Das frühe Aus für die DFB-Elf markiert nicht nur sportlich ein Tief. Branchen wie Gastronomie und Handel ziehen für sich ein negatives Fazit. Ein Dax-Konzern hat noch Hoffnung.
Trauer bei Fans aus Deutschland
WM in Katar – das Gegenteil von einem Sommermärchen.
Bild: IMAGO/Ulmer/Teamfoto
Düsseldorf Die Fußballweltmeisterschaft ist nicht für die Nationalmannschaft zum Fiasko geraten. Viele deutsche Unternehmen erleben parallel zum sportlichen Misserfolg der DFB-Elf einen ökonomischen Reinfall. Betroffen sind Branchen, die mit einer Sonderkonjunktur durch ein Weltereignis wie der WM kalkulieren.
Schon die Vorzeichen für das Turnier in der Wüste waren schlecht: Gastgeber Katar steht in der Kritik, weil dort Menschenrechte missachtet werden und es auf den WM-Baustellen zu tödlichen Unfällen gekommen ist. Dazu muss die WM aufgrund der Hitze im Winter stattfinden. Und diesen Winter lastet nicht nur das Wetter auf der Konsumfreude, es sind vor allem hohe Energiepreise, die Inflation und Kriegsängste.
Das trifft Unternehmen, die auf die wirtschaftliche Zugkraft des Fußballs setzen, aus ganz verschiedenen Gründen. Die WM-Bilanz im Überblick:
17,43 Millionen Menschen haben das Spiel Deutschland gegen Costa Rica am Donnerstagabend zur Prime Time verfolgt. Das klingt nach einer guten Quote – doch der Vergleich ist entscheidend. Beim Vorrundenaus 2018 sahen das entscheidende Spiel gegen Südkorea 25,44 Millionen Menschen. Die Marktanteile: 53,7 Prozent gegenüber 87,4 Prozent.
In Deutschland ist die WM heftig umstritten. Auch die tendenziell frühen Anstoßzeiten sind keine gute Voraussetzung für Traumquoten hierzulande. International sieht das anders aus: Es gibt weit weniger Bedenken, die Anstoßzeiten etwa in Asien fallen in die beste Sendezeit zur Prime Time.
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Der Fußballweltverband Fifa verbreitete entsprechend kurz nach Beginn des Turniers Zahlen, dass die Einschaltquoten selbst in europäischen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich besser gewesen seien als bei der letzten WM 2018 in Russland.
An den historisch schlechten Werten in Deutschland ändert das nichts. So sahen hierzulande etwa nur 6,21 Millionen Menschen das Auftaktspiel zwischen Katar und Ecuador. Bei der WM 2018 schalteten bei der Eröffnung zu einer vergleichbaren Uhrzeit mehr als zehn Millionen Leute ein.
Nationalspieler Niclas Füllkrug
Spieler und Wirtschaft sind von der WM in Katar enttäuscht.
Bild: IMAGO/Moritz Müller
So räumte auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky ein, dass „das Zuschauerinteresse bisher deutlich verhaltener ist“. Statt neun Millionen Zuschauer wie bei der WM in Russland, hätten bei den aktuellen Vorrundenspielen im Schnitt nur fünf Millionen Zuschauer eingeschaltet.
Das ZDF wollte keine Prognose darüber abgeben, wie sich das Interesse an dem Turnier ohne die DFB-Elf entwickelt: „Wie zahlreich nun in der K.-o.-Phase des Turniers die Zuschauer unsere Übertragungen verfolgen, müssen wir abwarten“, so ZDF-WM-Teamchef Christoph Hamm.
ARD und ZDF übertragen einen Großteil der Spiele. Die Sender sollen mehr als 214 Millionen Euro für die Senderechte bezahlt haben. Alle 64 WM-Spiele zeigt das Portal Magenta TV der Deutschen Telekom. Dort äußerte man sich auf Anfrage ausweichend: „Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt eine Bilanz ziehen.“
Interesse am Fußball ist derweil vorhanden: Das Finale der Europameisterschaft der Frauen sahen in diesem Sommer durchschnittlich 17,897 Millionen Menschen – ein Marktanteil von 64,8 Prozent.
Einen großen Unterschied zwischen deutschem und internationalem Geschäft gibt es auch bei Adidas. Der Sportartikelhersteller zieht ein gemischtes Fazit: „So sehr uns das Ausscheiden in Deutschland trifft, so sehr profitieren wir von der internationalen Begeisterung in Katar“, heißt es von dem Konzern, der die Fifa als einer von sieben globalen Partnern unterstützt.
Der Dax-Konzern erwartet einen Umsatz von knapp 400 Millionen Euro durch die WM und will auch nach dem Ausscheiden der DFB-Elf daran festhalten. Denn Adidas ist nicht nur Ausrüster der deutschen Nationalmannschaft, insgesamt waren sieben Teams im Dress der Herzogenauracher im Turnier. Im Achtelfinale stehen nun nur noch drei, die deutschen Gruppengegner Spanien und Japan sowie Argentinien.
Spielball von Adidas
Der Sportartikelhersteller ist mit dem internationalen Geschäft zufrieden.
Bild: IMAGO/MIS
Im Bereich Fußball sei der Umsatz in den ersten drei Quartalen 2022 um 30 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr davor gewachsen. „Auch im Vergleich zur WM 2018 verzeichnen wir eine stärkere Nachfrage“, heißt es aus Herzogenaurach. Damals wurden insgesamt acht Millionen Trikots und zehn Millionen der offiziellen WM-Bälle verkauft.
Besonders viel verkauft Adidas in Ländern außerhalb Europas. Eine hohe Nachfrage nach Trikots und anderen Produkten aus dem Fußballsortiment herrsche zurzeit in Japan, Südamerika und Katar. In Deutschland scheint das nicht der Fall zu sein: Hierzulande verkauft Adidas die Trikots der deutschen Elf seit Freitag mit 50 Prozent Nachlass. Ein solcher Abverkauf ist üblich.
Der Handel ist vom Turnier indes endgültig desillusioniert. „Das frühe Aus der deutschen Nationalmannschaft bringt ein für den Einzelhandel ohnehin schwieriges WM-Geschäft frühzeitig zum Ende“, heißt es vom Handelsverband Deutschland. „Ohne die deutsche Mannschaft sinkt erfahrungsgemäß das Interesse an Fanartikeln und anderen WM-Artikeln rapide.“
Supermärkte wie Rewe hatten ohnehin erwartet, dass die WM „auf vergleichbar geringeres Interesse stößt als frühere Großturniere“. Die erhofften Abstrahleffekte der WM etwa auf Getränke oder Snackartikel seien allerdings nur überschaubar, heißt es nun von der Kölner Supermarktkette. Auch andere Händler hatten keine Sonderaktionen zur WM veranstaltet. So gibt es etwa bei Aldi nur „ein kleines, sehr ausgewähltes Sortiment mit Fußballmotiven“.
Rewe-Supermarkt in Köln
Rewe teilt mit, dass die WM „auf vergleichbar geringeres Interesse stößt als frühere Großturniere“.
Bild: imago images/Future Image
Rewe hatte seine Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund kurz vor dem ersten Spiel der Deutschen öffentlichkeitswirksam beendet. Diese wäre allerdings ohnehin zum Jahresende ausgelaufen. Rewe kritisierte, dass Kapitän Manuel Neuer, anders als zunächst angekündigt, nicht mit der „One Love“-Binde antrat. Die Fifa hatte mit Sanktionen gedroht, der DFB gab nach. Mit der Binde hätte zumindest ein kleines Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt werden sollen.
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Rewe hatte daraufhin angekündigt, die Alben seiner an einen Mindesteinkaufswert gekoppelten DFB-Sammelkartenaktion kostenlos abzugeben. Die Kette wollte die Einnahmen spenden. „Ein Empfänger der Spende steht noch nicht fest“, heißt es.
Viele Gastronomen haben dieses Mal keine Fußballspiele auf Großleinwänden gezeigt. Unter dem Hastag #KeinKatarinmeinerKneipe finden sich etliche Lokale und Eventlocations, die das Turnier boykottieren. Auch die 20 größten deutschen Städte veranstalten kein Public-Viewing.
Kneipenwirtin Rosel Jungfer aus Berlin-Neukölln hat die Spiele gezeigt: „Einen Boykott könnten wir uns nach zwei Corona-Krisenjahren finanziell gar nicht leisten.“ Zeigt sie WM-Spiele, verkauft die Wirtin doppelt so viel Bier wie normal.
Public-Viewing in einer Gaststätte
Viele Gastronomen zeigen die Fußballspiele nicht. Jene, die übertragen haben, sprechen von einem schwachen Geschäft.
Bild: dpa
Das Aus der deutschen Elf ändert wenig. „Zu uns kommen Fans aller Nationalitäten zum Fußballgucken und Biertrinken“, sagt die Gastronomin. Allerdings zählt die Stamm-Eckkneipe der Fans von Hertha BSC Berlin deutlich weniger Gäste als zu früheren Turnieren.
„Sonst haben wir die Bude immer rappelvoll. Wegen des kalten Wetters fällt unser Geschäft draußen weg. Und viele Gäste müssen in Zeiten der Inflation sparen“, berichtet Jungfer.
Insgesamt hatte sich die Gastronomie kein großes Zusatzgeschäft erhofft: Das liegt auch daran, dass die Spiele zeitlich mit Weihnachtsfeiern kollidieren – eine wichtige Einnahmequelle, besonders nach zwei Jahren Pandemieflaute. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, tröstet sich dann mit der anziehenden Nachfrage nach Weihnachtsfeiern, auch wenn das Niveau von vor der Coronakrise noch nicht erreicht sei.
Hartges sagt: „Das Ausscheiden ist natürlich bitter – für die Spieler wie auch für unsere Betriebe, die in Übertragungsmöglichkeiten für das gemeinschaftliche Mitfiebern investiert haben.“
Normalerweise wird hierzulande bei einer WM bis zu eine Million Hektoliter mehr Bier getrunken – das bedeutet ein Prozent mehr Jahresabsatz für die Brauwirtschaft. Doch von dem Event im kalten Winter hatten sich die Bierbrauer von Anfang an keine Impulse erwartet.
„Das muss man ganz nüchtern betrachten“, sagte Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, vor Anpfiff der WM. Übertragungen von Turnierspielen ziehen in den Sommermonaten gerade in der Außengastronomie mehr Besucher an. Viele Brauereien wie Veltins hatten deshalb zur jetzigen Winter-WM erst gar keine Sonderaktionen gestartet.
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