Der frühere Politiker nennt persönliche Gründe für seinen Rücktritt. Doch auch seine Bilanz als Infrastrukturvorstand des Staatskonzerns ist durchwachsen.
Ronald Pofalla
Der frühere Kanzleramtsminister war seit 2015 im Vorstand der Deutschen Bahn.
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Berlin, Frankfurt Überraschender Abgang bei der Deutschen Bahn. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla wird das Staatsunternehmen zum 30. April verlassen. Das teilte der Konzern am Dienstagvormittag mit. „Nach mehr als sieben Jahren im Unternehmen ist es an der Zeit, zu meinem nächsten Lebensabschnitt aufzubrechen“, wird der Angela Merkels frühere Kanzleramtschef in der Mitteilung zitiert.
Seinen Entschluss begründet der Bahn-Manager mit persönlichen Gründen. Bekannt ist, dass der 62-jährige Jurist vor Kurzem Vater geworden ist. Es ist sein erstes Kind. In seinem Umfeld heißt es, Pofalla wolle sich stärker um seine Familie kümmern. Dafür spricht, dass der Manager weder eine Abfindung erhält noch seine verbleibende Amtszeit ausgezahlt werden soll. Sein Vertrag wäre eigentlich noch bis Juli 2025 gelaufen.
Allerdings ist seine Bilanz als Infrastrukturvorstand durchwachsen. Einerseits hat der Manager mit seinen politischen Verbindungen mehrfach dafür gesorgt, dass der seit Jahren mit einer wachsenden Verschuldung kämpfende Staatskonzern immer wieder frische Mittel vom Staat bekam. Andererseits ist die mit Abstand größte Baustelle im DB-Konzern die marode Infrastruktur.
Keines der großen Infrastrukturprojekte läuft derzeit nach Plan, heißt es im Topmanagement der Bahn. Und das, obwohl Pofalla jedes Jahr ein Budget im zweistelligen Milliardenbereich für die Investitionen zur Verfügung hatte. Doch jahrelange Versäumnisse beim Erhalt und dem Ausbau der Infrastruktur lassen sich nicht so schnell aufholen.
Vor allem im Zusammenhang mit dem Megaprojekt Stuttgart 21 (S21) gab es immer wieder Kritik auch an Pofalla. Die Bahn eruiert derzeit den Umfang einer erneuten Kostensteigerung. Nach Informationen aus dem Umfeld der Bahn wird das Projekt wohl noch mal eine Milliarde Euro teurer werden und am Ende 9,2 Milliarden Euro kosten.
Auch bei der digitalen Schiene geht es nicht so voran wie erhofft. Die Digitalisierung soll dabei helfen, das bestehende Netz optimaler auszulasten, denn das ist chronisch überlastet. Zwar wird die dafür notwendige Technik in die Gleise, Weichen und Signale eingebaut, doch auch die Züge müssen ausgestattet werden. Daran hapert es derzeit.
Die neue Ampelregierung hat die marode Schieneninfrastruktur als das größte Problem des Staatskonzerns identifiziert und will das Unternehmen umstrukturieren. So will Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine gemeinwohlorientierte „DB Infrastruktur“ gründen. Bisher schüttet die DB Netz, die künftig der zentrale Teil der neuen Gesellschaft sein soll, das Geld, das sie über die Trassenentgelte verdient, an den Bund aus. Dieser gibt die Mittel zurück an die Bahn für Investitionen in die Infrastruktur.
Das komplizierte Konstrukt hat unter anderem steuerliche Gründe, doch Wettbewerber der Deutschen Bahn beklagen seit Langem die mangelnde Transparenz und sehen eine Quersubventionierung der übrigen Bahn-Gesellschaften. Wissing will das ändern. Die Einnahmen aus dem Netz sollen bei der gemeinwohlorientierten Gesellschaft bleiben und direkt investiert werden.
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Das hätte auch für Pofalla eine gravierende Veränderung seines Jobs bedeutet. Zudem habe der frühere CDU-Politiker auch an Rückhalt seitens der Politik verloren, ist aus Politikkreisen zu hören. Im Januar hatte das Bundesverkehrsministerium zu einem Krisentreffen mit Vertretern der Deutschen Bahn und den Wettbewerbern eingeladen. Dort sollen deutliche Worte gefallen sein, vor allem vonseiten der privaten Bahnbetreiber.
Im November und Dezember vergangenen Jahres hatte es auf dem deutschen Schienennetz so viele Baustellen gegeben, dass rund ein Drittel des Güterverkehrs nach Angaben der Eisenbahnunternehmen ausgefallen war – ohne dass der Netzbetreiber die Probleme erklärt hätte. Die Lage war so schlimm, dass selbst die andere Bahn-Tochter, DB Cargo, ihre Kunden vertrösten musste: „Wir arbeiten unter Hochdruck daran, die Planbarkeit Ihrer Züge zu verbessern“, hieß es in einer Kundeninformation.
Industrievertreter sollen sogar von Produktionsausfällen in der Stahl- und Papierindustrie berichtet haben, Autohersteller seien auf den Lkw umgestiegen, um die Produktion sicherzustellen.
Pofalla war von Beginn an umstritten. Der Wechsel vom Kanzleramt in den Bahn-Konzern galt als politisch motiviert. Zwischenzeitlich wurde er sogar als Bahn-Chef gehandelt.
Er verfügt über umfassende Russlandkontakte. So leitet er seit Mai 2015 den Petersburger Dialog der Bundesregierung. Noch vor zwei Wochen soll er in dem Land gewesen sein und dort diverse Gespräche geführt haben. Auch soll Pofalla für die Deutsche Bahn einige Geschäfte mit Russland eingefädelt haben, etwa die Lieferung von Glasfaserkabeln. Die werden nun wegen des Ukrainekriegs und der Sanktionen nicht kommen, was ein weiterer Rückschlag für die Digitalisierung bedeutet.
Einen Zusammenhang zwischen seinem Rücktritt und seinen Russlandkontakten soll es aber nicht geben. Pofalla habe sich nach seiner letzten Russlandreise vielmehr geschockt darüber gezeigt, was in dem Land derzeit geschehe, heißt es in seinem Umfeld.
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