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11.09.2022

09:32

Strategieberatung

Roland-Berger-Chef Stefan Schaible: „Wir wollen global mitspielen“

Von: Tanja Kewes

Die größte deutsche Strategieberatung hat sich selbst restrukturiert. Nun soll mit Investoren der Anschluss an die Weltspitze mit McKinsey, Boston Consulting und Bain gelingen.

Der Global Managing Partner wähnt die deutsche Beratungsgesellschaft auf dem Weg Richtung Weltspitze. Dazu braucht es: Geld. imago images/Metodi Popow

Stefan Schaible

Der Global Managing Partner wähnt die deutsche Beratungsgesellschaft auf dem Weg Richtung Weltspitze. Dazu braucht es: Geld.

Frankfurt Stefan Schaible hat in den vergangenen Jahren getan, was von einem Chef der Strategieberatung Roland Berger erwartet wird: Er hat restrukturiert und transformiert. Nur hat er es nicht für seine Kunden gemacht, sondern auch für seine eigene Gesellschaft.

Der 54-Jährige hat die Beratung wieder auf Wachstumskurs gebracht. 2021 war mit einem Plus von 27 Prozent auf 745 Millionen Euro und einem operativen Ergebnis von 117 Millionen Euro (Ebitda) das beste Geschäftsjahr seit Firmengründung.

Das soll aber erst der Anfang gewesen sein. 2022 wächst das Geschäft der 1967 in München gegründeten Beratung eigenen Angaben zufolge um rund 15 Prozent. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatz von mehr als 850 Millionen Euro erwartet.

Das reicht Schaible und den anderen rund 300 Partnern der Beratungsgesellschaft nicht: „Wir wollen global noch mehr mitspielen. Dafür brauchen wir einen Jahresumsatz von ein bis zwei Milliarden Euro.“ Je zügiger man zulege, desto besser, erklärt Schaible im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Um die Expansion zu finanzieren, ist die Beratung auf der Suche nach Investoren: „Wir haben vor, bis zu 400 Millionen Euro Kapital in die Hand zu nehmen“, sagt der Chef und weiter: „Wir planen uns in verschiedenen Branchen wie Konsumgüter oder Pharma noch breiter aufzustellen.“ Auch Investitionen in die Wachstumsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind geplant.

Neben organischem Wachstum sollen weitere Übernahmen die Expansion vorantreiben. „Wir prüfen gerade vier Übernahmekandidaten genauer“, berichtet Schaible. Zuletzt verstärkten sich die „Bergers“ mit dem 30-köpfigen Team von Polarixpartner, einer auf Kostenoptimierung spezialisierten Beratung.

Finanziert werden soll die Expansion durch Kredite oder Bonds. Zudem „schauen wir uns auch ein öffentliches oder ein privates Placement als Option an“, so Schaible. Das Engagement eines Finanzinvestors schließt der Roland-Berger-Chef zwar nicht aus, sieht es aber kritisch: „Wir haben die Beratung nicht dahin gebracht, wo sie jetzt steht, um sie dann zu verkaufen. Unsere Unabhängigkeit ist Teil unserer Strategie und unseres Erfolges.“

McKinsey und Bain sind deutlich globaler

Schaible, der die Beratung seit acht Jahren führt, orientiert sich mit seinen Wachstumsplänen an den drei international führenden Strategieberatungen. Die Nummern eins und zwei, McKinsey & Company sowie die Boston Consulting Group machten 2021 jeweils rund elf Milliarden Dollar Umsatz und die Nummer drei Bain & Company knapp sechs Milliarden Euro. Von diesen Umsätzen ist Roland Berger weit entfernt, deutlich zweistellige Wachstumsraten weisen aber auch die Deutschen auf.

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Dass Schaible und seine Berater hier Anschluss suchen, ist entsprechend ambitioniert, Branchenexperten zufolge aber notwendig. Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung und Geschäftsführer der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB), sieht Partner und Berater von Roland Berger in einer misslichen Situation: „Von ihrem Können und ihrem eigenen Anspruch her gehören sie fraglos in die erste Liga der globalen Managementberater. Leider ist bei ihnen in den letzten Jahren nicht alles immer ganz rundgelaufen. Dadurch haben sie – auch aus eigenem Verschulden – den Anschluss an die globale Spitze verloren.“

Gründer Roland Berger (84), heute selbst kein Anteilseigner mehr, war viele Jahre internationaler Topberater. Sein Team eine Elitetruppe, die Gesellschaft ein steter Quell für Querelen. Von 1997 bis 1998 gehörte sie mehrheitlich der Deutschen Bank.

Durch einen Management-Buy-out übernahmen 1998 Partner die Verantwortung. Eine Fusion mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte platzte 2010. Es folgten eine Kapitalerhöhung und schwierige Jahre im operativen Geschäft.

Im Wettbewerb mit dem US-Konkurrenten wollte Berger mit dem Label „Beratung mit europäischen Wurzeln“ punkten. Das gelang zunächst weniger gut, denn viele Partner, die nicht an die eigenständige Zukunft glaubten, verließen das Unternehmen und nahmen wichtige Kunden mit. Zusammen mit der Neuausrichtung kostete dies viel Umsatz.

Inzwischen ist diese Phase vorbei. Fink sagt: „Jetzt geht es bei Roland Berger wie die Zahlen zeigen wieder deutlich bergauf. Und da stellt sich unweigerlich die Frage, wie man mit dem neuen Rückenwind umgehen will.“

Nach der Sanierung soll die Expansion folgen

Wenn Roland Berger den Wachstumskurs wolle, dann müsse jetzt massiv investiert werden. Denn: „Um international eine Rolle zu spielen, braucht eine Managementberatung 1,5 bis zwei Milliarden Euro Umsatz. Mit weniger Geschäftsvolumen fehlt die finanzielle und personelle Stärke.“

Die Grundlage für eine internationale Expansion hat Schaible gelegt. Er hat die Beratung in den vergangenen acht Jahren mit umstrukturiert. Dabei wurden auch Standorte aufgegeben oder verlegt. Das Eigenkapital ist eigenen, noch nicht offiziell veröffentlichten Angaben zufolge von 48 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 168 Millionen Euro 2021 angestiegen. Wichtig: Das Eigenkapital wird vollständig den aktiven Partnern zugerechnet, kein Teil entfällt mehr auf Mezzanine-Kapital.

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Letzteres wurde einst von der Roland-Berger-Stiftung des Firmengründers eingebracht. Bis 2017 machte das Mezzanine-Kapital noch den Großteil aus. Es handelt sich dabei um eine Kapital-Mischform, bei der Geldgebern meist keine weiteren Stimmrechte eingeräumt werden. Die Nettofinanzverbindlichkeiten, die 2020 noch bei 52 Millionen Euro lagen, sind inzwischen komplett abgebaut.

Als eine der wenigen Beratungsgesellschaften publiziert Roland Berger exakte Geschäftszahlen, die im Bundesanzeiger einsehbar sind. Demnach hat die Beratungsgesellschaft ihr operatives Ergebnis seit Jahren kontinuierlich gesteigert. Die Beratung weist damit nun eine Ebitda-Marge von knapp 16 Prozent aus.

Auch die Idee eines Börsengangs hält sich rund um das Unternehmen. Traditionell pflegen Berater wie die Vertreter anderer freier Berufe ihre unternehmerische Unabhängigkeit und die damit verbundene Kontrolle. So sind auch die drei international führenden Strategieberatungen reine Partnerschaften.

Einer der wenigen börsennotierten Anbieter im Consultingmarkt ist die französische IT- und Technologieberatung Capgemini. Diese ist 2021 um rund 15 Prozent auf einen Jahresumsatz von 18,2 Milliarden Euro gewachsen. Das Ebitda betrug 3,01 Milliarden Euro. An der Börse wird die französische Konkurrenz aktuell mit rund 30 Milliarden Euro bewertet, was einem Umsatzvielfachen von 1,6 entspricht.

Demnach wäre Roland Berger bei einem geplanten Jahresumsatz von 850 Millionen Euro im Jahr 2022 auf rund 1,4 Milliarden Euro zu taxieren. Oder am Ebitda-Vielfachen von Capgemini ermittelt: 1,2 Milliarden Euro wert.

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