Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

01.03.2023

17:31

Umstrittenes Instrument

Rekord-Aktienrückkäufe heizen Debatte in den USA an

Von: Katharina Kort

Kritiker sehen in dem Instrument eine Gefahr für Innovationen und Arbeitsplätze. Präsident Biden will Aktienrückkäufe eindämmen – Starinvestor Warren Buffett verteidigt sie.

Die Investorenlegende ist vom Skeptiker zum Fan von Rückkäufen geworden. AP

Warren Buffett

Die Investorenlegende ist vom Skeptiker zum Fan von Rückkäufen geworden.

New York Für die einen sind sie Balsam fürs Depot, für die anderen Teufelszeug, das Innovation und Arbeitsplätze vernichtet. Die Rede ist von Aktienrückkäufen. In den USA heizen neue Rekorde die Debatte über das umstrittene Instrument neu an. US-Präsident Joe Biden mischt dabei ebenso mit wie Starinvestor Warren Buffett. Ein Überblick.

Was sind Aktienrückkäufe, und warum sind sie so beliebt?

Bei Aktienrückkäufen („Buybacks“) handelt es sich um eine weit verbreitete Praxis. Damit wollen Unternehmen künstlich die Anzahl der Aktien verknappen. Für die verbleibenden Aktionäre bedeutet das, dass ihr prozentualer Anteil am Unternehmen steigt und damit auch ihre Beteiligung an der ausgeschütteten Dividende. Beides treibt in der Regel den Aktienkurs in die Höhe.

In diesem Jahr könnte die Summe der sogenannten Buybacks bei den S&P-500-Unternehmen zum ersten Mal eine Billion Dollar überschreiten. 2021 waren es 850 Milliarden Dollar, 2022 mehr als 900 Milliarden Dollar.

Was sagen die Kritiker von Aktienrückkäufen?

Die Gegner von Aktienrückkäufen argumentieren, dass diese nur der kurzfristigen Kurspflege dienen. Unternehmen sollten ihre Gewinne lieber in die Forschung und Entwicklung stecken, um langfristig ihre Zukunft und damit auch Arbeitsplätze zu sichern.

„Buybacks bleiben in der US-Wirtschaft ein wichtiger Grund für Arbeitsplatzunsicherheit, Einkommensungleichheit und Anfälligkeit in der Produktion“, kritisiert William Lazonick, der bekannteste Forscher zum Thema, im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Der emeritierte Professor der University of Massachusetts kritisiert, dass sich die Unternehmen seit Jahrzehnten auf die Finanzmärkte konzentrieren anstatt auf ihr Kerngeschäft und Innovationen. „Und es wird immer schlimmer“, ist er überzeugt.

Was zeigt das Beispiel der Chipindustrie?

Als Beispiel nennt der Ökonom Lazonick die Halbleiterindustrie, die jetzt massiv von der US-Regierung unterstützt werden muss: Hätte etwa Intel in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht den Großteil seiner Gewinne in Dividenden und Aktienrückkäufe gesteckt, dann wäre der Konzern heute anstelle von TSMC und Samsung Marktführer, argumentiert Lazonick.

Lazonick rechnet vor, dass Intel in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Großteil seiner Gewinne in Dividenden und Rückkäufe investiert hat, während es bei Samsung und TSMC ein deutlich kleinerer Anteil war. Intel habe zwischen 2003 und 2022 91 Prozent der Erträge an die Aktionäre ausgeschüttet, bei den Konkurrenten seien es nur je 29 und 48 Prozent gewesen. Diese hätten die Gewinne im Unternehmen behalten und stärker in Forschung und Entwicklung investiert – und stünden so heute besser da.

Grafik

Auch den iPhone-Hersteller Apple kritisiert der Ökonom: „Hätte Apple auch nur einen Bruchteil der 573 Milliarden Dollar, die es für Aktienrückkäufe herausgepustet hat, in Produktion auf dem Stand der Technik investiert, dann hätte TSMC heute nicht die Macht, die es hat, und die USA würden nicht bei der fortgeschrittensten Chipproduktion von ihm abhängen.“

Wie geht Joe Biden mit Aktienrückkäufen um?

Die US-Regierung hat sich die Studien von Lazonick zu Herzen genommen. Im vergangenen Jahr hat sie die Besteuerung von Rückkäufen mit einem Prozent durchgesetzt. Präsident Joe Biden forderte in seiner Rede an die Nation kürzlich sogar, diese auf vier Prozent zu erhöhen. Dies dürfte jedoch im Kongress kaum durchzusetzen sein.

Grafik

Außerdem hat Biden in dieser Woche die Staatshilfen im Rahmen des sogenannten „Chips Act“ daran geknüpft, dass die Unternehmen auf Rückkäufe verzichten.
>> Lesen Sie mehr zu: Biden knüpft Hilfen für Chipindustrie an Bedingungen

Was sagt Starinvestor Warren Buffett dazu?

Der Chef der Investmentholding Berkshire Hathaway war selbst lange ein Gegner von Aktienrückkäufen. Erst 2011 hat er ein eigenes, begrenztes Programm aufgelegt, weil die Holding so viel Geld erwirtschaftete, für das er keine lohnenden Investments fand.

Doch mittlerweile ist Buffett komplett im Lager der Rückkauf-Fans angelangt. Das zeigt sein jüngster Brief an die Aktionäre, in denen er mit den Kritikern von Rückkäufen abrechnet. Darin schreibt der 92-Jährige „Wenn Ihnen gesagt wird, dass alle Rückkäufe schlecht für Aktionäre oder das Land sind oder besonders vorteilhaft für CEOs, dann hören Sie entweder einem wirtschaftlichen Analphabeten zu oder einem redegewandten Demagogen zu (Charaktere, die sich nicht gegenseitig ausschließen).“

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×