Liberty Global, einem der größten kombinierten Anbieter von Video-, Breitband- und Kommunikationsdiensten weltweit, steht der milliardenschwere Unternehmer John Malone, der „Cable Cowboy“, wie er nach verschiedenen Übernahmen und Verkäufen in den vergangenen Jahrzehnten genannt wird.

Auch die Aktionäre begrüßten die Pläne. Der Aktienkurs von Liberty Global stieg am Freitag um 15 Prozent, als Bloomberg über den möglichen Deal in Europa berichtet hatte. Nachdem Telefónica die Gespräche am Montag bestätigt hatte, legte der Kurs der Spanier um 2,9 Prozent zu, während der Börsenindex Ibex um 3,6 Prozent sank.

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