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27.01.2023

11:28

Erneuerbare Energien

Der Mittelstand leitet seine Energiewende ein

Von: Anja Müller

Eine große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen will in erneuerbare Energien investieren. Vor allem lange Genehmigungsverfahren behindern aber den Ausbau.

Zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen investieren in Solarprojekte, um ihre Energiewende einzuleiten. IMAGO/Westend61

Installation einer Photovoltaikanlage

Zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen investieren in Solarprojekte, um ihre Energiewende einzuleiten.

Düsseldorf Stark gestiegene Energiepreise und Ängste um die Versorgungssicherheit bringen immer mehr Mittelständler dazu, auf eigenen Strom aus Windkraft und Sonnenenergie zu setzen. „Durch den Krieg in der Ukraine sind viele Unternehmer aufgewacht“, sagte eine Branchenkennerin.

Das zeigt auch eine repräsentative Sonderumfrage der DZ Bank bei 1000 mittelständischen Unternehmen, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. 87 Prozent der repräsentativ befragten Unternehmen investieren in erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Unter den 13 Prozent, die nichts planen, sind vor allem kleinere Mittelständler.

Vor allem Solarenergie steht ganz oben bei den meisten Unternehmen auf der Agenda. Joachim Goldbeck, geschäftsführender Gesellschafter von Goldbeck Solar, spricht von einer „enormen Nachfrage“. Dies liege nicht nur an der Pflicht, auf neuen Gewerbegebäuden Solardächer zu installieren. „Immer mehr Unternehmen wollen auch günstig ihren eigenen und darüber hinaus grünen Strom produzieren“, erklärt Goldbeck.

Bürokratie bremst Energiewende im Mittelstand

Seine Firma bestückt nicht nur gewerbliche und Industriegebäude mit Solaranlagen, sondern auch Freiflächen, die größer als 15 Hektar sind. „Wir sehen ein Umdenken bei vielen Unternehmen, sie wollen nachhaltig wirtschaften und Klimaschutzziele erreichen“, sagt Goldbeck, der auch Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft ist. Der Angriffskrieg in der Ukraine und die dadurch entstandene Energiekrise hätten diesen Prozess und den Wunsch nach Autarkie noch beschleunigt.

Doch die Energiewende des Mittelstands wird gebremst, vor allem durch die Bürokratie. Das bestätigt Alexandra Pohl, Expertin der DZ Bank für Projektfinanzierungen bei erneuerbaren Energien: „Auch nach mehr als einem Jahr Ampelregierung hat sich an den Genehmigungsverfahren sehr wenig geändert.“

Gerade bei Windkraftanlagen entscheide jede Landesbehörde selbst, und das dauere nach wie vor sehr lange. Windkraftanlagen bräuchten zudem eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Das sei deutlich aufwendiger als zum Beispiel bei Photovoltaikanlagen, bei denen eine Baugenehmigung genüge.

Auch daher investieren laut der Umfrage nur zehn Prozent der Unternehmen in Windkraft, zwei Drittel setzen auf Photovoltaik. „Man braucht weniger Finanzmittel, die Technik ist einfacher“, sagt Pohl. Allerdings gibt sie zu bedenken: „Photovoltaik hat einen deutlich niedrigeren Wirkungsgrad.“

Von der Planung bis zum Fließen des Stroms durch Windkraftanlagen brauche es zwei bis acht Jahre, sagt Pohl. „Ich nehme noch nirgendwo in Deutschland wahr, dass Genehmigungen leichter geworden wären, das ist der gordische Knoten.“

Grafik

Der Erneuerbaren-Spezialist Avacon, der nach eigenen Angaben auch eine gestiegene Nachfrage nach Windkraftprojekten verzeichnet, benötigt dafür etwa fünf bis sechs Jahre. Ein großes Projekt für das mittelständische Unternehmen sind zum Beispiel die 30 Windräder beim Stahlhersteller Salzgitter, die Avacon auch betreibt.

Die wesentlichen Gründe für die lange Dauer seien umfangreiche und lange Gutachten, Verhandlungen mit Landeigentümern, lange und intensive Prüfung des Antrags nach Immissionsschutzgesetz sowie die daraus resultierenden Auflagen, die umgesetzt werden müssten. Hinzu kämen lange Lieferzeiten bei Großkomponenten und der Fachkräftemangel.

Bagatellgrenze für Energieerzeuger könnte helfen

Ein Beispiel: „Vier Windkraftanlagen bedeuten rund 40 Ordner Papier“, schätzt Pohl von der DZ Bank. Digitalisierung der Verwaltung könne da vielleicht helfen, aber auch mehr Personal, um die sehr hohen Anforderungen in den Verfahren zu prüfen – oder aber diese deutlich zu senken.

Der Handlungsbedarf ist groß, wenn die Energiewende im Mittelstand auch umgesetzt werden soll. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat aufgelistet, wo die Schmerzpunkte liegen und wie man sie lösen könnte: So könne zum Beispiel eine Bagatellgrenze helfen, damit nicht jeder Energieerzeuger ab der ersten Kilowattstunde zum Stromlieferanten wird, was umfangreiche Meldepflichten nach sich zieht. Auch ein Pauschaltarif für Netzentgelte, Steuern und Umlagen könne die Versorgung in Gewerbegebieten erleichtern.

Erst am Donnerstag hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag angekündigt, er werde in Kürze neue Solar- und Wind-Pakete vorlegen, um Bürokratie-Hemmnisse abzubauen. Gelingt das nicht, gefährdet das auch die Klimaziele der Bundesregierung. Ohne Mitwirkung des Mittelstands, der für 99 Prozent der Unternehmen steht, so heißt es in der DZ-Bank-Studie, seien diese nicht zu erreichen.

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