Das Modehaus Louis Vuitton ist hip und traditionell zugleich – ein Verdienst des Vorstandschefs. Burke ist der internationale Manager des Jahres.
Michael Burke
Bild: French Select/Getty Images [M]
Jeder kennt sie, die Taschen mit LV-Signet. Weltweit sind sie begehrt. Sie sind etwas Besonderes. Mitunter stehen Menschen stundenlang Schlange vor Geschäften, um die neuesten Kreationen aus dem Hause Louis Vuitton kaufen oder auch nur anschauen zu dürfen. Louis Vuitton war schon immer der Inbegriff von Luxus. Eine Marke, die Zeiten überdauert – eine Seltenheit in der schnelllebigen Modebranche.
Dass es Louis Vuitton jedoch heute besser denn je gelingt, den Zeitgeist zu treffen und immer wieder für neue Generationen relevant zu sein, daran hat Michael Burke großen Anteil. So gesehen gehen die Schlangen vor den Geschäften auf sein Konto – auch wenn er sie überhaupt nicht mag. Aber dazu später mehr.
Burke führt Louis Vuitton seit mehr als sechs Jahren als CEO und Chairman. Schon als wir uns vor einigen Jahren zum ersten Mal in Paris begegneten, faszinierte mich die Leidenschaft, mit der er sich der Welt der Luxusmarken widmet. Burke ist Kosmopolit, spricht fließend Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch. Es gibt in der Branche kaum einen Manager, der mehr als er in der Welt zu Hause ist.
Louis Vuitton steht längst nicht mehr nur für Taschen und Koffer, sondern für erlesene Handwerkskunst auf allerhöchstem Niveau. Von Haute Couture über Uhren bis zu Schreibgeräten und natürlich Parfums, Louis Vuitton ist hip und traditionell zugleich. Burke hat es geschafft, die Marke Louis Vuitton noch stärker zu positionieren und aufzuladen. Es ist mir deshalb eine große Ehre, ihn als Internationalen Manager des Jahres zu würdigen.
Seine Karriere ist wirklich außergewöhnlich in Zeiten, in denen die Halbwertszeit von CEOs kaum mehr als eine Handvoll Jahre beträgt. Seit fast 40 Jahren ist er LVMH-Chef Bernard Arnault eng verbunden. Dabei fing alles nicht mit Luxus und Mode an, sondern mit Immobilien als Praktikant in einem kleinen Immobilienunternehmen, das Arnaults Vater gehörte. Damals hätte er diese Chance seines Lebens fast verspielt – im wortwörtlichen Sinne.
Über die Autorin Tina Müller
Tina Müller ist Geschäftsführerin der Einzelhandelskette Parfümerie Douglas. Die studierte Betriebs- und Volkswirtin begann ihre Karriere als Trainee bei L‘Oréal Deutschland, ging dann zu Wella, anschließend zu Henkel. Bundesweit bekannt wurde sie durch ihren Abstecher in die Autoindustrie: Bei Opel verantwortete sie als Marketingchefin die Kampagne „Umparken im Kopf“. 2017 ging es wieder zurück in die Kosmetikbranche.
Bild: Julius Brauckmann; Opel AG
Als passionierter Rugby-Spieler wollte er unbedingt jedes Wochenende vom Trainer für die Spiele aufgestellt werden. Die Regeln waren klar: Auf dem Platz steht nur, wer zum Training kommt. Keine Diskussion. Arnault wollte ihn ausgerechnet während der Trainingszeit zum Gespräch treffen.
Spiel oder Vorstellungsgespräch? Spiel oder Vorstellungsgespräch …? Rückblickend muss er schmunzeln, die potenzielle Karriere gegen ein einziges Rugbyspiel abgewogen zu haben. Er hat die richtige Entscheidung getroffen und saß dafür beim nächsten Spiel auf der Reservebank.
Bei Arnault hatte er jedoch schnell seinen Stammplatz sicher. Fünf Jahre blieb er in der Immobilienbranche, ehe er 1984 zu LVMH in die Luxusgüterindustrie wechselte. Er war schnell im Unternehmen als derjenige bekannt, der anpackt, wenn es Probleme gibt – etwa wenn eine Marke etwas Glanz eingebüßt hatte. Er sei der Experte für die „Fallen Stars“, sagt er selbst über sich.
Er war Chef von Dior in den USA, übernahm danach das US-Geschäft von Louis Vuitton, wurde 1997 Chef von Christian Dior Couture und 2003 CEO von Fendi in Rom. 2012 übernahm er die Geschäfte von Bulgari und kurz danach den CEO-Job bei Louis Vuitton. „Mister Fix-it“ nennen ihn voller Anerkennung seine Kollegen. Marken ihre Strahlkraft zurückzugeben ist für ihn sehr viel reizvoller, als auf einem weißen Blatt Papier ganz von vorn anzufangen.
Bei allen Erfolgen, die Burke in seiner Karriere errungen hat, ist er ein ausgesprochen nahbarer und zugänglicher Mensch geblieben. Er ist offen, neugierig und feinfühlig. Ein geschätzter Teamplayer und Sparringspartner. Sein größter Erfolg ist immer der bevorstehende. Ist ein Problem gelöst, freut er sich aufs nächste. Eine Traditionsmarke wie Louis Vuitton populär zu halten, Kunden in aller Welt immer wieder aufs Neue zu faszinieren, das erfordert Mut, Geschick und natürlich Kreativität.
Der Zeitgeist von heute ist die Tradition von morgen. Nur wer das Hier und Heute authentisch prägt, schafft Werte für die Ewigkeit. Michael Burke ist als CEO kein Manager, sondern empfindet sich selbst als Künstler.
Ein Künstler, der es versteht, traditionsreiche Marken mit den besten kreativen Köpfen von heute zu vereinen. Seine jüngsten Entscheidungen, die Kreativdirektoren Nicolas Ghesquière und Virgil Abloh für Louis Vuitton zu engagieren, waren in der Branche sehr umstritten. Es waren genau jene Entscheidungen, die mutigen, mit denen Burke so oft richtiglag.
Man müsse bereit sein, große Fehler zu machen – und dann hart daran arbeiten, diese Fehler eben nicht zu begehen. Burkes Mission, Dinge zu verändern, sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen, ist oft ein Wagnis. „Bleib auf Kurs, aber wirf die Hälfte über Bord“, ist sein Leitmotiv.
Nur von welcher Hälfte soll man sich trennen? In seiner Karriere ging es immer um die Frage, was die Magie der Marke ausmacht. Die Vergangenheit könne man nicht zurückholen, aber mit Fingerspitzengefühl und Erfahrung auf der Erfolgsspur bleiben.
Louis Vuitton ist auf dieser Erfolgsspur. Mal lässt Burke die Designer mit Jeff Koons, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler, zusammenarbeiten, mal mit der aufstrebenden Marke Supreme. Und die nächste Idee kommt bestimmt. Eines aber käme ihm nie in den Sinn: Louis-Vuitton-Artikel im Sonderangebot. „Wird jemals ein Protestant Papst?“ Wenn es um das Schaffen von Werten geht, denkt Burke in Dekaden, nicht in Quartalen.
Bernard Arnault weiß diese Verlässlichkeit zu schätzen, andernfalls würde es beide nicht seit Jahrzehnten zusammenschweißen. Burke gilt als einer der wenigen, die dem LVMH-Chef offen widersprechen. Seine Beziehung zu Arnault, scherzt Burke gerne, habe Parallelen mit der zu seiner Frau. Seit 40 Jahren sei er nun verheiratet – nur ein Jahr weniger arbeite er mit Arnault.
Nach so vielen Jahren, in denen er die schönen Dinge des Lebens vor allem für andere kreiert hat, ist für Burke nun der Zeitpunkt gekommen, sich selbst einen Luxus zu gönnen: ein Traumhaus in Florida. Wie ein kleiner Junge freut er sich darauf, Weihnachten dort mit seiner Frau und den fünf Söhnen zu verbringen.
Denn den Rest des Jahres ist er viel auf Reisen – häufig mit Arnault. Wichtige strategische Entscheidungen besprechen beide gemeinsam unterwegs. So muss vor einigen Jahren auch die Idee entstanden sein, mit Fendi eine Modenschau auf der Chinesischen Mauer zu inszenieren.
Und Burke plant schon den nächsten Coup: ein Louis-Vuitton-Schaulaufen in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea. Für Burke hat Mode eine starke politische Dimension. Sie hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen, sie zu versöhnen – gerade mit seiner Biografie hat das auch für ihn eine starke persönliche Bedeutung.
Mit fünf Jahren kam er als Sohn eines US-Soldaten nach Deutschland. Er hat in Frankfurt Abitur gemacht, während vor der Haustür der Kalte Krieg tobte und nebenan Atombomben stationiert wurden. Seither ist der Wunsch nach Frieden und Versöhnung sein ständiger Begleiter. Die Deutsche Einheit war für ihn einer der emotionalsten Momente seines Lebens. Es wäre ein Geschenk, wenn 30 Jahre später in Korea die nächste Mauer fiele.
Seine Kindheit im Schatten der DDR ist übrigens der Grund, warum Burke Schlangen nicht mag. Sie erinnern ihn an eine Zeit, in der Anstehen und Warten für viele Menschen zum Alltag gehörten. In der selbst die einfachsten Bedürfnisse zu befriedigen Luxus war.
Doch ich bin mir sicher: Die Magie, die Michael Burke der Marke Louis Vuitton eingehaucht hat, wird auch in Zukunft viele Menschen anziehen und verzaubern. Und weiter zu Schlangen vor Geschäften führen – auch wenn er sie nicht mag.
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