Deutsche Investoren stecken ihr Geld immer häufiger in ausländische Firmen – anstatt hiesige Start-ups zu finanzieren. Politiker suchen nach Lösungen.
Start-up-Finanzierung
Immer mehr ausländische Start-ups, vor allem aus Europa und den USA, bekommen Geld von deutschen Investoren.
Bild: Getty Images
Berlin Als Matt Talbot Geld für sein in Colorado ansässiges Start-up sammeln wollte, tat er etwas für einen US-Unternehmer sehr Ungewöhnliches: Er bewarb sich um eine Finanzierung bei einem 8.000 Kilometer entfernten Investor in Deutschland. Und er bekam das Geld.
Talbot ist kein Einzelfall. Sein Unternehmen Go Spot Check, eine Firma für Unternehmenssoftware, ist ein Beispiel für einen wachsenden Trend: Immer mehr ausländische Start-ups, vor allem aus Europa und den USA, bekommen Geld von deutschen Investoren.
Wie eine Erhebung des Branchen-Trackers Pitch Book für das Handelsblatt zeigt, vergaben deutsche Investoren in den ersten 10,5 Monaten dieses Jahres mehr als 360 Millionen Dollar an ausländische Unternehmen – vor zwei Jahren waren es noch 174 Millionen Dollar.
Für deutsche Investoren ist das eine gute Sache. Es zeigt ihren wachsenden Einfluss in der Start-up-Szene auf globaler Ebene. „Ausländische Gründer kommen häufiger nach Deutschland, um um Geld zu werben“, sagt Florian Nöll, Chef des Bundesverbands Deutsche Start-ups.
Für die deutsche Regierung könnten die Zahlen jedoch frustrierend sein. Denn schon seit Jahren versucht das Bundeswirtschaftsministerium, Investoren dazu zu bringen, mehr in lokale Start-ups zu investieren und den im Vergleich zu den USA unterentwickelten Markt für Wagniskapital in Deutschland zu beleben. Doch wie die Daten zeigen, geht diese Strategie in Bezug auf die deutschen Investoren derzeit nicht ganz auf.
Bislang hatten deutsche Investoren meist mehr Geld in lokale Start-ups investiert als in ausländische. In diesem Jahr ist es bislang anders herum. In den ersten 10,5 Monaten erhielten deutsche Start-ups rund 207 Millionen Dollar von deutschen Investoren, weit weniger als an ausländische Start-ups gezahlt wurde.
In einer Antwort auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag beklagt das Wirtschaftsministerium, dass es gerade in der frühen Wachstumsphase von Start-ups in Deutschland eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach Risikokapital gibt. Derzeit prüfe die Bundesregierung Maßnahmen, wie institutionelle Investoren dazu gebracht werden können, mehr Risikokapital zur Finanzierung des Wachstums junger Unternehmen zu investieren, so das Ministerium.
„Wenn deutsche Investoren ihr Geld im Ausland investieren und deutschen Start-ups auf der anderen Seite Geld fehlt, dann gibt es da einen Mismatch“, sagt Danyal Bayaz, Start-up-Beauftragter der Grünen-Fraktion im Bundestag. „Die Frage ist, wie bringen wir Start-ups und Investoren zusammen.“
Bayaz denkt, dass die Start-ups nicht sichtbar genug für Investoren sind, und fordert, dass die Bundesregierung ihre Anstrengungen erhöht, dezentrale Ökosysteme für Unternehmensgründer zu schaffen. Zudem sollte es erleichtert werden, dass auch Teile der Gelder aus der Altersvorsorge in Start-ups angelegt werden können.
Pawel Chudzinski, Partner bei Point Nine Capital, das in Go Spot Check investiert hat, meint, dass nur mehr Geld nicht reichen wird, um Deutschland zu einem internationalen Technik-Hub zu machen. Eine schnellere Internetverbindung, mehr Bildung rund um Technologie und Unternehmertum und eine Bürokratie, die stärker auf Englisch sprechende Gründer und Mitarbeiter eingeht, könnte dazu beitragen, die Berliner Start-up-Szene zu beflügeln. Zudem könnten die aktuellen Tech-IPOs in Deutschland helfen, die Aufmerksamkeit auf die deutsche Tech-Szene zu lenken.
Die Gründe, warum sich ausländische Start-ups an deutsche Investoren wenden, sind vielfältig: Einige, wie Talbot, wünschen sich Ratschläge von Investoren, die auf eine bestimmte Branche spezialisiert sind. Andere, wie Gašper Kolenc, Mitbegründer von Tingles, einer Plattform für Entspannungsvideos, die in der Nähe des Silicon Valleys angesiedelt ist, sind an Unterstützung bei der Expansion nach Europa interessiert.
Der Bundesverband Deutsche Start-ups beobachtet zwar, dass mehr Kapital von ausländischen Geldgebern nach Deutschland fließt. „Ein Problem dabei ist, dass die ausländischen Venture-Capital-Geber die größten Deals machen“, so Verbandschef Nöll. Die letzten großen Finanzierungsrunden für Start-ups seien alle aus dem außereuropäischen Ausland gekommen. „Deutsche VC-Firmen investieren immer noch zu geringe Summen in einzelne Start-ups in Deutschland, weil die Fonds schlichtweg zu klein sind.“
Die Bundesregierung sieht darin eine Gefahr. „Die großen Fonds befinden sich alle in den USA. Alle wenigen erfolgreichen Plattformen, die wir haben, wandern in die USA aus“, sagt Altmaier. Auch die Gründer von Babbel, einem Berliner Sprachlernunternehmen, wollte ein im Silicon Valley ansässiger Geldgeber im Jahr 2010 dazu überreden, gegen eine Finanzierung ihren Sitz nach Kalifornien zu verlegen. Babbel lehnte ab.
Der Aufwand, in den USA neue Mitarbeiter zu finden, war ihnen zu groß. „Wir mussten Leute finden, die sowohl Portugiesisch als auch Schwedisch sprechen können. Viel Glück dabei, das im Silicon Valley zu finden“, sagte Thomas Holl, Mitbegründer und Cheftechnologe von Babbel dem Handelsblatt. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 600 Mitarbeiter in Berlin und New York.
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