Die 36-jährige Dänin hat in Deutschland eine Programmierschule für Flüchtlinge gegründet. Das hilft allen – und macht sie zur Mutmacherin des Jahres.
Bild: Julius Brauckmann; Andreas Pein/laif [M]
Schaut man auf Anne Kjaer Riecherts Lebenslauf, wird schnell deutlich, dass die gebürtige Dänin schon früh ein ausgeprägtes Bewusstsein und eine Leidenschaft für die Menschen um sie herum entwickelt hat. Bereits in ihrer Schulzeit führte sie den ersten Freiwilligentag an ihrer Schule ein.
Im Jahr 2006 schloss sie den „Kaospilot“ ab – ein Universitätsstudium (Innovation Studies) in Dänemark, das sich mit der Agilität der modernen Welt beschäftigt und die notwendigen Werkzeuge vermittelt, um Prozesse, Geschäfte und Führung immer wieder an die sich permanent verändernden Umstände anzupassen. Im selben Jahr gründete sie ihr erstes humanitäres Projekt: „Kids Have A Dream“, für das sie auch heute noch aktiv ist. Das Projekt hat mehr als 4.000 Jugendliche in 34 Ländern erreicht und stärkt den Mut junger Menschen in ihre eigene Zukunft.
Im Anschluss an ihr Studium hat Anne neben ihrem eigenen „Kids Have A Dream“-Projekt drei Jahre lang Corporate-Social-Responsibility-Projekte für verschiedene Unternehmen betreut, unter anderem für Samsung Electronics in Skandinavien. 2010 widmete sie sich zwei Jahre lang der „Peace Innovation“-Forschung in Japan und erhielt dafür das preisgekrönte Rotary Peace Stipendium.
Für die Gründung des Berlin Peace Innovation Labs zog sie 2012 nach Berlin. Dieser Meilenstein war nur ein weiterer Punkt auf ihrer langen Erfolgsliste: Eng mit der Stanford University verbunden, zählt das Lab schon heute mehr als 1.700 Mitglieder in Deutschland.
Als Anne im August 2015 auf einen jungen Programmierer in einem Flüchtlingsheim traf, der gerne programmieren wollte, aber nicht die notwendige Hardware besaß, war die Idee zur ReDI School of Digital Integration geboren.
Über den Autoren Gisbert Rühl
Er ist seit 2009 Vorstandschef des Stahlhändlers Klöckner & Co aus Duisburg. Er betrachtet das Engagement für Flüchtlinge als Pflichtaufgabe für sein Unternehmen. Klöckner & Co gehört zu den Vorreitern der Digitalisierung in der Stahlindustrie. Mit der Unterstützung der ReDI School fördert Rühl die Integration von Flüchtlingen und sichert sich gleichzeitig frühestmöglichen Zugang zu Tech-Talenten.
Schließlich gründeten sie und Ferdi van Heerden im Februar 2016 ein Ausbildungsprogramm, das Flüchtlingen Programmier- und Technologiekompetenz vermittelt. Anne geht es vor allem darum, Menschen eine Perspektive zu geben und ihr Talent schon frühestmöglich zu fördern. Integration funktioniert nur durch Inklusion, so ihr Gedanke. Eine feste Arbeitsstelle ist dafür eine Grundvoraussetzung, da wir den Großteil unserer Zeit bei der Arbeit verbringen.
Als ich Anne im Axel Springer Plug & Play Accelerator zum ersten Mal erlebt habe, war für mich schon nach den ersten drei Minuten des Gesprächs klar: Ihr Herzensprojekt ReDI School muss unterstützt werden. Ich habe ihr noch in unserem Gespräch die Zusage gegeben, dass Klöckner & Co hier mithelfen wird. Heute stellen wir als Hauptsponsor der ReDI School in unserem Berliner kloeckner.i-Büro rund 450 Quadratmeter Arbeitsfläche und entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung.
Für unsere schnelle Zusage gibt es mehrere Gründe. Zum einen trifft man so engagierte, motivierte und überzeugte Menschen wie Anne nur äußerst selten. Sie hat das Rüstzeug und das Durchhaltevermögen, um auch in jeder anderen Branche eine steile Karriere hinzulegen.
Sie hat sich allerdings gegen einen traditionellen Karriereweg entschieden und setzt sich stattdessen dafür ein, die Herausforderungen in diesem Land anzugehen und die Zukunft zu gestalten. Das beeindruckt mich. Sie gibt Flüchtlingen eine Perspektive und die Möglichkeit, in unserem Land ein Zuhause und eine Zukunft zu finden.
Zum anderen geht sie eines der größten Probleme in diesem Land an: IT-Fachkräfte auszubilden und so eine klaffende Lücke zu füllen. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie fehlen in Deutschland 55.000 Fachkräfte im IT-Bereich – das merken auch wir bei Klöckner. Anne, die Helfer und die Unterstützer der ReDI School tragen ihren Teil dazu bei, diese Lücke mit jungen, motivierten und technologieaffinen Menschen zu schließen. Darauf sind Unternehmen wie Klöckner & Co angewiesen.
Anne Kjær Riechert gründete eine Programmierschule für Flüchtlinge und bietet ihnen eine neue Perspektive. Ein Gespräch über Chancen, Scheitern und Pippi Langstrumpf.
Wir befinden uns mitten in der Digitalisierung des Stahlhandels und haben bereits zwei der ersten Absolventen der ReDI School in unserer Digitaleinheit kloeckner.i eingestellt. Insgesamt arbeiten bei kloeckner.i Menschen aus mehr als 15 verschiedenen Ländern. Die unterschiedlichen Perspektiven, die die Mitarbeiter mitbringen, sind bei der Problemlösung im IT-Bereich eine große Bereicherung.
Seit ihrer Gründung vor nicht einmal drei Jahren zählt die ReDI School bereits etwa 900 Alumni. Die letzte durchgeführte Umfrage aus dem September 2018 ergab, dass fast 62 Prozent der befragten Studenten in bezahlte Praktika oder Jobs vermittelt wurden. Darüber hinaus studierten etwa 17 Prozent an einer Universität und sechs Prozent gründeten eine Firma. Im Herbst 2018 waren in den insgesamt 28 Kursen in Berlin und München etwa 500 Teilnehmer angemeldet, diese werden von 250 Freiwilligen unterrichtet und betreut.
Projekte für die ReDi School sind wichtig für die Integration. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr: Die ReDi School legte von Beginn an viel Wert darauf, mit der bestehenden lokalen Tech-Community in Berlin und München (Facebook, Cisco, Salesforce, Google, Microsoft, Bosch und SAP) zusammenzuarbeiten und das Programm gemeinsam mit den Schülern weiterzuentwickeln und anwendungsbezogen auszurichten.
Die Besonderheit des Projekts wird deutlich, wenn man einen Blick auf die Besucherliste wirft. Neben Persönlichkeiten aus der Politik, wie Angela Merkel oder Ahmed Hussen, dem kanadischen Minister of Immigration, Refugees and Citizenship, haben auch bekannte Namen der Tech-Szene wie Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg von Facebook der Schule einen Besuch abgestattet.
Mit ihrem unbändigen Willen zur Veränderung widmet sich Anne nicht nur dem Thema Flüchtlinge, sondern befasst sich auch mit anderen Herausforderungen in der Gesellschaft. So geht sie mit „Grace – Accelerate Female Entrepreneurship“ das Ungleichgewicht der Geschlechter unter den Unternehmensgründern an: Sie unterstützt gründungswillige Frauen dabei, Mut zu fassen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Es sind Menschen wie Anne, die unserer Gesellschaft als Vorbild dienen und die Welt ein kleines bisschen besser machen. Die Menschen nicht als ein Problem sehen, sondern Perspektiven aufzeigen und Lösung schaffen. Anne macht uns Mut mit Blick auf andere gesellschaftliche Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden.
Die ReDI School ist ein Paradebeispiel dafür, wie Integration in Deutschland gestaltet werden kann. Deshalb haben sie und ihr Team die Auszeichnung „Mutmacher des Jahres“ mehr als verdient.
Ich bin stolz darauf, Anne kennen zu dürfen und als Vorstandschef von Klöckner & Co ihr Projekt zu unterstützen. Wir bei Klöckner & Co freuen uns auf eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit und wünschen Anne und dem Team um ReDI auch in Zukunft viel Erfolg.
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