PremiumCarsten Coesfeld soll neue Geschäftsfelder für den Konzern erschließen. Besteht der 35-Jährige die Bewährungsprobe, könnte ihn das für Höheres qualifizieren.
Carsten Coesfeld
Der 35-Jährige soll Wachstumsbereiche für Bertelsmann identifizieren.
Bild: Bertelsmann
Düsseldorf Carsten Coesfeld ist für nichts weniger als die Zukunft von Europas zweitgrößtem Medienkonzern verantwortlich. Der 35-Jährige ist seit dem Sommer Chef von Bertelsmann Investments, dem globalen Wagniskapitalarm des Gütersloher Familienimperiums. Darin ist auch der Bereich Bertelsmann Next angesiedelt, mit dem Coesfeld für den Konzern neue Geschäftsfelder erschließen soll.
Coesfeld ist bei Bertelsmann nicht irgendein Manager. Er ist ein Enkel des 2009 verstorbenen Reinhard Mohn. Unter dem Firmenpatriarchen hat sich Bertelsmann nach dem Zweiten Weltkrieg durch Zukäufe und Beteiligungen von einem mittelständischen Druck- und Verlagshaus zu einem international tätigen Medienkonzern entwickelt. Coesfeld hat nun die Aufgabe, Bertelsmann in der Neuzeit ähnlich weiterzuentwickeln.
Dafür hat der Konzern gerade mehr überschüssiges Kapital zu verteilen als jemals zuvor in seiner Geschichte. Bis 2025 will CEO Thomas Rabe fünf bis sieben Milliarden Euro investieren – davon dürfte ein erheblicher Betrag an Bertelsmann Next gehen.
Wachstum will Coesfeld durch Investitionen in digitale Gesundheitsanwendungen schaffen, vor allem in den USA. 2023 wolle Bertelsmann Investments mehrere Zukäufe und Beteiligungen in diesem Bereich bekannt geben, kündigt Coesfeld im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Es ist das erste Mal, dass er ein Interview gibt. „Der Gesundheitsmarkt in den USA ist größer als die gesamte deutsche Volkswirtschaft, sagt er.
Ein großer Schmerzpunkt im Gesundheitswesen seien Verwaltungsaufgaben, erklärt Coesfeld. Bertelsmann will Ärztinnen und Krankenpflegern mit digitalen Angeboten etwa ermöglichen, schneller Termine zu vereinbaren, Operationssäle besser zu belegen oder Abrechnungen einfacher zu erledigen.
Medizinisches Personal verbringe 13 Stunden pro Woche mit Verwaltung, bemerkt Coesfeld. „Wenn wir Ärzten und medizinischem Personal dabei helfen, mehr Zeit für ihre Patienten zu haben, können wir etwas für die Gesellschaft tun.“ Und Geld damit verdienen: Die Beratung Roland Berger sagt voraus, dass der Markt für digitale Gesundheitsdienste 2026 ein weltweites Volumen von einer Billion Euro hat. Bertelsmann selbst erwartet in diesem Geschäftsfeld ein jährliches Marktwachstum von acht Prozent.
Mögliches Geschäft sieht Coesfeld auch bei der Unterstützung von Pharmafirmen, etwa bei der Erforschung neuer Arzneimittel. „Medizin wird immer personalisierter, was die Markteinführung neuer Medikamente schwieriger macht“, erklärt Coesfeld.
Daneben erkennt er auch Potenzial im Personalwesen. Die Wirtschaft leidet unter einem Mangel an Fachkräften, Statistiker zählen hierzulande über 1,8 Millionen offene Stellen. Coesfeld will 2023 ein Angebot präsentieren, das Firmen und Jobsuchenden helfen soll, besser zueinanderzufinden.
Thomas Rabe
Der Vertrag des Managers läuft noch bis Ende 2026.
Bild: Bertelsmann
Dass ein Medienkonzern in digitale Gesundheitsanwendungen investieren will, mag zunächst verwundern. Doch Bertelsmann versteht sich längst als Medien-, Dienstleistungs- und Bildungsunternehmen. Schon jetzt macht der Konzern 1,4 seiner fast 20 Milliarden Euro Umsatz mit Gesundheitsgeschäften.
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Die Gütersloher sind an Relias, einem US-Unternehmen zur Online-Weiterbildung, und dem brasilianischen Dienstleister Afya beteiligt. Zudem wickelt der Konzern Abrechnungen für Ärzte und Krankenhäuser ab oder organisiert für Pharmaunternehmen etwa den Transport von Medikamenten.
Coesfeld selbst hatte das Geschäft mit Krankenhausabrechnungen beim Bertelsmann-Dienstleister Arvato zwischen 2012 und 2015 neu aufgebaut. Konzernchef Thomas Rabe schlug er später Investitionen in den Bereich digitale Gesundheit vor. Rabe soll schnell überzeugt gewesen sein – und beförderte Coesfeld im Juni 2022 zum Chef von Bertelsmann Investments.
Das dürfte nicht der letzte Karriereschritt des Mohn-Enkels gewesen sein: In der Gütersloher Zentrale gilt Coesfeld als ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Rabe, dessen Vertrag Ende 2026 ausläuft. An Spekulationen will sich Coesfeld nicht beteiligen. „Die Frage stellt sich nicht. Ich schaue am liebsten, welche Aufgaben gerade für mich auf dem Tisch liegen“, sagt er im Gespräch.
Seine Karriere verläuft bisher vorstandstauglich: Zunächst studierte er Management an der privaten WHU-Universität und der London School of Economics und arbeitete bei der Investmentbank Goldman Sachs in London. Mit Mitte 20 begann er bei Bertelsmann als Assistent von Rabe in dessen Anfangszeit als CEO.
Coesfeld war in mehreren Unternehmensbereichen tätig. Zuletzt stellte er den Londoner Sachbuchverlag Dorling Kindersley digitaler auf, was dort Rekordergebnisse einbrachte. Bertelsmann-Chef Rabe sagt: „In seinen bisherigen Führungspositionen hat Carsten Coesfeld bestehende Geschäfte zu mehr Wachstum und höherer Profitabilität geführt.“ Das Handelsblatt zeichnete Coesfeld zuletzt als einen von 30 Top-Nachwuchsführungskräften der deutschen Wirtschaft aus.
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Mit ihm steht erstmals seit vielen Jahren wieder ein Mitglied der Inhaberfamilie an die Spitze einer Sparte. Coesfeld zählt zur siebten Generation. Weil er einen anderen Nachnamen trägt, weiß selbst im Konzern nicht jeder, dass er Teil des Familienclans ist.
Carsten Coesfeld, Liz Mohn, Thomas Coesfeld (v. l.)
Das Familienunternehmen Bertelsmann will in den Bereich digitale Gesundheit investieren.
Bild: Bertelsmann
Der 35-Jährige ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Gütersloh. Sein drei Jahre jüngerer Bruder Thomas Coesfeld ist als Finanzchef der Musiksparte BMG ebenfalls im operativen Geschäft von Bertelsmann tätig. Beide wurden schon im Alter von 14 und elf Jahren von Großvater Reinhard Mohn und dessen späterer Frau Liz gefragt, ob sie sich eine Laufbahn im Unternehmen vorstellen können.
Reinhard Mohn hatte sich einst skeptisch gegenüber Führungsrollen von Familienmitgliedern gezeigt. In seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch schrieb er, dass Aufstiegsmöglichkeiten für Familienmitglieder „den in unserem Hause gültigen Regeln“ entsprechen müssten.
So dürfte die Entwicklung von Bertelsmann Next die Bewährungsprobe für Coesfeld sein. Das mag ein Grund sein, warum er sich nicht zu konkreten Zielen für die Sparte äußert. „Bertelsmann Next soll eine neue wichtige Säule des Unternehmens werden. Was das bedeutet, werden wir noch sehen“, sagt er.
Größte Säule von Bertelsmann ist aktuell mit einem Jahresumsatz von 7,7 Milliarden Euro die RTL-Gruppe, zu der mittlerweile auch der Verlag Gruner + Jahr gehört. Danach folgt Arvato (fünf Milliarden) und das Buchgeschäft Penguin Random House (vier Milliarden).
Zum Bereich Bertelsmann Investments und damit zur Aufgabe von Coesfeld zählen auch drei Fonds. Darüber hat der Konzern seit 2006 über 1,6 Milliarden Euro in mehr als 400 Unternehmen investiert, wovon bislang durch Verkäufe und Börsengänge wieder 1,3 Milliarden Euro zurückgeflossen seien. Daraus sind über 20 Einhörner, also Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarden Euro entstanden.
Coesfeld reist im Moment viel, um mögliche Zukäufe und Geschäftspartner zu identifizieren. Zum Interview kommt er vom Düsseldorfer Flughafen. „Wir müssen zugleich schnell und geduldig sein“, sagt er. Es gelte schnell ein Netzwerk aufzubauen und dann auf eine passende Investitionsgelegenheit zu warten. „Das Unternehmerische ist das, was mich antreibt.“
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