Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

17.03.2023

14:40

Friseurkette

Klier kämpft sich mit viel weniger Filialen aus der Krise

Von: Julia Leonhardt

Zwei Jahre nach der Insolvenz blickt die Klier Hair Group mit Hoffnung und neuen Visionen auf die kommenden Jahre. Doch noch gibt es einige Hürden.

Die Klier Hair Group ist nach eigenen Angaben Europas größtes Friseurdienstleistungsunternehmen. FOTORAUM Hannover

Ein Salon der Friseurkette Klier

Die Klier Hair Group ist nach eigenen Angaben Europas größtes Friseurdienstleistungsunternehmen.

Düsseldorf Bei der Klier Hair Group stand nach der Coronakrise alles für den Neustart bereit. Die Gläubigerversammlung stimmte im April 2021 dem Insolvenzplan zu, das Filialnetz war um mehr als 500 Läden ausgedünnt. Es sollte mit neuer Kraft vorangehen.

Doch kaum aus der einen Krise, trifft den deutschen Marktführer bei Friseurketten die nächste. Inflation, Energiekosten, Krieg: „Die allgemeine Kaufzurückhaltung spiegelt sich bei uns eins zu eins wider“, berichtet Michael Klier, der die Gruppe seit Anfang 2000 zusammen mit seinem Cousin Robert Klier führt.

Die Folgen des Ukrainekriegs zeigen sich auch in den Umsätzen. Nach einer guten Entwicklung in der ersten Hälfte des Jahres 2022 sei im zweiten Halbjahr die Verunsicherung der Verbraucher und der Konsumenten deutlich zu spüren gewesen. Aufgrund der steigenden Inflation erhöhte die Friseurkette in den vergangenen zwölf Monaten ihre Preise um sieben bis acht Prozent.

Vorkrisenumsatz soll spätestens 2025 wieder erreicht werden

Michael Klier schaut trotzdem optimistisch in die Zukunft. Er setzt dabei auf neue Konzepte in den Filialen und auf die Qualifikation der eigenen Mitarbeiter. „Unser Ziel ist es, Persönlichkeiten zum Strahlen zu bringen“, erklärt er. Das soll nach Klier sowohl für Kunden wie Mitarbeiter gelten. In den kommenden Monaten, sagt er, sollen die theoretischen Grundlagen in die Salons getragen werden. Die Unternehmensmarken zu repositionieren und attraktiver für Arbeitnehmer zu werden gehört dabei zu den Zielen.

Am wichtigsten sei es jedoch, möglichst schnell wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen. Wie schwer dieser Weg ist, zeigen die Zahlen. Über aktuelle Bilanzdaten macht das Unternehmen selbst zwar keine Angaben. Doch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger weist einen Umsatzeinbruch von knapp 100 Millionen Euro im ersten Pandemiejahr aus.

Michael Klier führt die Klier Hair Group zusammen mit seinem Cousin Robert Klier. FOTORAUM Hannover

Michael Klier

Michael Klier führt die Klier Hair Group zusammen mit seinem Cousin Robert Klier.

Hat die Klier Hair Group 2019 noch 275 Millionen Euro umgesetzt, waren es 2020 noch 176 Millionen Euro. Das Familienunternehmen geht davon aus, dass es 2024, spätestens 2025 dieses Niveau wieder erreichen kann.

Teil des Zukunftsplans ist Nachwuchsförderung, auf die das Familienunternehmen besonders stolz ist. Die Klier Hair Group ist nach eigenen Angaben der größte Ausbilder der Friseurbranche, aktuell sind es mehr als 800 Auszubildende. Mit einem Ausbildungssystem will das Unternehmen die Nachwuchskräfte schnellstmöglich an das Handwerk heranführen. Eine Mitarbeiter-App etwa bietet den Auszubildenden Zugang zu Lerninhalten und Vorbereitungskursen.

Michael Klier hat selbst den Friseurberuf gelernt. „Der Kontakt mit den Menschen und die Kreativität: Das hat mich schon immer an dem Beruf fasziniert“, erzählt der 48-jährige Unternehmer. Obwohl der Friseurberuf nie seine erste Wahl gewesen sei, habe er großen Gefallen daran gefunden.

Rund 5000 Produkte im eigenen Onlineshop

Den nach eigenen Angaben größten Friseurdienstleister Europas führt Klier in dritter Generation. Das Unternehmen entstand 1948 in Werdau, seine Großmutter eröffnete dort den ersten Damensalon mit dem Namen Klier.

Nachdem ihre beiden Söhne eine Friseurausbildung absolviert hatten, übernahmen sie den Betrieb Ende der 1970er-Jahre. In den folgenden Jahren kamen immer mehr Salons um Wolfsburg und in ganz Deutschland hinzu. Zur Gruppe gehören Marken wie Essanelle und Super Cut, der Geschäftsbereich Kliers umfasst heute auch Tschechien und die Slowakei.

Zum Geschäftsmodell gehört inzwischen auch ein Onlineshop. Dort werden rund 5000 Produkte für die Haarpflege angeboten. Der Shop soll als „verlängertes Verkaufsregal“ funktionieren, erklärt der Geschäftsführer. Für die Einzelhandelsstandorte sei das Onlineangebot eine wichtige Ergänzung.

Über die Jahre ist die Gruppe stark gewachsen, wenn auch nicht ohne Wachstumsschmerzen. Das führte 2019 erstmals zu einer Sanierung. Nach der abgeschlossenen finanziellen Neuaufstellung sahen die Zahlen Anfang 2020 wieder gut aus. Dann kam die Coronapandemie, Friseure waren gezwungen, ihr Geschäft über Monate einzustellen.

Für das Unternehmen folgten Wochen der Ungewissheit. „Das ist die Höchststrafe für jeden Unternehmer. Nichts tun zu können, die Hände in den Schoss zu legen und sich zu sagen: ‚Schauen wir mal, wann wir aufmachen dürfen‘“, erinnert sich Klier.

Klier hat in der Insolvenz 550 Filialen geschlossen

Im Dezember 2020 eröffnete das Amtsgericht am Firmensitz in Wolfsburg das Insolvenzverfahren über das Familienunternehmen. Klier musste harte Einschnitte machen: So hatte die Friseurkette zum Start des Insolvenzverfahrens in Deutschland rund 1350 Salons und Shops mit etwa 8500 Beschäftigten. Heute sind es nur noch rund 800 Niederlassungen und 5000 Mitarbeiter.

Noch nicht von der Coronabelastung erholt, leiden Klier und die gesamte Friseurbranche nun erneut unter harten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – speziell den hohen Energiepreise. „Die aktuellen Belastungen für das Friseurhandwerk haben die Grenze des Zumutbaren einfach überschritten“, sagt Manuela Härtelt-Döre, Präsidentin des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks (ZV). „Viele Friseurbetriebe stehen faktisch vor dem Aus.“ Der Verband fordert die Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes auf Friseurdienstleistungen von 19 Prozent auf 7 Prozent.

Die ZV-Präsidentin warnt, dass das Friseurhandwerk vor multiplen Krisen stehe: „Die Branche kämpft nicht nur gegen die Auswirkungen von Corona, sondern parallel auch gegen die Inflation, die Energiekrise sowie den demografischen Wandel, der einen Fachkräftemangel mit sich zieht.“

Dem setzt Klier nicht nur die eigene Ausbildungsoffensive entgegen. In Zukunft will sich der Friseurdienstleister auch genauer mit der Verteilung der Standorte befassen. In Zeiten von Homeoffice würden mehr Verbraucher bewusst aufs Land ziehen. „Wie reagieren wir auf demografische Veränderungen als Dienstleister?“ fragt Michael Klier. Diese Frage gelte es zu beantworten.

Handelsblatt Zukunft Mittelstand Newsletter

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×