Im September geht die Antriebssparte Vitesco an die Börse. Nikolai Setzer kann den Zulieferer dann noch stärker auf Software und autonomes Fahren ausrichten.
Nikolai Setzer
Der Continental-Chef muss digitale Wertschöpfungsmöglichkeiten erschließen.
Bild: Continental AG
Düsseldorf Chefs von Autozulieferern bewegen sich in einer Welt der Extreme. Auf der einen Seite kämpfen sie mit einem enormen Transformationsdruck, den Corona nochmals erhöht hat. Auf der anderen Seite eröffnen sich ihnen mit der Digitalisierung der Autoindustrie neue Geschäftsfelder mit riesigen Wertschöpfungsmöglichkeiten. Seit Dezember vergangenen Jahres bewegt sich Nikolai Setzer in diesem Spannungsfeld.
Der Continental-Chef ist Nachfolger des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Elmar Degenhart, der sich gesundheitsbedingt zurückgezogen hat. In zwei Monaten wird Setzer einen entscheidenden Schritt in der Konzernstrategie abschließen: die Abspaltung der Antriebssparte Vitesco. Continental wird dann kaum noch Anknüpfungspunkte zum reinen Antriebsgeschäft haben. Die mehrmals verschobene Abspaltung macht den Weg frei, den Hardware-lastigen Zulieferer in einen Software-getriebenen Technologiekonzern umzugestalten.
Dieser Umbau ist für große Systemlieferanten wie Conti, Bosch oder ZF überlebenswichtig. Denn: „Ein zunehmender Teil der Differenzierung im Auto wird durch die Software geschehen“, sagt Nikolai Setzer im Handelsblatt-Podcast Disrupt.
Der 50-Jährige galt bereits seit Längerem als logischer Nachfolger von Degenhart. Setzer ist nach seinem Wirtschaftsingenieur-Studium beim Dax-Konzern eingestiegen. Als Vorstand der Reifensparte hat er das Traditionsgeschäft saniert. Er wurde Sprecher des sogenannten Automotive Boards, das den Konzernumbau von Continental koordiniert. Mit Degenharts Rückzug musste Setzer, der intern von Kollegen mit „Niko“ angesprochen wird, schneller in die Rolle des Conti-CEOs hineinwachsen als erwartet.
Er krempelt die Strategie von Degenhart nicht komplett um. Im Unternehmen bemängeln einige, dass beispielsweise personelle Veränderungen auf höchster Konzernebene ausgeblieben sind. Noch immer stehen dieselben Manager an der Spitze des Konzerns, obwohl die – so die Kritiker – für die fehlende Ertragskraft im Autogeschäft mitverantwortlich sind. Setzer wiegelt ab: „Wir haben unsere Automotive-Einheit in den vergangenen zwei Jahren umgestellt, und dort haben wir auch eine sehr hohe personelle Kompetenz.“
Der Conti-Chef schärft die Strategie stattdessen an einigen Stellen nach. Er investiert mehr in Wachstumsgeschäfte wie das autonome Fahren und die Software für Autobetriebssysteme. Die neuen Erlösmöglichkeiten locken aber auch neue Player an. Google und Amazon suchen ihren Weg in die Autoindustrie. Auf einmal konkurrieren Zulieferer wie Conti mit billionenschweren US-Tech-Giganten.
Große Sorgen bereitet das Setzer nicht. „Wir haben Tausende Ingenieure, die sich vollständig auf die Entwicklung von Software im Auto fokussieren. Die entwickeln kein Google-System, also keine Konsumentenelektronik und auch kein Cloud-Data-Management“, sagt der Conti-Chef. Insgesamt beschäftigt der Zulieferer 20.000 Softwareingenieure.
Setzer sieht in den Tech-Riesen weniger Konkurrenten, sondern Ergänzungsspieler. Conti hat zuletzt eine Cloud-Kooperation mit Amazon geschlossen. Contis Softwaretochter Elektrobit wiederum wird bei der Entwicklung von Sprachassistenten auf Amazons Alexa zurückgreifen. „Wir entwickeln Zentralrechner, Amazon bietet die Cloud-Kompetenz“, sagt Setzer.
Es ist aber ein Spiel mit dem Feuer: Kein anderer Zulieferer lässt einen Tech-Giganten so nahe an sich heran. Auf der anderen Seite wildert Google beispielsweise mit Android Automotive, einem standardisierten Infotainmentsystem, und Googles Tochter Waymo mit seinen autonom fahrenden Robotaxis in den Geschäftsfeldern der Autobauer und Zulieferer.
Die Gefahr, dass Amazon oder Google künftig komplett die Softwareentwicklung im Autobereich übernehmen und Zulieferer zu reinen Hardwarelieferanten degradieren, sieht Setzer aber nicht. Der Grund: Conti setzt bei der Entwicklung auf sogenannte „nicht-differenzierende“ Software, die als Grundlage für die jeweils eigenen Auto-Betriebssysteme der Autohersteller gilt. „Hier sind die Tech-Giganten nicht unterwegs“, sagt er.
Auch beim autonomen Fahren sieht Setzer Conti nicht im Rückstand. „Es nützt nichts, wenn man mit Testfahrzeugen nur in wenigen Städten fährt“, sagt Setzer mit Blick auf Waymo & Co. „Es geht bei den Daten nicht um die Summe der Kilometer, die man in einer Region sammelt, sondern um die Heterogenität, um unterschiedliche Use Cases abdecken zu können.“
Als deutlich größeres Problem stuft Setzer hingegen die anhaltende Chipknappheit ein. Mit seinem Amtsantritt hat er das Problem zur Chefsache gemacht. „Wir gehen davon aus, dass der Chipmangel das ganze Jahr anhalten wird“, sagt er. Aktuell gebe es Covid-Ausbrüche an wichtigen Halbleiterstandorten in Malaysia und anderen Asean-Staaten. „Das sorgt derzeit für Schwierigkeiten.“
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×