Der Chef des Autozulieferers legt sein Amt vorzeitig nieder. Ein Mann gilt bereits seit Längerem als designierter Nachfolger von Elmar Degenhart.
Düsseldorf Es war die Überraschung am Donnerstagabend: Nach über elf Jahren zieht sich Elmar Degenhart als Konzernvorstand von Continental zurück. Der 61-Jährige habe den Aufsichtsrat über seine Entscheidung informiert, teilte der Autozulieferer mit.
„Nach bis zuletzt großer Kraftanstrengung zum Wohle unserer Organisation wurde mir vor Kurzem die Bedeutung vor Augen geführt, in meiner persönlichen Lebensplanung unverzüglich die Vorsorge für meine Gesundheit in den Vordergrund zu stellen“, heißt es in der Mitteilung des Konzerns. Degenharts Vertrag wäre eigentlich erst im August 2024 ausgelaufen.
Continental wolle mit einem Umbau des Managements strukturelle Änderungen beschleunigen, hieß es unter Berufung auf Insider. Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reitzle habe angekündigt, im Aufsichtsgremium kurzfristig über eine Nachfolge zu entscheiden. Konzernbetriebsrat Hasan Allak mahnt bei der Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden zur Eile.
„Der Aufsichtsrat muss jetzt zeitnah für die Nachfolge eine gleichermaßen kluge wie achtsame Wahl treffen“, sagt Allak. „Angesichts des laufenden Transformationsprogramms und der Coronakrise ist jetzt nicht die Zeit für Experimente. Das Unternehmen braucht einen Vorstandsvorsitzenden oder eine Vorstandsvorsitzende, der oder die das Unternehmen sehr gut kennt und das Vertrauen aller Beteiligten genießt“, erklärte Allak.
Als vielversprechendster Anwärter gilt Nikolai Setzer, Sprecher des Automotive Boards, das für die Transformation des Kerngeschäfts, also der Automotive-Sparte, verantwortlich ist. Setzer gilt bereits seit Längerem als designierter Nachfolger von Degenhart.
Nikolai Setzer
Der Chef des Automotive Boards dürfte nun an die Spitze des Konzerns aufrücken.
Bild: imago/Sven Simon
Continental verliert mit Degenhart mitten in einer der herausforderndsten Zeiten des Unternehmens seinen Vorstandsvorsitzenden. Coronakrise, Strukturwandel der Autoindustrie und der interne Konzernumbau belasten das Unternehmen. Vor allem in der Coronakrise geriet Continental-Chef Degenhart zunehmend unter Druck, was seinen Rücktritt vom Vorstandsposten beschleunigt haben könnte.
So sorgte die Verschärfung des Sparprogramms, das im September 2019 beschlossen wurde, für Aufruhr. Statt 7000 Arbeitsplätze stehen nunmehr bis zu 13.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland zur Disposition. Im ganzen Land gingen die Mitarbeiter auf die Straße. Und auch im Aufsichtsrat wurde die Kritik am Management lauter.
Der Autozulieferer sei „strategiebefreit“, sagte ein Gremiumsmitglied dem Handelsblatt bereits im September. Das Management verschanze sich im Elfenbeinturm und zeige keine Bereitschaft zu Verhandlungen. Conti habe Tabus gebrochen, das Image und die Unternehmenskultur nachhaltig geschädigt.
Unter Degenharts Verantwortung habe der Vorstand in den vergangenen zwei Jahren die Transformation des Unternehmens eingeleitet, erklärte Konzernbetriebsrat Allak. „Als Konzernbetriebsrat haben wir deutlich gemacht, dass wir mit einigen Entscheidungen nicht einverstanden sind und uns dabei vor allem verlässliche Perspektiven für die Beschäftigten fehlen.“
Die Politik mischte sich zuletzt auch stärker ein: Vor allem die Schließung eines eigentlich profitablen Reifenwerkes in Aachen bis Ende 2021 ließ die Situation eskalieren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezichtigte das Conti-Management des kalten Kapitalismus. Ihm missfiel, dass die Landesregierung nicht vorab über die Pläne des Managements informiert wurde. Degenhart entschuldigte sich in zwei Telefonaten mit Laschet persönlich für die Art und Weise, wie der Personalabbau in Aachen kommuniziert wurde.
Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der Gewerkschaftsvorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, sind der Auffassung, dass vor den Ankündigungen zum Personalabbau Gespräche mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft geboten gewesen wären. „Dafür ist es aber noch nicht zu spät“, so Ministerpräsident Stephan Weil. Das „Hau-Ruck-Vorgehen“ des Continental-Vorstands nannte Michael Vassiliadis „hilflos, kurzsichtig und sozial unausgewogen, und das wird so weder von der IG BCE noch von der IG Metall akzeptiert“
Degenhart wurde 2009 Chef des Dax-Zulieferers. Damals befand sich der Konzern nach der missglückten Übernahme durch Schaeffler in einer existenzbedrohenden Lage. Das Unternehmen musste einen riesigen Schuldenberg abtragen, was Degenhart zusammen mit seinem Finanzchef Wolfgang Schäfer innerhalb weniger Jahre eindrucksvoll gelang. Der Manager war intern beliebt und wurde für seine ruhige und besonnene Art sehr geschätzt. Doch in den vergangenen drei Jahren bewies das Management um Degenhart kein glückliches Händchen mehr.
Eigentlich sollte ein Konzernumbau, den Degenhart vor zwei Jahren angeordnet hatte, Continental wieder auf die Erfolgsspur zurückbringen. Der Konzern sollte in eine Holdingstruktur überführt werden. Für die Antriebssparte Vitesco war zunächst ein Teilbörsengang angedacht, später entschied sich das Management für eine Abspaltung. Ziel war es, die Konzernstruktur zu verschlanken. Conti sollte sich auf das Automotive-Geschäft mit Fahrzeugkomponenten und Software sowie Fahrerassistenzsystemen konzentrieren.
Kritiker bemängelten damals jedoch die späte Entscheidung für den Konzernumbau. Diesen ging der Vorstand um Degenhart zum Höhepunkt der Autokonjunktur an. Seit 2018 sinken die weltweiten Pkw-Absatzzahlen und mit ihnen auch die Margen im Zulieferergeschäft. Das erschwerte nicht nur den Umbau. Auch musste der Börsengang von Vitesco mehrmals verschoben werden. Stand jetzt ist unklar, wann ein IPO erfolgen könnte.
Und auch der Strukturwandel hin zur Elektromobilität und einem größerem Softwareanteil an der Wertschöpfung in der Autoindustrie manifestiert sich nicht in den Zahlen des Konzerns. Seit mehreren Quartalen lassen sowohl die Ergebnisse bei Vitesco als auch im Automotive-Geschäft zu wünschen übrig.
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