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15.03.2023

22:00

Hall of Fame der Familienunternehmen

Natalie Mekelburger: Die streitbare Stimme des Mittelstands

Von: Bert Fröndhoff

PremiumDie Coroplast-Chefin sticht mit Geschäftserfolg und klarer politischer Haltung heraus. Mehr Markt und weniger Staat fordert sie – und wünscht sich mehr Mitstreiter in der Unternehmerschaft.

Chefin der Wuppertaler Coroplast Group. Coroplast/Felix Gemein [M]

Natalie Mekelburger

Chefin der Wuppertaler Coroplast Group.

Düsseldorf Es gab diesen Schlüsselmoment im Leben der Unternehmerin Natalie Mekelburger, da legte sie die Zeitung beiseite und spürte ein tiefes Grummeln im Bauch. Gerade hatte sie einen Meinungsbeitrag gelesen. Firmen wurden darin als generelle Hauptsünder des Klimawandels gebrandmarkt und Unternehmer aufgefordert, dies finanziell wieder gutzumachen – wenn nötig mit Einnahmen aus Anteilsverkäufen.

Das machte sie erst sprachlos und dann wütend. Wo war die Gegenrede?

Schon länger vermisste die Chefin der Wuppertaler Coroplast Group ein Aufbegehren der Unternehmerinnen und Unternehmer in öffentlichen Debatten. Die 56-Jährige hält diese Zurückhaltung für einen großen Fehler. „Meine Botschaft ist: Unternehmer, seid wachsam und macht euch bemerkbar!“, sagt sie. „Wer, wenn nicht wir? Sonst ist doch klar, dass Politik nur von anderen gestaltet wird.“

Mekelburger macht sich seither noch stärker bemerkbar, zeigt Haltung, bringt sich in Debatten und in die Politik ein. Sei es mit pointierten Beiträgen in Medien, auf Podiumsdiskussionen oder als Gründungsmitglied von R21. Die Münchener Denkfabrik vertritt eine neue bürgerliche Politik auf Basis von Freiheit, Eigenverantwortung, Pluralismus und Sozialer Marktwirtschaft. Vor allem den zweiten Begriff in Soziale Marktwirtschaft will sie verteidigen. Die Idee des Marktes, sagt sie, sei in Deutschland ein wenig verloren gegangen.

Die Coroplast-Chefin wird so als „starke Stimme für den Mittelstand“ wahrgenommen. So beschreibt es Arndt Kirchhoff, Beiratsvorsitzender der Kirchhoff-Gruppe und Präsident der Unternehmer NRW, der mit ihr im Vorstand des Verbands der Automobilindustrie sitzt. Als „vernunftbegabte Marktwirtschafts-Aktivistin“ beschrieb sie einmal Patrick Adenauer, Vizepräsident des Verbands „Die Familienunternehmer“. Trifft es das?

„Marktwirtschaft ist viel zu negativ besetzt“

Natalie Mekelburger zögert einen kurzen Moment mit der Antwort und schaut aus dem Fenster. Von der modern designten Lounge der Coroplast-Zentrale in Wuppertal hat sie einen weiten Blick über das Firmengelände.

Hier hat ihr Großonkel Fritz Müller 1928 die Firma gegründet, die heute Weltmarktführer für technische Klebebänder sowie Kabel- und Kabelsätze ist. Kunden kommen aus Branchen wie Bau und Elektro, vor allem aber aus der Autoindustrie. Seit 2006 leitet Mekelburger das Familienunternehmen in dritter Generation.

Die 56-Jährige leitet das Familienunternehmen seit 2006 in dritter Generation.

Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger

Die 56-Jährige leitet das Familienunternehmen seit 2006 in dritter Generation.

Auf 717 Millionen Euro Umsatz kam Coroplast 2022, gut 15 Prozent mehr als im Vorjahr und ein Drittel mehr als 2019, dem Jahr vor den großen Krisen durch die Pandemie und den Ukrainekrieg. Diese schwierigen Phasen haben fast keine Blessuren im Unternehmen hinterlassen – auch weil alle Gesellschafter an einem Strang zogen.

„Es war schon vor den Krisen der vergangenen Jahre gemeinsames Verständnis der Gesellschafter, dass das Unternehmen ein festes finanzielles Fundament haben muss“, erläutert Mekelburger. „Unsere Eigenfinanzierung ist hoch, weil wir bei Entnahmen zurückhaltend sind und dem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen.“

Pionierarbeit bei der internationalen Expansion

Drei Dinge machen für sie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung aus: sensibles Risikomanagement, eine reaktionsschnelle und anpassungsfähige Organisation und eine starke Arbeitgebermarke.

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In der Praxis bedeute das: Keines der Engagements von Coroplast darf ein so großes Risiko darstellen, dass es die ganze Gruppe gefährden könnte. „Wir schrecken aber nicht vor allem zurück, im Gegenteil: Kein Unternehmer kann erfolgreich sein, ohne Risiken einzugehen“, sagt Mekelburger.

Das hat sie bewiesen. Lange Zeit sah es gar nicht danach aus, dass sie die Nachfolge ihres Vaters Kurt Müller antritt. Mekelburger studierte BWL in Augsburg und startete ihre Karriere 1992 bei der Düsseldorfer Beratungsgesellschaft Droege. Doch 1994 wagte sie im Alter von 28 Jahren den Schritt ins Management des Familienunternehmens und wurde Marketing- und Vertriebschefin. Drei Jahre später kam sie in die Geschäftsführung und übernahm 2006 dort den Vorsitz von ihrem Vater.

Die Firma ist Spezialist für technische Klebebänder, Kabelsätze und Leitungs-Systeme.

Coroplast-Zentrale in Wuppertal

Die Firma ist Spezialist für technische Klebebänder, Kabelsätze und Leitungs-Systeme.

Bei der internationalen Expansion war Mekelburger von Beginn an dabei und leistete Pionierarbeit. Zusammen mit ihrem Vater trieb sie das Exportgeschäft voran und wagte erste Schritte zur Fertigung im Ausland. Als Chefin baute sie dann das globale Produktions- und Verkaufsnetz auf, das Coroplast groß gemacht hat. Die Firma ist mit den Kunden aus der Automobilindustrie wie VW und Mercedes in die Welt hinausgezogen und fertigt heute in Deutschland, Polen, China, Tunesien, den USA und Mexiko.

Die Zeitenwende in der Geopolitik ist ihr bewusst. Die Risiken in China habe die Firma im Blick und prüfe derzeit, das Engagement in Nordamerika auszubauen. „Wir verteilen unsere Risiken auf die Kontinente und investieren im Übrigen auch in Deutschland“, sagt sie.

Profiteurin der E-Mobilität

Coroplast kann nicht nur auf die globale Stärke bauen. Die Firma ist einer der großen Profiteure der Elektromobilität - auch Tesla wird mit Hochvoltkabeln beliefert, wie die FH Dortmund in einer Untersuchung herausfand. Im Unterschied zu anderen Autozulieferern muss das Unternehmen nicht die komplette Produktbasis umstellen. Der Bedarf an innovativen Kabelsystemen und Leitungssätzen werden in E-Autos noch zunehmen.

Dennoch blickt Mekelburger mit Skepsis auf das politisch gesteuerte Hochfahren der gesamten E-Mobilität in Deutschland. „Es werden per staatlichem Eingriff Milliarden umgelenkt – mit dem Ergebnis, dass wir auf eine massive Verknappung von Ressourcen und gefährliche neue Abhängigkeiten von Rohstofflieferanten zusteuern“, kritisiert sie. „Gar nicht zu schweigen von dem schwachen Ausbau der Ladeinfrastruktur, der das Hochfahren bremst.“

Die Unternehmerin wünscht sich in der Klimapolitik insgesamt, mehr den Märkten und deren Lösungsfähigkeiten zu vertrauen. „Es ist immer wieder nur der Wille erkennbar, die Probleme mit Eingriffen und Verboten zu lösen. Das ist Wahnsinn“, sagt sie.

Der Vater von Natalie Mekelburger zögerte zunächst, die Tochter ins Management von Coroplast zu holen.

Unternehmer Kurt Müller

Der Vater von Natalie Mekelburger zögerte zunächst, die Tochter ins Management von Coroplast zu holen.

Freiraum und Eigenverantwortung sind für sie auch Leitlinien im eigenen Unternehmen. Dort will die 56-Jährige eine „freie Denk- und Schaffenskultur“ garantieren, damit die 7500 Mitarbeitenden denken und handeln wie Unternehmer. So wie Thomas Zakrzowski, der die globale Produktion in der Klebebandsparte leitet.

„Corozen“ nennt Zakrzowski das selbst geschneiderte Fertigungsprinzip, angelehnt an die japanische Produktionsphilosophie der ständigen Verbesserung. In der hochautomatisierten Fertigung in Wuppertal zeigt sich, wie stark Coroplast auf eigene Ideen und Wertschöpfung setzt. Die Klebstoffe werden nach einem Geheimrezept bedarfsgenau abgemischt, auch anderes Material wird in hauseigenen Abteilungen selbst entwickelt und aufbereitet.

Zündende Idee auf einer Serviette

Als Coroplast eine neue Hybridmaschine plante, die gleich zwei verschiedene Klebstoff-Verfahren integriert anwenden kann, kam die Lösung dafür nicht von externen Ingenieuren. Zakrzowski selbst gab den Anstoß dazu, wie die komplexe Herausforderung technisch umsetzbar wäre. Die Idee kam ihm im Urlaub in Südeuropa, wo er die Konstruktionsidee auf eine Serviette zeichnete.

Bei derartigem Engagement in der Belegschaft ist Mekelburger um die Zukunft nicht bange. 2028 wird Coroplast 100 Jahre alt, spätestens dann will das Unternehmen die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro knacken, und dies nahezu ausschließlich mit organischem Wachstum. Wenn sie sich um etwas sorgt, dann um die externen Faktoren wie die Attraktivität des Standorts Deutschland.

Etwa mit Blick auf den Fachkräftemangel. Coroplast unterstützt die Junior Uni Wuppertal mit Kursen in Naturwissenschaften und Technik und gehört zu den Förderern des „Deustchlandstipendiums“ für talentierte Studierende. Mekelburger selbst sitzt im Beirat der Initiative StartupTeens, die das unternehmerische Denken bei Jungen und Mädchen fördert.

Die Chefin will ein eine "freie Denk- und Schaffenkultur" im Unternehmen.

Modern designte Kantine von Coroplast in Wuppertal

Die Chefin will ein eine "freie Denk- und Schaffenkultur" im Unternehmen.

„Ich stehe dafür, dass Coroplast eigenständig bleibt“, sagt sie. „Es steckt tief in unseren Genen, unabhängig zu sein und uns nicht irgendwann übernehmen zu lassen.“ Aber dafür brauche ein Unternehmen beste Standortbedingungen. Nur dann sei die Weiterführung auch für die nächste Generation attraktiv.

Ihre beiden Töchter stehen erst am Anfang ihres Berufslebens. Mekelburger will keine von beiden dazu drängen, ins Management des Familienunternehmens einzusteigen. Sie hat es selbst damals als genau richtig empfunden, zunächst einen eigenen Weg gehen zu können.

Töchter sollen mündige Gesellschafter werden

Ihr Vater habe sie erst mal beobachtet, glaubt sie heute, dann aber „ganz sanft und familiär“ nahegelegt, dass er Unterstützung im Unternehmen braucht. Seine Zurückhaltung kann sie gut verstehen. „In der Generation meines Vaters konnte sich ja noch niemand vorstellen, dass eine Frau ein Unternehmen führt und sich auch noch um Familie und Kinder kümmert.“

Auf jeden Fall aber sollen ihre Töchter mündige und verantwortungsvolle Gesellschafter werden, die das Geschehen richtig bewerten können. Mekelburger ist überzeugt, dass für den Erfolg von Familienunternehmen vor allem eines zählt: „Die Gesellschafter müssen total auf das Unternehmen eingeschworen sein.“

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