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14.05.2022

16:44

Female Allstar Board

So gehen Topmanagerinnen Zukunftsthemen an

Von: Anne Hünninghaus

Handelsblatt und Bain haben einen rein weiblichen Vorstand gekürt. In ihrer ersten Sitzung diskutierten die Managerinnen, wie Unternehmen zukunftsfest werden.

Die Board-Mitglieder Claudia Nemat, Mareike Steingröver, Helene von Roeder und Ilka Horstmeier (von links( sprachen mit Handelsblatt Senior Editor Hans-Jürgen Jakobs über zentrale Zukunftsaufgaben für Vorstände. Tim Frankenheim für Handelsblatt

Female Allstar Board

Die Board-Mitglieder Claudia Nemat, Mareike Steingröver, Helene von Roeder und Ilka Horstmeier (von links( sprachen mit Handelsblatt Senior Editor Hans-Jürgen Jakobs über zentrale Zukunftsaufgaben für Vorstände.

Düsseldorf Einen „provokanten Kontrapunkt zum ewigen Thomas-Kreislauf“ bezeichnete Mareike Steingröver, Partnerin der Unternehmensberatung Bain and Company, die Vorstandssitzung, die am Donnerstagabend live aus Düsseldorf gestreamt wurde. Schließlich ist Thomas noch immer der häufigste Vorname in den Führungsriegen der börsennotierten deutschen Unternehmen.

Anders das Bild im 2021 geschaffenen „Female Allstar Board“ von Handelsblatt und Bain. Am runden Tisch versammelt hatten sich neben Steingröver auch BMW-Personalvorständin Ilka Horstmeier, Telekom-Technologiechefin Claudia Nemat und Helene von Roeder, Chief Transformation Officer beim Immobilienkonzern Vonovia.

Sie besprachen, moderiert von Handelsblatt-Senior-Editor Hans-Jürgen Jakobs, drei Topthemen, die aktuell jeden Vorstand in Deutschland bewegen: New Work, Nachhaltigkeit und Resilienz. Dass das die zentralen Zukunftsaufgaben für Vorstände sind, hatte das Handelsblatt Research Institute (HRI) und Stepstone vorab in einer repräsentativen Befragung ermittelt.

1. New Work: Führung zwischen Transformation und Empathie

Für Beschäftigte werde es immer wichtiger, dass ihr Job flexibel, interessant und sicher ist, berichtete Steingröver aus der Studie. Die Kernaufgabe für Unternehmen: die Zukunft der Arbeit so zu gestalten, dass alle Seiten davon profitieren.

Impulse lieferte dafür via Einspieler Belén Garijo, Chefin des Pharmakonzerns Merck und ebenfalls Teil des FAB. Eine menschenorientierte Arbeitswelt besteht ihr zufolge aus drei Bausteinen: Sinnhaftigkeit mittels eines klar definierten Purpose-Statements vermitteln, einen Fokus auf Innovationen und Kundenbedürfnisse richten und eine agile Kultur etablieren.

„Wandel ist die einzige Konstante. Wir müssen neugierig bleiben und als Pioniere vorangehen“, lautete der Appell der Vorstandschefin.

Auch Ilka Horstmeier meldete sich mit einer klaren Position zu Wort. Sie sei genervt davon, dass New Work heute oft auf die Zahl der Arbeitstage im Homeoffice reduziert wird. Flexibilität, betonte die BMW-Arbeitsdirektorin, bedeute sehr viel mehr als ein pauschales Aburteilen der Präsenzkultur.

Begegnung im Büro sei immer noch wichtig, gerade im Hinblick auf Identifikation und Kreativität. Sie sieht die Führungskräfte in einer Schlüsselrolle, Vernetzung zu ermöglichen: „Das Prinzip ‚One size fits all‘ funktioniert nicht“, sagte Horstmeier. Auf Basis eines festgelegten Rahmens und gewisser Spielregeln sollten Führungskräfte mit ihren Teams gemeinsam gestalten, welche Arbeitsweise zu ihnen und ihrer Funktion passt und wie sie zu den besten Ergebnissen kommen.

„Das Prinzip ‚One size fits all‘ funktioniert nicht.“ Tim Frankenheim für Handelsblatt

BMW-Arbeitsdirektorin Ilka Horstmeier

„Das Prinzip ‚One size fits all‘ funktioniert nicht.“

In Sachen Prozessoptimierung kann Vonovia-Vorständin Helene von Roeder der Krise derweil durchaus Positives abgewinnen. Sie riet dazu, den „digitalen Drive“ zu erhalten, den die Pandemie ausgelöst hat.

Einigkeit bei den drei Board-Mitgliedern herrschte darüber, dass Führung anspruchsvoller wird. Es gilt, „beidhändig“ zu führen, also zum einen langfristig Transformation zu gestalten und zum anderen auf die aktuellen Bedürfnisse einzugehen. Nach Purpose sehnen sich alle, hier müssten Unternehmen ein Angebot machen.

Dass auch räumliche Veränderungen sich auf die Zusammenarbeit auswirken, unterstrich Telekom-Managerin Claudia Nemat. Sie beschrieb an einem Beispiel aus dem eigenen Haus, wie sich durch das Zusammenlegen von Büros auch geistige Mauern zwischen Abteilungen einreißen lassen. Das Büro der Zukunft setzt daher auf kollaborative Flächen.

2. Nachhaltigkeit als Herzstück der Strategie

Ob Mitarbeiter, Kunden oder Investoren: Nachhaltigkeit ist auf der Agenda zuletzt immer weiter vorgerückt. Hinzu kommen vom Gesetzgeber immer schärfere Vorschriften zur Berichterstattung. Für Vonovia stellt das Thema eine enorme Herausforderung dar, wie Helene von Roeder zugab. Denn der Bausektor ist deutschlandweit für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Um bis 2045 klimaneutral zu werden, müsse man das große Ziel auf kleine Schritte herunterbrechen, betonte die Transformationschefin in ihrem Impulsvortrag. Zudem braucht es neue Technologien und Investitionen in Forschung. Über allem stehe aber: „Nachhaltigkeit muss Teil der Geschäftsrealität, des Businessmodells werden.“

Anstatt Klimaschutz und soziales Engagement als isolierte Themen zu behandeln, solle beides grundlegend in die Unternehmensstrategie eingewoben werden, sagte von Roeder. Man müsse weg von der Frage: „Worauf müssen wir im Sinne der Nachhaltigkeit verzichten?“ und stattdessen hin zum Denken: „Wie können wir Nachhaltigkeit nutzen, um eine Vorreiterrolle einzunehmen?“

Die Forderungen der drei Board-Mitglieder richteten sich aber auch nach außen: „Uns steht die politisch-administrative Infrastruktur häufig noch im Weg“, kritisierte von Roeder und nannte als Beispiel Hürden bei Baugenehmigungen. BMW-Managerin Horstmeier pflichtet energisch bei. Die Industrie sei nun einmal auf grüne Energie angewiesen, deren Ausbau ist ein zentrales Thema.

3. Resilienz erfordert Vielfalt – auf allen Ebenen

Der Klimawandel, zwei Jahre Pandemie und nun der Angriffskrieg gegen die Ukraine, der alles andere überschattet: Die hohe Krisendichte nimmt zunehmend Einfluss auf Unternehmen. Angesichts dieser Umstände ist es kaum verwunderlich, dass auch das Stärken von Resilienz, also innerer Widerstandskraft, und das sorgsame Abwägen von Risiken weit oben auf die To-do-Liste für Vorstände gehört.

Claudia Nemat lieferte hierzu wertvolle Einblicke. „Resilienz war schon immer ein Erfolgsfaktor“, sagte die Telekom-Vorständin. „Aber nun sind wir in einer Zeit angelangt, wo die Fähigkeit dazu erfolgsentscheidend wird.“ Sie nannte dabei drei Kernaspekte: Vorausschauende Investitionen sowohl in Technologien als auch in die Fähigkeiten und Arbeitsweisen der Beschäftigten: „Der allwissende Held ist tot“, konstatierte sie. Eine divers aufgestellte Mannschaft, die ohne starre Hierarchien auskommt, könne Krisen robuster begegnen.

Ein funktionierendes Ökosystem innerhalb des eigenen Unternehmens reicht aber nicht aus, was Nemat zum zweiten Punkt führte: Gewinnen könne man nur gemeinsam mit seinen Partnern und Lieferanten. Und drittens brauche es schlichtweg Haltung: „In Krisenzeiten wachsen Menschen über sich hinaus“, sagte Nemat. Bei der Telekom habe man das während der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 im Ahrtal beobachtet: Mitarbeiter aus ganz Deutschland, teils sogar aus dem Ausland, waren in die Eifel gereist, um beschädigte Antennen wieder aufzurichten.

„In Krisenzeiten wachsen Menschen über sich hinaus.“ Tim Frankenheim für Handelsblatt

Telekom-Technologiechefin Claudia Nemat

„In Krisenzeiten wachsen Menschen über sich hinaus.“

Einigen konnte sich die Runde darauf, dass es für mehr Resilienz vor allem auf gelebte Vielfalt ankommt, und zwar sowohl in der eigenen Belegschaft als auch in der Lieferkette. BMW-Arbeitsdirektorin Horstmeier verwies hier auf die Gefahren großer Abhängigkeiten, zum Beispiel bei der Halbleiterproduktion, die sich maßgeblich auf einzelne Regionen Asiens konzentriert.

Sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf europäischer Ebene sieht sie strategischen Steuerungsbedarf, um solche Anfälligkeiten zu vermeiden. Vielfalt schafft Resilienz – diese von allen dreien getragene Botschaft hat auch eine politische Komponente, die Claudia Nemat herausstellte: „Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Staaten ist es das erfolgreichere Modell, wenn sie Vielfalt zulassen.“

Auch das FAB selbst appelliert an den Wert der Vielfalt. Denn bislang sind Dax-Vorständinnen noch eine Seltenheit. Dass es dies zu ändern gilt, hat die Diskussion in der ersten Vorstandssitzung des Frauen-Boards einmal mehr bewiesen.

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