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09.07.2018

18:27

Schwarmfinanzierer dürfen das Risiko nicht scheuen. Photographer's Choice/Getty Images

Schwarmfinanzierer dürfen das Risiko nicht scheuen.

Schwarmfinanzierung

Crowdfunding wird immer beliebter – Anbieter wollen es jetzt sicherer machen

Von: Frank Matthias Drost

Internet-Plattformen wollen Investoren bei Crowdfunding-Projekten besser schützen. Das Risiko bleibt grundsätzlich aber dennoch hoch.

Berlin Schwarmfinanzierung ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Im Juni stieg die Summe des durch Crowdfunding eingesammelten Geldes auf über 500 Millionen-Euro. Crowd-Investing hat sich damit in Deutschland etabliert. Und dennoch: Es bleibt ein hoch risikoreiches Engagement, gerade für private Investoren. Anleger sollten nur das Geld einsetzen, auf das sie im Zweifelsfall auch verzichten können, empfehlen Verbraucherschützer nach wie vor.

Die Idee hinter dem Crowdfunding ist einfach: Was für einen einzelnen zu teuer ist, kann sich die Masse leisten. Und diese Masse kommt in der digitalen Welt besonders einfach zusammen. Immer mehr Projekte und Unternehmen werden über Internet-Plattformen finanziert, die Wagniskapital mobilisieren.

Das Interesse an dieser Art der Finanzierung wächst, auch mangels rentabler Alternativen. Über die Hälfte der seit 2011 investierten 500 Millionen Euro wurden in den vergangenen 15 Monaten platziert, berichtet das Portal Crowdfunding.de. „Crowdinvesting hat sich als neue Finanzierungsform abseits des Bankensystems etabliert“, ordnet der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Hessen, Wolf Brandes, ein.

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Und dennoch: Crowdfunding ist trotz der großen Zuwachszahlen noch eine Art Nischeninvestment. Denn das Volumen von 500 Millionen Euro macht insgesamt lediglich 0,03 Prozent des verfügbaren Einkommens privater Haushalte in Deutschland aus.

Marktkonzentration auf wenige Plattformen

Auffällig ist außerdem, dass auf die größten drei Internet-Plattformen mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens entfällt. Nach Angaben von Crowdfunding.de wird diese Riege von der Immobilienplattform Exporo angeführt, gefolgt von Funding Circle (Unternehmensfinanzierung) und Companisto (Unternehmensfinanzierung). Die größten acht Plattformen vereinigen 85 Prozent des gesamten Volumens auf sich.

In den vergangenen Jahren hat ein Wandel bei den Anlagesegmenten stattgefunden. Bis 2013 dominierten Investments in Start-ups. Mittlerweile stehen Immobilienprojekte in der Gunst der Anleger ganz oben. Von den 500 Millionen Euro entfallen gut 53 Prozent auf Immobilienanlagen, knapp 43 Prozent auf Unternehmensinvestitionen, der Rest auf Energieprojekte.

Und die hohe Ausfallgefahr der Engagements spiegelt sich in der bisherigen Bilanz nicht wider. Mehr als zwei Drittel der Projekte, in die die 500 Millionen Euro investiert wurden, sind derzeit noch aktiv. Diese Zahl kann allerdings täuschen. Lediglich 13 Prozent wurden bislang ausgezahlt. 1,4 Prozent gelten als bereits gescheitert. Bei gut 14 Prozent der Engagements wird der Anlagestatus des Crowdinvestments nicht offen ausgewiesen, bei weiteren gut drei Prozent gibt es Hinweise, dass der Emittent nicht mehr aktiv ist.

Ausfallrate liegt bei 14 Prozent

In einer Studie, die das Bundesfinanzministerium in Auftrag gegeben hatte, wurde die Ausfallrate beim Crowdinvesting auf 14 Prozent veranschlagt. Damit sei die „Überlebensfähigkeit von Start-ups, die über die Crowd finanziert werden, höher als bei übrigen Start-ups.“ Hier werde in der Regel mit einer Ausfallquote von rund 30 Prozent gerechnet, so das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz schuf der Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für das Crowdinvesting. Dieser besagt: Für Vermögensanlagen von bis zu 2,5 Millionen Euro, die über sogenannte partiarische Darlehen oder Nachrangdarlehen finanziert werden, müssen keine Verkaufsprospekte erstellt werden. Das gilt seit 2015 und reduziert den Aufwand für Anbieter enorm. Es genügt seitdem ein dreiseitiges Informationsblatt über das Projekt bzw. das Unternehmen. „Unsere Erkenntnisse zeigen, dass diese Informationen für Anleger häufig widersprüchlich und unvollständig sind“, warnt Verbraucherschützer Brandes allerdings.

Sehr zum Verdruss der Crowd-Branche führte die Bundesregierung mit dem Gesetz auch Beteiligungs-Obergrenzen ein. Die Beteiligung darf 1.000 Euro pro Investor/Projekt in der Regel nicht übersteigen. Ausnahmen bis zu 10.000 Euro sind nur dann möglich, wenn der Anleger über ein frei verfügbares Vermögen von mindestens 100.000 Euro verfügt. Hoffnungen, dass diese Schwellen im Zuge der gerade verabschiedeten EU-Prospektverordnung fallen, erfüllten sich nicht.

Auch die Plattformen wollen Anleger besser schützen

Mit dieser Verordnung können künftig kleine und mittlere Unternehmen den Kapitalmarkt um bis zu acht Millionen Euro anzapfen, ohne einen Wertpapierprospekt vorzulegen. Die Crowd-Branche fordert, diesen neuen Schwellenwert auch auf ihre Branche zu übertragen. Ein bisschen Hoffnung besteht. „Die Notwendigkeit von Einzelanlageschwellen für private Anleger und eine Ausweitung der Ausnahme der Angebote für Crowdfunding-Angebote wollen wir im kommenden Jahr prüfen“, kündigte die finanzpolitische Sprecherin der Union, Antje Tillmann, an.

Derzeit engagieren sich Crowd-Anleger häufig durch Nachrangdarlehen an Unternehmen und Projekten. Wenn es zu einer Insolvenz kommt, stehen sie damit allerdings schlecht dar. Ihre Ansprüche werden in der Regel zuletzt bedient. „Investments im Grauen Kapitalmarkt sollten Anleger nicht als Altersvorsorge nutzen, da das Risiko besteht, einen Totalverlust zu erleiden“, warnt Verbraucherschützer Brandes. Streng genommen sollten sich private Investoren nur mit „Spielgeld“ engagieren.

Selbst sind die aktiven Plattformen daran interessiert, die Investoren besser zu schützen. So können Anleger bei der Immobilien-Plattform Exporo über Bankdarlehen einer Partnerbank in Immobilienprojekte investieren. Diese bieten höheren Schutz als Nachrangdarlehen.

Auf eine andere Idee ist die Finanzierungsplattform Companisto gekommen. Sie bietet jetzt Eigenkapital-Beteiligungen für Finanzierungsrunden ab drei Millionen Euro an. Damit sind die Engagements zwar nicht mehr prospektfrei, weil die Grenze von 2,5 Millionen Euro überschritten wird. Aber die Companisto-Gründer Tamo Zwinge und David Rhotert gehen davon aus, dass ein starkes Interesse von Investoren besteht, „in echte GmbH-Anteile“ zu investieren.

Verbraucherschützer Brandes sieht diesen Trend positiv. „Es wäre ein Fortschritt, wenn sich Crowd-Anleger mit Eigenkapital beteiligen könnten oder mit Instrumenten, die ihre Position als Investor stärkt“, sagt er. Nach Beobachtung des Marktwächters gibt es nämlich derzeit eine „Asymmetrie zwischen Chancen und Risiken“.

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