Social-Media-Star, Model und Kardashian: Kylie Jenner könnte sich auf ihrem Ruhm ausruhen. Doch sie glänzt als Unternehmerin. Die Karriere des Jahres.
Bild: Elizabeth Lippman, NYT, Redux, laif [M]
Sie ist 21 Jahre alt, TV-Star, Model und Social Media Personality sowie Idol der Teenager auf der ganzen Welt. Kylie Jenners Karriere ist gekennzeichnet von Superlativen. Das „Time Magazine“ kürte sie 2014 und 2015 zusammen mit ihrer Schwester zu den einflussreichsten Teens weltweit.
2017 nahm „Forbes“ sie in seine Liste der „Top 100 Celebrities“ auf und machte sie damit zur jüngsten Person, die es jemals auf diese Liste geschafft hat. Dieses Jahr erklomm Kylie Jenner mit mehr als 100 Millionen Followern die Top-Ten-Liste der meistgefolgten Personen auf Instagram.
Nun könnte man sagen, dass dieser Ruhm, auch wenn er in noch so jungen Jahren erreicht wird, keine besondere Leistung darstellt. Schließlich ist Jenner der Spross der Kardashian-TV-Familie, die es immer verstanden hat, sich gut zu vermarkten, und die Social-Media-Kanäle sind, wenn sie richtig genutzt werden, ein Katalysator für Berühmtheit und Einfluss. Auch Teenager ohne derart Hollywood-geprägten Familienanschluss haben ihre „road to fame“ durch die sozialen Medien erfolgreich geschafft.
Jenner ist aber auch Unternehmerin. Sie belässt es nicht dabei, als Werbeikone aus ihrer Berühmtheit Kapital zu schlagen. 2015, im Alter von 18 Jahren, gründete sie ihre eigene Kosmetikfirma, die heute unter dem Namen Kylie Cosmetics bekannt ist und ihr zu 100 Prozent gehört.
Das „Forbes Magazine“ schätzt Jenners Vermögen auf mehr als 900 Millionen US-Dollar und prophezeit ihr, bald die jüngste Selfmade-Milliardärin zu sein. Ohne Zweifel kann man darüber streiten, ob das Attribut „self-made“ in Jenners Fall tatsächlich angemessen ist. Und die leidenschaftliche Auseinandersetzung darüber im Internet zeigt, wie groß die Skepsis ist.
Über die Autorin Eveline Metzen
Eveline Metzen ist seit Ende 2016 Geschäftsführerin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany). Zuvor war sie knapp sechs Jahre lang geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke. Metzen hat Regionalwissenschaften Nordamerika in Bonn studiert und unterrichtete in den USA am Ripon College in Wisconsin.
Bild: Atlantik-Brücke e.V.
In der Debatte geht es allerdings nicht um Neid, das wäre sehr unamerikanisch, sondern um die Frage, wie viel eigenes Zutun hinter dem unternehmerischen Erfolg des Teenagers wirklich steckt. Sicher, Jenners Firmengründung war ein logischer Schritt nach diversen Kooperationen mit verschiedenen Mode- und Kosmetik-Labels.
Die Gründung war eingebettet in den Erfolg ihrer Familie und dadurch abgesichert – und barg für Jenner letztlich kein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Dennoch, die damals 18-Jährige hätte den Schritt nicht gehen müssen, ihre Marke hätte sie auch weiter ohne eigene Firma stärken und ihren Reichtum so weiter mehren können.
Jenner entschied sich aber für die Unternehmensgründung. Es ist dieser Unternehmergeist und der damit verbundene Mut zur Wagnis, der ein Markenzeichen der USA ist. Unternehmertum gehört zum Selbstverständnis der Amerikaner, genauso wie die Offenheit für Innovation. Die Kombination von beidem ist der Nährboden für die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.
Unternehmertum, Risikobereitschaft und Innovationskraft sind auch die Hauptbestandteile des Phänomens Silicon Valley und das Erfolgsrezept der dortigen Start-up-Szene. Kylie Cosmetics ist alles andere als das klassische Start-up, aber Jenner hat bei all ihrem Tun immer auf Innovation gesetzt und neue Technologien für sich und ihren Erfolg genutzt – von den sozialen Medien bis zur eigenen App.
Amerikas Gründer haben verstanden: Innovation wird immer schneller und ist unausweichlich. Die Gewinner dieses Innovationsrennens – ob Unternehmen oder Länder – werden in der Zukunft wachsen und erfolgreich sein. Sie wissen: „You don’t want to be left behind here.“
Was banal klingt, zeigt in der Realität disruptive Wirkung. In den vergangenen 15 Jahren sind 52 Prozent der Top-500-US-Unternehmen verschwunden. Medien, Telekommunikation, Werbung, der Finanzsektor und der Handel sind besonders von der Disruption durch Digitalisierung und Innovation betroffen. Und die Entwicklung geht in einer steilen Kurve weiter.
Die fünf größten US-Unternehmen stehen als Sinnbild für diese Entwicklung: Microsoft, Apple, Google, Facebook und Amazon. Zusammen haben sie einen Marktwert von 3,9 Billionen US-Dollar. Allen fünf ist gemein, dass sie sich den technologischen Wandel nicht nur zunutze, sondern auch zu eigen gemacht haben.
Sie alle sind globale Unternehmen (außerhalb Chinas), wurden finanziert durch Wagniskapital aus dem Silicon Valley und sind im Durchschnitt jünger als 25 Jahre. Vor allem sind es die Gründer, die hervorstechen und für die amerikanische Gründerkultur symbolisch sind: Vier der fünf Unternehmen wurden von unter 25-jährigen Studenten ohne vorherige Berufserfahrung gegründet.
Der Weg von der Idee zum erfolgreichen Start-up ist im Silicon Valley gepflastert mit Misserfolgen und vor allem unzähligen Begegnungen und Veranstaltungen, bei denen sich potenzielle Gründer und Investoren treffen. Jeder redet mit jedem, gibt Tipps und verweist auf Kontakte. Schließlich könnte das Gegenüber einer der erfolgreichen Gründer sein. Diese Form der gegenseitigen Unterstützung ist genauso unerlässlich wie die finanzielle. Aus 10 000 Ideen beziehungsweise Gründungen werden nur 100 zur Erfolgsgeschichte. Für viele gilt gar die Faustformel: „Du musst zwei-, dreimal gescheitert sein, um erfolgreich zu werden.“
Dahinter steckt aber nicht nur die notwendige Finanzkraft der Kapitalgeber, sondern vor allem das entsprechende Menschenbild. Scheitern wird nicht stigmatisiert und ist kein Indiz für grundsätzliche Unfähigkeit. Das amerikanische Menschenbild ist ein positives, das von den Stärken und Fähigkeiten jedes Einzelnen ausgeht und nicht von den Schwächen und Mängeln.
Das Silicon-Valley-Ökosystem aus Start-ups, Wagniskapital, Innovation und Zutrauen hat in den vergangenen 50 Jahren eine Landschaft geschaffen, die in rasantem Tempo technologische Neuerungen wachsen lässt, die nicht nur unsere Gesellschaften treiben, sondern auch die Entwicklung unserer Unternehmen. Daraus ist ein unglaublicher Vorteil für die USA erwachsen. China hat diesen Weg zwar später beschritten, dafür mit umso mehr Zielstrebigkeit. Europa „needs to speed up“.
Kylie Jenners Ökosystem war in erster Linie ihre berühmte Familie und deren Bekanntheitsgrad. Aber darauf hätte sie sich ausruhen können. Sie hat die nachhaltige Verbindung von Innovation, Digitalisierung und Unternehmertum erkannt und für sich genutzt, auf ihre eigene Weise: per Social Media, App und klassischem Produkt.
Ist dies eine besondere Leistung oder Errungenschaft, ist sie tatsächlich die jüngste „Selfmade“-Milliardärin? Die Antwort spielt nicht wirklich eine Rolle. Denn sie lenkt ab von dem, wovon wir lernen können, was wir uns zu eigen machen können und sollten: das amerikanische Selbstverständnis, das unternehmerisches Handeln und Innovation befördert.
Lesen Sie in unserem 35-seitigen Dossier „Menschen des Jahres 2018“, wer in diesem Jahr Großes geleistet hat, wer überrascht oder enttäuscht hat.
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