Der Italiener muss sich mit seiner Kaffeemarke gegen harte Konkurrenz behaupten. Dazu überlässt er externen Managern das Tagesgeschäft.
Andrea Illy
Das heutige Gesicht des Familienunternehmens illycaffè wechselt von der Chefposition in eine Aufseherrolle.
Bild: Bloomberg
Berlin Eine Aromawolke wabert durch die Hotelbar, deutlich wahrnehmbar. Eine Steilvorlage für Andrea Illy. „Der Barista hat eben eine unserer Kaffeedosen geöffnet“, mutmaßt er. Und tatsächlich: Hinter dem Tresen steht eine offene Dose, weil die Kaffeemühle Nachschub braucht.
Für Illy ist das eine gute Gelegenheit, um über die Besonderheiten seines Kaffees zu berichten, die druckfeste Dose für die Gastronomie, in der die Kaffeebohne unter dem Druck von Stickstoff keine Chance haben soll, ihr Aroma zu verlieren. Inzwischen gehört es zu Illys Hauptaufgaben, solche Geschichten weiterzugeben, die „Philosophie hinter dem Kaffee“, wie der 53-Jährige sagt.
Das Familienunternehmen Illycaffè gehört zwar zu den bekanntesten Kaffeemarken, doch die Italiener sind im Weltmaßstab klein, während in der Branche milliardenschwere Weltkonzerne entstehen. Familienoberhaupt Andrea Illy hat für die Zukunftssicherung des Unternehmens sogar auf den operativen Chefposten verzichtet und lässt seit fast zwei Jahren Manager die Strategie nachschärfen. Als Chefaufseher wacht er darüber, dass Illy durch eine konsequente Premiumpositionierung weltweit einen Platz behält – und potenziell jederzeit an die Börse könnte. Auch wenn das offiziell nicht geplant ist.
„Es wäre schwer, uns gezielt zu attackieren“, ist Illy überzeugt. Dabei kauft etwa die Holding der Industriellenfamilie Reimann, JAB, derzeit gezielt einen Kaffeekonzern zusammen – von der deutschen Marke Jacobs bis zum führenden US-Kapselsystem Keurig. „Wir haben noch nie ein Kaufangebot bekommen“, sagt Illy listig. „Denn bevor man ein solches Angebot bekommt, muss man bereit sein, eines entgegenzunehmen. Die Leute aber kennen unsere Antwort, nämlich dass wir ein Familienunternehmen bleiben wollen.“
Die Strategie dazu: Illy als eigenständigen Spieler im Premiumsegment fest verankern – mit treuen Kunden in der Gastronomie, zunehmend mit von Franchisepartnern betriebenen Cafés unter der Marke Illy – und durch neue Angebote, die jedoch alle auf der eigenen klassischen Kaffeemischung basieren.
Marketing ist dabei wichtig. Zwar schneidet Illy in Produkttests regelmäßig gut ab. Doch die Unterschiede zwischen den Espressi auf dem Markt sind gering. „Bei unserem Test 2016 lagen bei den Espressi aus ganzen Bohnen die meisten Produkte in der Bewertung bemerkenswert eng beieinander“, sagt Jochen Wettach, Projektleiter bei der Stiftung Warentest. Illy-Bohnen hatten dabei im Geschmack überzeugt, aber Abzüge bei der Schadstoffbelastung bekommen.
Neue Produkte sollen die Marke stärken. In diesem Sommer will Andrea Illy den Cold-Brew-Kaffee populär machen, der bislang eher in kleinen Röstereien oder Coffeeshops zu finden ist. Dabei handelt es sich um mehrere Stunden mit kaltem Wasser aufgegossenen Kaffee – ein kaltes Getränk besonders für die warme Jahreszeit.
Illy bietet Gastronomen Geräte, um den kalten Kaffee selbst aufzusetzen oder fertige Tetrapacks anzuzapfen. Natürlich kommt das Getränk auch in die Illy-Shops – zwei weitere sollen dieses Jahr in Deutschland eröffnen, danach weitere drei bis vier jährlich, immer mit Rücksicht auf die 2000 Gastronomiekunden in Deutschland. Trotz des harten Wettbewerbs von Ketten wie Balzac und durch die immer größere Zahl kleiner Röstereien in Deutschland. Demnächst soll es zudem einen Neustart mit kaltem Milchkaffee aus dem Supermarkt-Kühlschrank geben.
Schlüssel zu mehr Wachstum soll aber das Management sein. „Der einzige Weg, das Wachstum zu verbessern, ist, die Ausführung zu verbessern“, sagt Illy. Dazu hat er vor drei Jahren Berater ins Unternehmen geholt. Das Ziel: das Unternehmen so aufstellen, dass es jederzeit an die Börse gehen könnte. „Das bedeutet: transparente Finanzen, klare Strategie“, sagt Illy.
Auf diese Grundidee führt er zurück, dass immer wieder Berichte über einen bevorstehenden Börsengang auftauchen. Doch das dementiert er: „Es gibt keine Pläne für einen solchen Schritt.“ Allerdings rate er als Vorsitzender eines italienischen Luxusmarken-Verbandes auch seinen Kollegen, eine ähnliche Aufstellung zu prüfen. Erst ein Drittel der Familienunternehmen in dem Land werde von externen Managern geführt, daher fehle es teils an Professionalität.
Eine Konsequenz aus den Berichten der eigenen Berater: der Rückzug von Andrea Illy auf den Chefaufseherposten. „Als studierter Chemiker bin ich gut im strukturierten Denken und im strategischen Marketing. Die operative Seite des Marketings aber muss man in seiner Karriere lernen – etwa bei einem Großkonzern, wo ich nie war“, sagt er.
Der neue Chef Massimiliano Pogliani hingegen war bei Nestlé und der Luxusmarke Vertu. Er hat vor vier Monaten eine neue Kampagne vorgestellt, die erstmals mit Markenbotschaftern wie Andrea Bocelli arbeitet, dazu mit Künstlern, Köchen und Kaffeebauern. Er soll Produkte wie Kaffee aus bestimmten Anbaugebieten nach vorne stellen, die derzeit angesagt sind. Außerdem muss er einen Weg finden, die Illy-Kaffeekapseln besser im Markt zu verankern.
Während Nespresso de facto nach dem Auslaufen der Patente zum Marktstandard bei Premiumkapseln geworden ist, dümpelt Illys eigenes System dahin. Die Kapseln sind noch teurer als die Nespresso-Kapseln. Allerdings meint Andrea Illy, Nespresso qualitativ nur mit den eigenen Kapseln schlagen zu können, sich mit einem Nespresso-Klon nicht ausreichend absetzen zu können, um dem eigenen Qualitäts- und damit Preisanspruch genügen zu können. Fest steht: 2017 war für Illy ein Übergangsjahr, ein Jahr der Konsolidierung mit geringem Wachstum. Auch bei der Gewinnmarge habe sich wenig getan, sagt Illy.
Die Familie bleibt jedoch wichtig im Unternehmen, das Andrea Illys Großvater mit der Erfindung der Espressomaschine mit den typischen neun Bar Druck gegründet hat und das der Vater, ebenfalls ein studierter Chemiker, ausgebaut hat.
Andrea Illys Schwester kümmert sich um die direkten Kontakte zu den Kaffeebauern. Die Brüder diversifizieren hingegen unter dem Motto „Nicht alle Eier in einen Korb“ in andere exklusive Lebensmittel. „Wir machen jetzt eine halbe Milliarde Euro Umsatz, langfristig wollen wir ein Vielfaches davon machen. Allein mit Kaffee geht das nicht“, sagt Illy. Die nächste Generation bereitet sich darauf vor: Andrea Illys drei Töchter arbeiten beim Berater Boston Consulting, beim Werberiesen TBWA beziehungsweise studieren in New York – und wären wie die sechs Cousinen und der Cousin im Familienunternehmen willkommen.
Und noch eine Konstante neben der Familie gibt es: die Kaffeedose. Als Zeichen für die Premiumpositionierung kommen auch die Bohnen für Privatkunden in Dosen – und sogar die Kaffeekapseln.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×