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30.08.2021

15:59

Unternehmerin Astrid Schulte

Wie die Ex-Bellybutton-Chefin eine Werbeartikelfirma umkrempelt

Von: Catrin Bialek

PremiumAstrid Schulte hat sich bei der Babyfirma Bellybutton einen Namen gemacht. Bei Berendsohn avanciert sie nun zur resoluten Saniererin.

Die 55-Jährige gibt sich kämpferisch – und will Berendsohn völlig neu ausrichten.

Astrid Schulte

Die 55-Jährige gibt sich kämpferisch – und will Berendsohn völlig neu ausrichten.

Düsseldorf Die Coronakrise hat den Werbeartikel-Spezialisten Berendsohn belastet. Der Umsatz brach um rund ein Viertel auf 49,5 Millionen Euro ein, das Geschäft war wieder einmal defizitär. Für Astrid Schulte, seit 2017 Vorstandsvorsitzende des Hamburger Traditionsunternehmens, jedoch kein Grund für Trübsal. Die 55-Jährige gibt sich kämpferisch – und will Berendsohn völlig neu ausrichten.

„Wir werden dieses Jahr das erste Mal profitabel sein“, kündigt Schulte im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Für das 1833 gegründete Unternehmen wäre dies ein wichtiger Meilenstein. Seit 2012 liegt der jährliche Verlust zuverlässig zwischen eineinhalb und drei Millionen Euro. „Das Unternehmen war nachhaltig unprofitabel“, sagt Schulte.

Schulte, die sich in ihrem vorherigen Arbeitsleben einen Namen als Macherin des Promi-Labels Bellybutton gemacht hatte, hat Berendsohn in den vergangenen vier Jahren kräftig saniert. „Mehr Transformation geht eigentlich nicht“, meint Peter Dill, Aufsichtsratschef von Berendsohn, über Schultes Arbeit.

2017 hatte sich Schulte von Bellybutton abgewandt. Einige Jahre zuvor hatten sie und ihre vier Geschäftspartnerinnen, darunter Schauspielerin Ursula Karven sowie Dana Schweiger, Ex-Frau von Schauspieler Til Schweiger, das Unternehmen, das auf Umstands- und Babymode spezialisiert ist, verkauft. Schulte blieb als operative Chefin noch einige Jahre an Bord.

In Berendsohn machte sie einen geeigneten neuen Wirkungsort aus. Zusammen mit Dill und dem inzwischen verstorbenen Geschäftspartner Egbert Miebach kaufte sie 51 Prozent des kriselnden Unternehmens. Die Verkäuferinnen, die drei Töchter des vorherigen Firmeninhabers Günther Berendsohn, behielten die restlichen 49 Prozent. Mit der Mehrheit hatten Schulte und Dill die Möglichkeit, das Unternehmen nach ihrem Gusto neu aufzustellen. Schulte als Vorstandsvorsitzende, Dill als Chef des Aufsichtsrats.

„Berendsohn war, als ich kam, nicht digitalisiert“, klagt Schulte. „Da liefen die Aufträge auch schon mal per Fax ein.“ Die Betriebswirtin sorgte für ein Umdenken – hin zu mehr Technologiefreude. „Heute kommen die Aufträge digital. Das hat die Prozesse deutlich vereinfacht.“

Digitale Produkte im Portfolio

Die Kunden von Berendsohn sind in aller Regel Kleinunternehmer – Handwerker, Restaurants, Händler oder Selbstständige. In dem Markt für Werbegeschenke, der in Deutschland auf insgesamt 3,2 Milliarden Euro taxiert wird, bilden sie die größte Klientel. Oftmals sind die Artikel die einzige Werbemaßnahme, die sie sich leisten. Schulte findet Kulis, T-Shirts oder Schlüsselanhänger als kommunikatives Aushängeschild allerdings allein nicht ausreichend – und bietet ihren Kunden zunehmend auch digitale Produkte an: eigene Websites, Social Media oder auch Local Listings, um im Internet gefunden zu werden.

Was in Marketingkreisen eine Selbstverständlichkeit ist, bedeutete in Hamburg vor Ort eine kleine Revolution. Nicht nur bei den Kleinstunternehmen, sondern auch bei den Vertriebsmitarbeitern von Berendsohn. Viele von ihnen waren seit Jahrzehnten bei dem Familienunternehmen beschäftigt und konnten sich ein Leben ohne ihren Musterkoffer mitsamt den neuesten Werbeartikeln kaum vorstellen. Schulte jedoch war überzeugt, dass der Musterkoffer eine digitale Ergänzung brauchte.

„Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass jeder einzelne Vertriebler das macht“, sagt Schulte. „Aber 80 Prozent von ihnen verkaufen auch Digitalprodukte.“ Zehn Prozent des Umsatzes erzielt das mittelständische Unternehmen, das europaweit agiert, inzwischen mit digitalen Produkten.

„Wir sind wie eine kleine lokale Werbeagentur“, findet Schulte. „Wir versuchen auf diesem Weg, Leads zu akquirieren.“ Mit Leads meint die studierte Betriebswirtin Kundenkontakte, die systematisch in Datenbanken verwaltet und dem Vertrieb zur Verfügung gestellt werden. Die Kaltakquise soll damit der Vergangenheit angehören.

Auch der persönliche Kontakt, der früher eine Voraussetzung fürs Geschäfteabschließen war, wurde zunehmend ins Internet verlagert. Sie habe „aber einfach etwas schlankere Strukturen eingeführt“, erzählt Schulte. „Wir machen sehr viel remote. Dadurch müssen nicht mehr alle Mitarbeiter durch die Gegend fahren. Das spart irre viel Geld und Zeit.“

Auch Personal wurde abgebaut

Berendsohn hat sich in dieser Zeit von einer Reihe Mitarbeiter getrennt. Sowohl 2017 als auch 2020 gab es Personal-Abbaurunden, die Zahl der Beschäftigten hat sich um rund 20 Prozent auf 680 reduziert. Heute ist sich Schulte sicher, dass die „richtigen Leute an den richtigen Stellen sitzen“.

Schulte weiß: Bei einer Transformation stößt man, wenn man wirklich etwas erreichen will, auch auf Widerstände. „Da ist Beharrlichkeit gefordert“, meint sie. Die Coronakrise, da ist sich Schulte auch sicher, habe diesen Prozess deutlich beschleunigt. Viele ihrer Kunden benötigten weniger Werbeartikel, schließlich ging die Zahl der Kundenbesuche deutlich zurück, stattdessen entschieden sie sich immer öfter für digitale Kommunikationslösungen.

In einem nächsten Schritt will Schulte vorgefertigte Marketingpakete für einzelne Branchen anbieten und damit das Know-how ihrer Mitarbeiter effizienter einsetzen. Auch will sie neben dem Onlinemarketing das Verkaufen übers Telefon stärker forcieren.

„Ich halte Astrid für eine sehr empathische Person, die, wenn es darauf ankommt, aber auch klare Kante zeigen kann“, sagt Aufsichtsratschef Dill. Die Berendsohn-Chefin habe die Firma durch eine gewaltige, nicht nur digitale Transformation geschickt. Dill sieht sich als Sparringspartner für Schulte – auch für die Zukunft. „Sicherlich haben wir schon viel geschafft, aber am Ende sind wir noch längst nicht angelangt.“

Schulte sieht in der Werbeartikel-Branche einen klaren Trend zu mehr Qualität und stärkerer Nachhaltigkeit. „Die Werbeartikel-Branche hat manchmal ein öseriges Image“, sagt Schulte, die früher für diverse Premiummarken gearbeitet hat. „Da denken viele an billig produzierte Produkte.“ Die gäbe es aber zunehmend weniger. „In den Unternehmen ist die Kundennähe inzwischen so groß, dass man weiß, dass die Kunden so etwas nicht wollen.“

Um gegen das Wegwerfimage anzukämpfen, kooperiert das Unternehmen seit 2008 mit dem World Wide Fund For Nature (WWF). So gibt es zum Beispiel nahe Hamburg den „Berendsohn Wald“ mit mehr als 45.000 Bäumen. Schultes Ziel: In fünf Jahren soll die Hälfte des Portfolios von Berendsohn nachhaltig produziert sein.

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