Energieintensive Betriebe atmen nach den Ampel-Beschlüssen auf. Unternehmer und Manager warnen angesichts der dramatischen Lage aber vor einer erneuten Hängepartie.
Covestro
Die exorbitant hohen Energiepreise seien eine große Belastung für Covestro und andere energieintensive Unternehmen, sagt Technologie-Vorstand Klaus Schäfer.
Bild: Covestro
Stuttgart, Düsseldorf Familienunternehmer und Manager energieintensiver Betriebe fordern eine schnelle Umsetzung des Abwehrschirms der Bundesregierung gegen die Energiepreiskrise. Die Maßnahmen kämen spät, aber für einige Branchen „hoffentlich nicht zu spät“, sagte Klaus Geißdörfer, Chef des Ventilatorenherstellers EBM Papst, am Freitag dem Handelsblatt.
Man selbst sei der Gaspreissteigerung nicht so stark ausgesetzt, erklärte Geißdörfer. „Aber Komponentenlieferanten von uns – speziell im Spritz- und Aluminiumguss mit hohen Energiekosten im Prozess – sind stark betroffen.“
Auch Covestro-Technologievorstand Klaus Schäfer bemerkte: „Die exorbitant hohen Energiepreise sind eine große Belastung für uns und andere energieintensive Unternehmen.“ Der Kunststoffhersteller rechne damit, dass die Energiekosten im laufenden Jahr auf gut 2,2 Milliarden Euro klettern könnten – im Jahr 2020 seien es noch rund 600 Millionen Euro gewesen.
Nun komme es darauf an, die geplante Gas- und Strompreisbremse so auszugestalten, „dass die Entlastung möglichst schnell und gezielt bei den Verbrauchern und der Industrie ankommt und ihnen die dringend benötigte Luft zum Atmen verschafft“.
Die Energiemärkte dürften durch einen Eingriff allerdings nicht destabilisiert werden. Es dränge die Zeit. „Eine weitere Hängepartie wie bei der Gasumlage dürfen wir uns nicht leisten“, sagte Schäfer. Auch EBM-Papst-Chef Geißdörfer erklärte, dass es „sehr auf die endgültige Ausgestaltung ankommt“, die man ja noch nicht kenne. „Die Dreierkoalition agiert dennoch viel zu langsam“, kritisierte er.
Am Donnerstag hatte die Berliner Ampelkoalition die verschiedenen Maßnahmen ihres Abwehrschirms bekannt gegeben. Darin ist nicht nur eine Gaspreisbremse für einen Basistarif vorgesehen, sondern auch noch spezielle Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen, die sonst nicht erfasst würden. Zudem sollen keine zusätzlichen bürokratischen Hürden für Unternehmen aufgebaut werden, heißt es in dem Dokument der Bundesregierung.
>> Lesen Sie hier: Die Ampel-Beschlüsse im Wortlaut
Das deutsche Kabinett hat deutlich länger gebraucht als die Regierungen in Ländern wie Frankreich, Spanien und Portugal oder Großbritannien und Österreich, die schon seit Längerem eine Gaspreisbremse eingeführt haben oder gerade dabei sind, eine solche einzuführen.
Vor allem die energieintensiven Branchen, wie Chemie- Ernährungs- oder die Stahlindustrie atmen aber nun auf. Die vom Handelsblatt befragten Unternehmer und Manager werten vor allem positiv, dass sowohl Verbraucher als auch Unternehmen entlastet werden.
Gießerei Schmees in Langenfeld
Auf Gas kann das Familienunternehmen nicht verzichten, solange es nicht genügend grünen Wasserstoff für die energieintensiven Branchen gibt.
Bild: Schmees
Clemens Schmees, Geschäftsführer der Edelstahlgießerei Schmees aus Langenfeld, sieht in dem Abwehrschirm „die einzige Lösung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, aber auch für den sozialen Frieden“. Es hätte jedoch viel Unruhe vermieden werden können, wenn die Gaspreisbremse früher und die Diskussionen um die Gasumlage nicht nötig gewesen wären.
Es seien bereits Kunden zum Beispiel nach Spanien abgewandert, wo es die Gaspreisbremse bereits gibt. Sein Unternehmen sei noch sehr lange auf Gas angewiesen, auch wenn er bereits 18,5 Prozent eingespart habe.
Tobias Metten, Juniorchef des Fleischwarenherstellers Metten mit Sitz im sauerländischen Finnentrop, sagt zur Gaspreisbremse: „Sie kommt aus unserer Sicht nicht zu spät.“ Die Auswirkungen der vervielfachten Strom- und Gaspreise könnten jedoch je nach wirtschaftlicher Verfassung der Unternehmen sehr schnell existenzgefährdend werden.
Metten ist in Deutschland Marktführer für Konservenwürstchen. Um diese herzustellen und haltbar zu machen, wird viel Gas und Strom benötigt. Die Mehrkosten können gerade von kleineren und mittelständischen Herstellern nicht gänzlich an den Handel weitergegeben werden. So schrumpfen die Margen der Betriebe.
Metten fordert, „dass die systemrelevante Ernährungsbranche von der Energiepreisdämpfung nachhaltig profitieren muss, um die Versorgung der Bevölkerung dauerhaft sicherzustellen“. Die Politik müsse die Hilfe schnell und möglichst unbürokratisch zur Verfügung stellen.
Darauf müssen die Unternehmer derzeit noch warten. Erst Mitte Oktober werde die Expertenkommission Details bekannt geben, heißt es im Originaldokument der Bundesregierung. So wartet der Metten-Juniorchef erst einmal ab.
Zu lange dürfe es tatsächlich nicht dauern, sagt Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer NRW: „Jetzt kommt es auf eine schnelle und wirksame Umsetzung der angekündigten Maßnahmen an.“ Er sieht auch in dem versprochenen Belastungsmoratorium für die Wirtschaft „ein wichtiges Zeichen der Bundesregierung für die kommenden Jahre“.
Unternehmer Schmees glaubt aber, dass die Ankündigung der Gaspreisbremse schon etwas die Nerven beruhige. Und wenn der Abwehrschirm nicht gekommen wäre? „Daran“, so sagt Schmees, „will ich gar nicht denken.“
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