PremiumUnternehmerisches Handeln heißt, Flexibilität mit Haltung zu verbinden. Das Handelsblatt hat drei herausragende Persönlichkeiten ausgezeichnet, denen das gelungen ist.
Hall of Fame der Familienunternehmen 2023
Jury, Geehrte und Moderatorin (v.l.): Angelique Renkhoff-Mücke, Hubertine Underberg, Stefan Heidbreder, Natalie Mekelburger, Kay-Sölve Richter, Jürgen Heindl, Vera Carina Elter, Sebastian Matthes und Christoph Werner.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
München Energiekrise, Kriegsfolgen und wankende Banken: Für die Wirtschaft war die Lage seit Jahrzehnten nicht so komplex. Das wurde auch am Mittwochabend bei vielen Gesprächen überdeutlich. „Da sind einerseits die akuten Krisen“, sagte Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes auf der feierlichen Gala anlässlich der Hall of Fame der Familienunternehmen in München. „Und die dahinter liegenden, langfristigen Disruptionen wie die Dekarbonisierung der Industrie, die unsere Wirtschaft so sehr verändern werden wie einst die industrielle Revolution.“
In so einer Zeit sei es umso wichtiger, „sich darauf zu besinnen, wo Innovationen, Wachstum und letztlich Zukunft gemacht werden“, sagte Matthes. All das entstehe nicht in Berlin oder Brüssel – sondern in den Unternehmen.
Das Handelsblatt hat daher gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der Stiftung Familienunternehmen erneut herausragende Unternehmerpersönlichkeiten ausgezeichnet. Diese haben gezeigt, dass sie schnell Chancen erkennen und ergreifen, ihre Mitarbeiter mitnehmen und dadurch agiler sind als andere.
Neu in die Hall of Fame aufgenommen wurden die geschäftsführende Gesellschafterin des Kabel- und Klebebandspezialisten Coroplast, Natalie Mekelburger, und der Gründer des Wellpapp- und Papierherstellers Progroup, Jürgen Heindl. Posthum wurde dm-Gründer Götz Werner für sein Lebenswerk geehrt.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz über die neue Deutschland-Geschwindigkeit und ein neues Wirtschaftswunder rede, stellten sich Unternehmer zunehmend die Frage, wie attraktiv der Investitionsstandort Europa überhaupt noch sei, befand Handelsblatt-Chefredakteur Matthes. „Ist das in Berlin schon angekommen?“, fragte er.
Hall of Fame
Mehr als 170 Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer trafen sich am Mittwoch im The Charles Hotel in München.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
Wenn die Bundesregierung von einer neuen Deutschland-Geschwindigkeit spreche, „sorgt das bei Unternehmern eher für Belustigung“. Sie erlebten eine zunehmend lähmende Bürokratie und einen Unternehmeralltag, der durch neue Regeln und Gesetze immer komplizierter werde. Bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse und bei der Automation habe Europa aber eine „faire Chance“, sagte Matthes.
Nach zwei Jahren Pandemie hatten sich die mehr als 170 Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer erstmals wieder in München im The Charles Hotel getroffen, nachdem die Veranstaltung 2021 virtuell und im vergangenen Sommer in Berlin stattgefunden hatte. Das sind die Gewinner 2023.
Der Gründer der Progroup, Jürgen Heindl, hat durch Digitalisierung und Automation bereits vor mehr als 30 Jahren seine Chancen genutzt. Schon 1991 habe der Papierhersteller einen Online-Bestell- und -Informationsservice eingerichtet – „lange bevor das Internet überall Einzug hielt“, sagte Vera-Carina Elter, Vorständin für Personal und Familienunternehmen bei KPMG, in ihrer Laudatio. „Wettbewerber sagen anerkennend: „Er hat Dinge im Markt gesehen, die wir nicht gesehen haben.“
Diese Weitsicht zieht sich wie ein roter Faden durch das Unternehmerleben von Heindl. Er schuf einen Branchenriesen mit rund 1700 Mitarbeitenden in zwölf Wellpappwerken, drei Papierfabriken und einem Logistikunternehmen.
Jürgen Heindl und Vera-Carina Elter
Das Neumitglied der Hall of Fame mit seiner Laudatorin, der KPMG-Vorständin.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
Zu Jahresbeginn hat er die Führung der Progroup an seinen Sohn Maximilian übergeben und mit der langfristigen Nachfolgeplanung bewiesen, dass er auch loslassen kann. Auf die Frage von ZDF-Moderatorin Kay-Sölve Richter, die durch den Abend führte, wie oft er sich noch einmische, antwortete Heindl mit einem Lachen: „Immer weniger.“
>> Lesen Sie hier das Porträt: Aus dem Nichts zur Milliardenfirma: Wie Jürgen Heindl sich in der Papierindustrie durchgesetzt hat
Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger hat erkannt, dass sie den Kabel- und Klebebandspezialisten „extrem flexibel“ aufstellen muss, um auf alles eingestellt sein zu können. „Wir wissen nicht, wie der Russlandkrieg sich entwickelt, wir wissen nicht, was mit Taiwan passiert oder ob es ein Decoupling gibt“, sagte Mekelburger am Mittwoch. Deshalb sei die große Anpassungsfähigkeit von Unternehmen so wichtig.
Angelique Renkhoff-Mücke, geschäftsführende Gesellschafterin des Markisen-, Jalousien und Rollladenherstellers Warema, sagte in ihrer Laudatio, dass Natalie Mekelburger die Themen Innovationen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit stetig vorangetrieben habe. „Bei der Transformation in Richtung E-Mobilität übernimmt Coroplast eine führende Rolle und liefert als Erster Hochvoltleitungen für Tesla.“
Natalie Mekelburger (links) und Angelique Renkhoff-Mücke
Die Coroplast-Chefin und ihre Laudatorin, die geschäftsführende Gesellschafterin von Warema.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
Auch beim Thema Ladekabel und -stecker sei Coroplast ganz früh dabei gewesen. Es gebe für die Unternehmerin Mekelburger nur eine Blickrichtung, sagte Renkhoff-Mücke: „nach vorn“.
>> Lesen Sie hier das Porträt: Natalie Mekelburger: Die streitbare Stimme des Mittelstands
Der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, hat viel über Führung nachgedacht, als die Zahl seiner Filialen stetig stieg – inzwischen sind es 3945 Märkte in ganz Europa, in denen 72.000 Menschen 13,6 Milliarden Euro erwirtschaften. Seine Erkenntnis: Wer immer nur nach oben schaut, schaut nicht nach vorn.
Wenn man etwas über Führung und Transformation lernen wolle, so sagte Laudator Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes, könne man viele kluge Bücher lesen, Seminare buchen oder Coachings absolvieren – oder sich mit dem Leben des 2022 verstorbenen Götz Werner beschäftigen: „Revolutionär denken, evolutionär handeln“ sei sein Credo gewesen.
Sebastian Matthes (links) und Christoph Werner
Der Laudator und Handelsblatt-Chefredakteur übergibt die Urkunde für die Ehrenmitgliedschaft von dm-Gründer Götz Werner in der Hall of Fame an dessen Sohn Christoph.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
Werner habe nicht nur die Branche und seine Firma transformiert, sondern auch sich selbst als Unternehmer. Das bestätigte auch Christoph Werner, der am Mittwoch stellvertretend für die Familie die Urkunde für die Hall of Fame in Empfang nahm. Sein Vater sei von einer „konstruktiven Unzufriedenheit“ getragen worden. Er sei sich aber auch bewusst gewesen, dass die Umsetzung von Ideen eben seine Zeit, also eine „Evolution“ brauche.
>> Lesen Sie hier das Porträt: Die Erfolgsformel des dm-Gründers Götz Werner
Heute werde es immer wichtiger, dass Unternehmen ihren Zweck in der Gesellschaft authentisch und transparent transportieren, erklärte Alwine Mohnen, Professorin für Unternehmensführung an der TU München, in ihrem Vortrag „Purpose: Larifari oder Gewinnbeitrag?“ am Abend.
Alwine Mohnen
Die Professorin für Unternehmensführung an der Technischen Universität München beantwortete in ihrem Vortrag die Frage, ob Purpose einen Gewinnbeitrag für Unternehmen leisten kann.
Bild: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt
Sie konnte mit ihrer Forschung belegen, dass Mitarbeitende tatsächlich bereit sind, mehr zu arbeiten oder weniger zu verdienen, wenn sie den Zweck des Unternehmens in der Gesellschaft sehen.
dm-Gründer Götz Werner habe, so sagte Laudator Matthes, schon sehr früh erkannt, wie wichtig es ist, die Begeisterung in den Mitarbeitenden zu wecken. Das heiße „dem anderen Anlass geben, über sich hinaus zu wachsen“, habe Werner einmal gesagt.
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