PremiumSie trotzten der Dauer-Krise, sparten viel Zeit und Geld oder tauschten gleich ihr komplettes Geschäft aus: Das Handelsblatt hat drei besondere Familienunternehmen ausgezeichnet.
Die Neumitglieder der Hall of Fame der Familienunternehmen
Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes zeichnete Jan-Hendrik und Jörg-Uwe Goldbeck, Sandra und Andrea Alber, Clemens und Valerie Maier, Joachim und Ortwin Goldbeck (v.l.) aus.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Berlin Drohender Gasmangel, gestörte Lieferketten, fehlende Fachkräfte, steigende Coronazahlen – die Krisen überlagern sich. Die aktuelle Situation zeigt auch, dass es gerade Familienunternehmen schaffen, gut durch schwere Zeiten zu kommen. Das Unternehmertum sorge für den Wohlstand von morgen, so Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes anlässlich der Hall of Fame 2022.
Das Handelsblatt zeichnete am Mittwochabend gemeinsam mit der Stiftung Familienunternehmen und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zum bisher 14. Mal drei Familienunternehmen aus, die ihre Geschäftsmodelle rechtzeitig besonders zukunftsfest gemacht haben: das Bauunternehmen Goldbeck, den Spieleverlag Ravensburger und Geze, ein Hersteller von Türschließsystemen.
Erstmals fand die Veranstaltung im Tipi am Kanzleramt statt. Die Nähe zur Politik sei symbolisch zu verstehen, so Chefredakteur Matthes: „Die Politik muss ein Umfeld schaffen, in dem Unternehmertum nicht zur Last wird.“
Hall of Fame 2022
Die Veranstaltung fand erstmals im Tipi am Kanzleramt in Berlin statt.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Unternehmen müssen sich allerdings auch selbst digital transformieren, um sich für die Zukunft aufzustellen. „Der Moment zur Digitalisierung ist jetzt“, betonte Julia Arlinghaus, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in einem Vortrag. Viele Technologien seien ausgereift. Sie könnten Firmen dabei helfen, energieautarker zu werden und die Probleme mit Lieferketten und dem Fachkräftemangel abzumildern, so die Expertin.
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Das sind die Gewinner der diesjährigen Hall of Fame:
Seit der Gründung als Stahlbauunternehmen im Jahr 1969 hat Ortwin Goldbeck den Betrieb immer wieder transformiert – und seine Söhne Jörg-Uwe und Jan-Hendrik setzen das seit 2007 fort. Goldbeck Senior hatte bereits ein Jahrzehnt nach der Gründung 1969 das Ziel, nicht mehr „nur das umzusetzen, was Architekten oder Ingenieure vorgeben“, sagte Vera-Carina Elter, Vorständin Personal und Familienunternehmen bei KPMG in ihrer Laudatio. Ortwin Goldbeck wollte „Bauten selbst entwickeln, gestalten und fertigen“.
Firma Goldbeck
Ortwin, Jan-Hendrik, Jörg-Uwe und Joachim Goldbeck mit Laudatorin Vera-Carina Elter, Vorständin Personal und Familienunternehmen bei KPMG (v.l.).
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Er schuf ein Systembau-Unternehmen, die einzelnen Elemente müssen auf der Baustelle nur noch montiert werden. Mit dem Vorgehen spart Goldbeck den Auftraggebern Zeit und Geld. Das Bielefelder Familienunternehmen baute zuletzt an der Gigafactory von Tesla in Brandenburg mit, errichtete auch eine Produktionshalle für den Corona-Impfstoffhersteller Biontech.
>> Lesen Sie mehr: Goldbeck: Diesem Bauunternehmen vertrauen Tesla und Biontech
Heute zählt Goldbeck mehr als 10.000 Beschäftigte und macht 4,1 Milliarden Euro Umsatz. Auch unter Leitung der Nachfolgegeneration ist die Firma schnell gewachsen: „Ich freue mich ganz besonders, dass sie das Unternehmen selbst so erfolgreich weiterentwickelt haben“, so Ortwin Goldbeck.
Um sich weiter zu transformieren, ist die Firma in den Bereich der Wohngebäude eingestiegen. Den Goldbecks könnte es gelingen, Wohnraum wieder bezahlbarer zu machen, so Moderatorin Judith Rakers. Der dritte Sohn, Joachim Goldbeck, hat mit Goldbeck Solar sogar einen eigenen Firmenzweig geschaffen. Das Geschäft helfe bei mehreren Herausforderungen: beim Klimaschutz, den hohen Energiepreisen und der Abhängigkeit von Regimen.
Nie waren die Puzzles von Ravensburger so gefragt wie in der Pandemie: Ausgerechnet 2020, in der größten Krise der Nachkriegszeit, machte der Spieleverlag aus Ravensburg nördlich des Bodensees ein Umsatzplus von 20 Prozent. Doch schon vor Corona ist aus der Firma ein globales Spieleimperium mit mehreren Marken geworden. Die 2400 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von 630 Millionen Euro.
Firma Ravensburger
Valerie Maier nahm, neben ihrem Bruder Clemens, die Ehrung für ihren Vater Otto Julius Maier von Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen (r.), entgegen.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Dem heutigen Chef Clemens Maier ist eine evolutionäre Entwicklung zu langsam, er spricht lieber von Transformation. Er kaufte Marken hinzu, bündelte Beschaffung und Vertrieb unter einem Dach, verkündete Anfang des Jahres, einen zweitstelligen Millionenbetrag in die Hand zu nehmen, um sich an Start-ups zu beteiligen. Das Fundament dafür schuf sein Vater Otto Julius Maier. Der heute 91-Jährige stand mehr als 40 Jahre an der Spitze des Familienunternehmens, machte daraus die heutige Aktiengesellschaft.
Einen nahtlosen Übergang zwischen Senior und Junior gab es nicht – und das war auch gar nicht gewollt. Clemens Maier ist seit 2011 Vorstandsmitglied, seit 2017 Vorsitzender, doch sein Vater zog sich schon 1995 zurück. In der Zwischenzeit übernahm ein externer Manager, Clemens Maier sammelte etwa Erfahrungen bei Bertelsmann und leitete bei Ravensburger zunächst das Geschäft in Spanien.
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„Die wohl vorbereitete Nachfolge zahlt sich nun aus. Sie gibt dem Unternehmen Selbstbewusstsein und Glaubwürdigkeit“, lobte Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, in seiner Laudatio.
Der Schließtechnik-Spezialist Geze gilt als Musterbeispiel eines Familienunternehmens, dem die Transformation ins Digitale gelungen ist. Das ist vor allem der ehemaligen Firmenchefin Brigitte Vöster-Alber zu verdanken, die erst vor zwei Jahren die operative Führung an ihre Kinder übergab. 52 Jahre stand die heute 78-Jährige an der Spitze.
Firma Geze
Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes gratuliert Sandra (l.) und Andrea Alber.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Ihr Leben sei ein Beispiel für „gelebte Disruption“, sagt Chefredakteur Sebastian Matthes in seiner Laudatio, „geprägt von wahrem Unternehmertum, von Mut, Entscheidungsfreude, Zuversicht und vom Glauben an den Erfolg, an die Zukunft“. Vöster-Alber wurde mit 24 Jahren Chefin, nachdem ihr Vater und Großvater gestorben waren. Mutig war sie gleich zu Beginn, als sie den männlich dominierten Aufsichtsrat absetzte. Man habe die junge Frau nicht ernst nehmen wollen, berichtet sie heute.
Die wohl größte Disruption war Gezes neuer Fokus auf vernetzte Hightech-Gebäudeschließsysteme und Technologien für Smarthomes. Das Geschäft mit Ski-Bindungen, für das das Unternehmen berühmt war, brachte nicht genügend Gewinn ein, deshalb zog Vöster-Alber einen Schlussstrich – auch gegen viele Widerstände im Unternehmen.
>> Lesen Sie mehr: Von Ski-Bindungen zu automatisierten Türen – Wie dem Familienunternehmen Geze die Transformation gelungen ist
Heute beschäftigt Geze mehr als 3000 Mitarbeitende und erzielt fast eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Selbstbewusst ist Vöster-Alber auch in ihrer Dankesrede per Videoschalte: „Über uns Schwaben gibt es das Gerücht, wir würden unser Licht gern unter den Scheffel stellen“, sagt sie. „Doch falsche Bescheidenheit gehört nicht zu den Eigenschaften, die eine gute Unternehmerin und ein erfolgreiches Unternehmen ausmachen.“
Weil die Hall of Fame 2021 coronabedingt digital stattfinden musste, wurden die Gewinner des vergangenen Jahres am Mittwochabend noch einmal vor Publikum geehrt. In die Hall of Fame wurden 2021 der Sauerländer Autozulieferer Kirchhoff, der Schraubenhersteller Würth und der Schokoladenproduzent Ritter Sport aufgenommen.
Gewinner 2021
Moderatorin Judith Rakers, Alfred Ritter, Arndt Kirchhoff, Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes, Johannes Kirchhoff und Wolfgang Kirchhoff (v.l.).
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Beiratschef Alfred Ritter äußerte sich auf der Hall of Fame erstmals öffentlich zum Geschäft in Russland. Das Familienunternehmen macht sieben Prozent seines Umsatzes in dem Land, es ist nach Deutschland der wichtigste Markt. Trotz großer öffentlicher Kritik hat Ritter Sport seine Lieferungen nach Russland bislang nicht eingestellt.
„Es ist ein Krieg der russischen Führung, nicht des Volkes“, begründete Ritter die Entscheidung. „Aus Schokolade kann man keine Waffen bauen.“ Zudem habe man Verantwortung für 4000 Kakaobauern und deren Familien und wolle den Kakao abnehmen, den man Anfang des Jahres bestellt habe. Die Gewinne aus dem Russlandgeschäft werde Ritter Sport spenden.
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