In Deutschland werden Fachkräfte mit allen Mitteln gesucht – nicht zuletzt auf Führungsebene. Das heizt den Konkurrenzkampf der Headhunter an. Heidrick & Struggles hat nun einen Coup gelandet.
Nicolas von Rosty
Der Deutschlandchef der weltweit zweitgrößten Personalberatung kann sich über den Zukauf von Atreus freuen.
Bild: Heidrick & Struggles
Düsseldorf Anfang Februar hat die weltweit zweitgrößte Personalberatung Heidrick & Struggles strategisch in Deutschland investiert. Die Übernahme von Atreus, dem deutschen Marktführer für sogenanntes Interim-Management, ist nicht nur die bisher größte Akquisition für den börsennotierten US-Konzern außerhalb des Heimatmarkts.
Heidrick & Struggles sortiert damit auch die Reihenfolge der größten Headhunter im deutschen Markt neu. Durch die Übernahme rückt das US-Unternehmen mit Blick auf die Bilanz im laufenden Jahr auf den zweiten Platz hinter Marktführer Egon Zehnder vor. „Mit Atreus verbreitern wir unser Angebot in Deutschland und Europa massiv“, erklärt Nicolas von Rosty, Partner und Deutschlandchef der Personalberatung, im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Neben den bisherigen Kerngeschäften, dem Suchen und Finden von Topmanagern und der Führungskräfteberatung („headhunting“), engagiere man sich nun auch im sogenannten On-Demand-Talent-Management. Dabei geht es darum, Toppositionen kurzfristig und temporär besetzen zu können. Das sei insbesondere in einer Zeit großer Veränderungen und Volatilität wichtiger denn je.
Atreus mit Sitz in München wird seit 20 Jahren von den Gründern Rainer Nagel (58) und Harald Linné (60) geführt. Die Gesellschaft verfügt über eine Datenbank, in der eigenen Angaben zufolge rund 15.000 erfahrene Manager gelistet sind, die in Unternehmen für Zeiträume von sechs bis zu 18 Monaten tätig werden. Atreus stellt diese Manager bei Bedarf in einer auf Arbeitnehmerüberlassung spezialisierten Tochtergesellschaft temporär an und verleiht sie an Firmen.
Aktuell laufen rund 200 Projekte bei Atreus, für die bei der Atreus Interim Management GmbH mehr als 45 Manager temporär angestellt sind. Dazu gehören etwa ein Interim-CEO eines auf Lebensmittelprodukte spezialisierten Mittelständlers mit 150 Millionen Euro Umsatz, ein Interim-CFO für einen Automobilzulieferer mit mehr als einer Milliarde Umsatz sowie ein Personalleiter für ein von Finanzinvestoren getriebenes Unternehmen.
Die Vermittlung von Managern durch Atreus war in den vergangenen Jahren zunehmend gefragt. Die Gesellschaft hat inzwischen 80 Mitarbeiter, darunter 27 Direktoren, die die Projekte jeweils verantworten. Im Jahr 2021 machte Atreus eigenen Angaben zufolge einen Umsatz von 52 Millionen Euro.
Im vergangenen Jahr konnte der Umsatz eigenen Angaben zufolge erneut um rund 30 Prozent gesteigert werden. Das Geschäft sei „hochprofitabel“, so Atreus-Co-Gründer und Geschäftsführer Harald Linné. Für die weitere, vor allem internationale Expansion erschien Heidrick & Struggles „der ideale Partner“.
Künftig sollen die derzeit 21 Berater von Heidrick & Struggles und die 27 Direktoren von Atreus gemeinsam aktiv werden. Sie sollen Unternehmen bei der Besetzung von Managementpositionen umfassend betreuen: Die Atreus-Direktoren sollen den Bedarf an Übergangslösungen decken, während die Heidrick-Berater parallel den langfristigen Kandidaten für die Führungsaufgabe suchen.
Die Neuaufstellung genügt nicht, um die Position Egon Zehnders als Marktführer anzugreifen. Die Gesellschaft mit Sitz in Zürich machte bereits 2021 rund 110 Millionen Euro Umsatz in Deutschland. Und 2022 dürften es noch einmal zwischen zehn und 20 Prozent mehr gewesen sein. Doch auf den Folgeplätzen wird es zunehmend eng.
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Um die Plätze zwei bis fünf kämpfen nun vier Wettbewerber: Mit dem konsolidierten Umsatz von Atreus hat Heidrick & Struggles mit rund 72 Millionen Euro im Jahr 2021 und derzeit 48 Beratern die besten Voraussetzungen, um die neue Nummer zwei zu werden. Es folgen Korn Ferry mit zuletzt 70 Millionen Euro Umsatz (2022) und 39 Beratern sowie Russell Reynolds mit 40 Beratern.
Wieder im Angriffsmodus ist zudem Kienbaum. Nach mehreren Jahren der Transformation wächst die deutsche Personal- und Managementberatung seit 2021 eigenen Angaben zufolge wieder und konnte nun auch neue Topleute von der Konkurrenz verpflichten. Und auch Spencer Stuart hält Anschluss. Der neue Deutschlandchef Lars Gollenia hat mit Anna Hocker nun eine neue Beraterin von McKinsey verpflichtet. Ein weiterer Neuzugang soll die Zahl der Spencer-Stuart-Berater zum 1. März. auf 24 steigen lassen.
Mit Atreus gewinnt Heidrick & Struggles nicht nur quantitativ an Einfluss, sondern positioniert sich auch strategisch in einem Wachstumssegment. Denn: Interim-Management ist inzwischen auch im Spitzenbereich der Führungsgremien sehr nachgefragt. Immer mehr Unternehmen brauchen kurzfristig Unterstützung.
So rechnet der Branchenverband DDIM für 2023 mit einem Plus von zehn Prozent auf ein Honorarvolumen von 2,75 Milliarden Euro. „Wir verzeichnen sowohl mehr Einsätze von Interimsmanagern als auch gestiegene Tagessätze“, sagt Verbandschefin Marei Strack. Treiber des Geschäfts sind neben Atreus als größere Vermittler noch EIM und Taskforce sowie Personaldienstleister wie Hays, Michael Page und Robert Half. Daneben gibt es einige Boutiquen sowie auch Interimsmanager, die sich selbst vermarkten.
Die gestiegene Nachfrage nach Interimsmanagern liegt zum einen an andauernden Transformationsprozessen und zunehmenden Restrukturierungsfällen in der deutschen Wirtschaft, bei denen erfahrene und unabhängige Manager gefragt sind.
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Zum anderen ist es strukturell begründet: Die Kündigungsfristen in Deutschland waren und sind im internationalen Vergleich lang, hinzu kommen zunehmend häufig ausgesprochene Wettbewerbsverbote bei Wechseln. Das führt dazu, dass es bis zu eineinhalb Jahre dauert, bis ein neuer Vorstand anfangen kann. Und diese Zeit gilt es zu überbrücken.
Wie relevant der Einsatz dieser Zwischenlösungen inzwischen ist, zeigt die jüngste Akquisition Roland Bergers. Die größte deutsche Managementberatung stärkte sich zum 1. Februar mit dem Team der auf Interim-Management spezialisierten Beratung Candidus, und stellte sich damit im Restrukturierungsgeschäft neu auf.
Laut Sascha Haghani, dem Geschäftsführer Deutschland, Österreich und Schweiz von Roland Berger, sollen „unsere Berater und Beraterinnen künftig in Sonder- und Krisensituationen verstärkt in die unternehmerische Verantwortung gehen“ und so etwa „Vorstandspositionen übernehmen“.
Mit Atreus hat sich Heidrick & Struggles den deutlich größeren Wettbewerber gesichert. Die notwendigen finanziellen Mittel dafür hat der Konzern. Die börsennotierte Gesellschaft mit Hauptsitz in Chicago ist zuletzt stark gewachsen: um 61 Prozent von 621 Millionen Dollar im Jahr 2020 auf 1,003 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2021. Die Ebitda-Marge lag bei 14 Prozent.
Wachstum und Profitabilität des Konzerns trieben dabei auch eine ebenfalls kleine, aber strategische Übernahme: die der auf Interim-Management spezialisierten Beratung BTG in den USA. Laut Geschäftsbericht trug die Gesellschaft 2021 bereits 67 Millionen Dollar zum Umsatzplus bei – dabei war die Übernahme erst im April 2021 abgeschlossen.
Mit Atreus und BTG hat Heidrick damit nun zwei Stützen im Interim-Management. Für Deutschlandchef von Rosty ist die Übernahme von Atreus „zudem ein klares Bekenntnis von Heidrick & Struggles für den deutschen Markt“. Deutschland sei nun nach den USA der zweitgrößte Standort des Konzerns.
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