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04.02.2023

15:00

Interview mit Jobst Müller-Trimbusch und Hagen Wingertszahn

Nachfolger des McFit-Gründers Schaller: „Können Rainer nicht ersetzen“

Von: Michael Scheppe

Die Manager sprechen nach dem Flugzeugabsturz des Gründers über den Neuanfang der Firma, ihre strategischen Anpassungen und die Zukunft der Branche.

Die beiden Manager leiten nun das Fitnessunternehmen RSG-Group. RSG-Group

Jobst Müller-Trimbusch (l.), Hagen Wingertszahn

Die beiden Manager leiten nun das Fitnessunternehmen RSG-Group.

Düsseldorf Der Unternehmer Rainer Schaller hat McFit zur größten Fitnesskette Deutschlands gemacht. Im Oktober vergangenen Jahres ist er bei dem Absturz seines Privatflugzeugs ums Leben gekommen.

Nun leiten Jobst Müller-Trimbusch und Hagen Wingertszahn das Unternehmen mit dem Namen RSG-Group, was für Rainer Schaller Global steht. In den rund 1000 Studios der Gruppe trainieren weltweit 6,4 Millionen Menschen.

Die Manager sprechen mit dem Handelsblatt erstmals öffentlich darüber, wie es nach dem Tod des Gründers weitergeht. Sie wollen stärker auf das Einstiegssegment setzen und neue McFit-Studios eröffnen.

In den vergangenen Jahren hatte Schaller den Ausbau der Premiummarken wie John Reed vorangetrieben. „Das reine Zahlenwerk spricht dafür, dass sich mit Fitness mehr Geld im Discountbereich verdienen lässt“, sagt Müller-Trimbusch.

Die Branche leidet noch unter den Folgen der Pandemie, 2021 machte die Gruppe nach eigenen Angaben 47,7 Millionen Euro Verlust. „Wenn wir Ende des Jahres an den Punkt kommen, an dem wir vor Covid waren, dann hätten wir einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht“, sagt Wingertszahn.

Lesen Sie hier das komplette Interview mit den neuen McFit-Managern:

Herr Müller-Trimbusch, Herr Wingertszahn, Sie waren nicht nur Teil der Unternehmensführung, sondern auch mit Rainer Schaller befreundet. Wie geht es Ihnen drei Monate nach dem Unglück?
Müller-Trimbusch: Den Umständen entsprechend. Das war ein Schlag für uns, der über das berufliche weit hinausgeht.

Wingertszahn: Wir haben in den ersten Tagen nach dieser Tragödie irgendwie funktioniert, weil wir viele Dinge zu klären hatten.

Müller-Trimbusch: Unser Tagesrhythmus hat sich spürbar geändert. Rainer war 24/7 erreichbar und wir sind auch am Wochenende oder abends spontan in den Gedankenaustausch gegangen.

Kennen Sie inzwischen die Hintergründe, warum das Kleinflugzeug im Oktober an der Küste vor Costa Rica abgestürzt ist?
Müller-Trimbusch: Das werden wir wohl nie erfahren, weil es bei kleinen Fliegern keine Flugschreiber gibt. Es gibt keine Belege für einen Pilotenfehler oder für einen technischen Defekt. Das Wetter war nicht ganz einfach, aber das ist in der Luftfahrt in der Regel kein alleiniger Grund für einen Absturz.

Der Unternehmer ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. FRIEDEMANN VOGEL/EPA-EFE/Shutterstock

Rainer Schaller im Jahr 2020

Der Unternehmer ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Schaller hatte die Firma seit der Gründung 1997 geführt. Was bedeutet es für die RSG-Group, wenn der Chef von heute auf morgen verschwindet?
Müller-Trimbusch: Das Unternehmen war von Rainer geprägt und die Errungenschaften mit seinem Gesicht verbunden. Es ist aber nicht so, dass die RSG-Group nach seinem Verschwinden keine Existenzberichtigung mehr hätte. Uns ist natürlich klar: Wir können Rainer nicht ersetzen – gerade was die Geschwindigkeit seiner visionären Strahlkraft angeht. Aber wir können das Unternehmerische fortführen und uns von seinen Visionen inspirieren lassen.

Wingertszahn: Uns hilft, dass Rainer in den vergangenen Jahren viele neue Mitarbeiter für die oberen Führungsebenen an Bord geholt und so das Firmenwissen breiter aufgestellt hat. Dennoch war das Unternehmen inhaltlich und von der Struktur extrem auf Rainer zugeschnitten. Eine Aufgabe von uns wird sein, die Strukturen zu reorganisieren. Wir wollen mittelfristig auch die Geschäftsführung vergrößern.

Wie ist das Befinden innerhalb der Belegschaft?
Müller-Trimbusch: Als ich Rainers Tod verkünden musste, habe ich in 100 weinende Gesichter geschaut. Viele haben sich mittlerweile wieder gefangen. Es geht nun darum, Zuversicht auszustrahlen und den Mitarbeitern die Sicherheit zu geben, dass das Unternehmen auch nach Rainers Tod nicht führungslos ist. Uns bestärkt, dass die Belegschaft unsere ersten strategischen Entscheidungen mitträgt.

Welche Entscheidungen sind das?
Müller-Trimbusch: Wir wollen uns wieder mehr auf das Kerngeschäft und die Profitabilität fokussieren.

Vitae

Das Unternehmen

Die RSG-Group ist mit einem Marktanteil von elf Prozent hierzulande der führende Anbieter von Fitnessstudios. 6,4 Millionen Menschen trainieren in den weltweit rund 1000 Studios. Das Unternehmen wurde 1997 von Rainer Schaller gegründet. Er hat das Prinzip der Fitnessketten etabliert, und das zum Discount-Preis. Zu der Gruppe gehören 22 Marken wie McFit, John Reed oder Gold’s Gym, aber auch ein Mode-Label oder eine Marke für Nahrungsergänzungsmittel. Schaller starb am 21. Oktober 2022, weil sein Privatflugzeug vor der Küste Costa Ricas aus ungeklärter Ursache vom Radar verschwand.

Die Manager

Jobst Müller-Trimbusch ist seit 2020 Finanzchef der RSG-Group. Er arbeitete zuvor in unterschiedlichen Funktionen bei der ICF-Bank, Goldman Sachs, der Deutschen Börse oder bei Bertelsmann. Er studierte an der European Business School und promovierte auf dem Gebiet der Kapitalmarktwissenschaft.

Hagen Wingertszahn arbeitet seit 2016 für die Gruppe. Er ist Geschäftsleiter Deutschland und damit für den wichtigsten Markt zuständig. Zuvor war er knapp fünf Jahre als COO bei dem McFit-Konkurrenten „Fitness First“ für die Steuerung des operativen Geschäfts verantwortlich. Beide Manager sind seit dem 12. Dezember 2022 zusätzlich zu ihren bisherigen Funktionen Co-Geschäftsführer der RSG-Group.

Ihr Kerngeschäft ist die Marke McFit mit 166 Studios in Deutschland. Was wollen Sie verändern?
Wingertszahn: Die Marke wurde in den vergangenen Jahren vielleicht zu stiefmütterlich behandelt. Wir wollen sie wieder mehr in den Fokus rücken und neue McFit-Studios in unseren Kernmärkten Deutschland, Österreich und Italien eröffnen. In einigen deutschen Städten wie zum Beispiel Karlsruhe oder Heidelberg sind wir noch gar nicht vertreten. Diese Lücken wollen wir schließen. Wir planen auch bestehende McFit-Studios zu modernisieren.

„Der Fitnessmarkt wächst nur noch homöopathisch“

Schaller war derjenige, der mit McFit das Discountprinzip für Fitness etabliert hat. Zuletzt versuchte er mit Marken wie John Reed in höherpreisige Segmente vorzudringen. Drehen Sie das nun zurück?
Müller-Trimbusch: Der Fitnessmarkt wächst nur noch homöopathisch und ist eher ein Verteilungskampf zwischen bestehenden Angeboten. Das reine Zahlenwerk spricht dafür, dass sich mit Fitness mehr Geld im Discountbereich verdienen lässt. Mit McFit können wir einfach eine viel größere Anzahl an Mitgliedschaften erreichen. Dennoch sehen wir es nach wie vor als ein spannendes Feld an, unsere Zielgruppen zu erweitern und das Premiumsegment nicht außer Acht zu lassen.

Klingt so, als ob Sie Schallers Strategie nachjustieren würden.
Wingertszahn: Am Ende kommt es auf den richtigen Mix an. Wir haben den strategischen Vorteil, von Discount bis Premium alle Fitnesssegmente zu bedienen. In ausgewählten Städten wie in Düsseldorf oder im ersten Bezirk in Wien macht es Sinn, Studios unter der Marke John Reed anzubieten. In den meisten anderen Regionen sind Kunden aber nicht bereit, spürbar höhere Beitrage als 25 Euro pro Monat für eine Mitgliedschaft auszugeben. Das müssen wir akzeptieren.

Grafik

Die RSG-Group hat insgesamt 22 Marken – dazu gehört auch ein Mode-Label oder das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln. Stellen Sie das auf den Prüfstand?
Müller-Trimbusch: Wenn wir von Fokussierung sprechen, wollen wir auch das ein oder andere in Frage stellen. Rainer hatte etwa bei seinem Modelabel einen Plan, den wir beide nicht mit Leben füllen können.

Wingertszahn: Rainer war ein Hedonist. Er hat auch unternehmerische Dinge gemacht, die ihm Spaß gemacht haben – das war sein gutes Recht als Alleineigentümer.

Die Nebengeschäfte waren also nicht profitabel.
Müller-Trimbusch: Bei Nahrungsergänzungsmitteln muss man schon viel falsch machen, damit das nicht funktioniert. Das ist auch eine sinnvolle Erweiterung unserer Wertschöpfungskette. Das Modelabel ist keine logische Ergänzung zu unserem Kerngeschäft. Und ja, es ist nicht an dem Punkt, an dem sich die Investitionen auszahlen würden.

„Die Pandemie hat die Branche nachhaltig durchgerüttelt“

Die Pandemie war eine schwierige Zeit für die Fitnessbranche, weil die Studios dicht waren. Wie lief 2022, das erste Jahr ohne größere Einschränkungen?
Wingertszahn: Grundsätzlich sind wir zufrieden. Doch die Pandemie hat die Branche nachhaltig durchgerüttelt. Wir haben dadurch einen Teil unserer Mitglieder verloren. Die meisten sind zwar zurückgekommen, aber unter anderen Bedingungen: Vor Covid waren Jahresverträge die Regel. Jetzt wollen Kunden flexible Mitgliedschaften mit monatlichen Kündigungsfristen. Das ist für uns mit mehr Unsicherheiten verbunden.

Experten haben während der Pandemie das Ende vieler Fitnessstudios prognostiziert. Trainieren viele Menschen nicht dauerhaft am heimischen Stepper?
Müller-Trimbusch: Diese Prognosen waren Blödsinn. Dass Hanteln während Corona ausverkauft waren, war ein temporäres Phänomen, weil die Menschen keine Alternative hatten. Der Großteil unserer Kunden hat aber nicht noch 80 Quadratmeter zu Hause übrig, auf denen sie einen Crosstrainer und einen Gerätepark aufstellen können. Es mag Menschen geben, denen ein paar Hanteln ausreichen – aber das sind nicht die typischen Fitnessstudio-Gänger.

Der Januar ist wegen der guten Vorsätze traditionell Ihr stärkster Monat. Haben die Menschen trotz der Mehrkosten für Lebensmittel und Energie noch Geld für Sport übrig?
Wingertszahn: Der Januar lief sogar noch besser als die Jahresanfänge in der Zeit vor Corona. Natürlich merken wir in einigen Regionen und bei einzelnen Kunden, dass es eine gewisse Preissensitivität gibt, aber das ist nicht die Regel.

„Heute ist das Geschäft härter“

Auch Sie sind teurer geworden. Vergangenes Jahr haben Sie die Standardmitgliedschaft bei McFit von 19,90 Euro auf 24,90 Euro erhöht, also um 25 Prozent. Haben Sie die Inflation ausgenutzt?
Müller-Trimbusch: Nein, da sind Nachholeffekte einkalkuliert. Rein wirtschaftlich wäre eine Erhöhung schon vor Jahren angezeigt gewesen. Doch wir wollten den für viele Kunden wichtigen Schwellenwert von 20 Euro nicht übersteigen. Als wir damals der Pionier der Branche waren, haben wir leicht Geld verdient. Heute ist das Geschäft härter: Wenn der Konkurrent um die Ecke zwei Euro günstiger ist, macht das einen Unterschied.

Was sind Ihre großen Kostentreiber?
Müller-Trimbusch: Miete und Personal stehen jeweils für ein Drittel der Ausgaben. Wegen der allgemeinen Preissteigerungen gehen die Mieten nach oben, auch von den steigenden Energiekosten sind wir betroffen. Der Mindestlohn hat das Übrige getan.

Das Unternehmen hat die Preise für die Standardmitgliedschaft zuletzt auf 24,90 Euro erhöht. IMAGO/Future Image

McFit-Werbeplakat

Das Unternehmen hat die Preise für die Standardmitgliedschaft zuletzt auf 24,90 Euro erhöht.

Was erwarten Sie vor diesem Hintergrund für das laufende Jahr?
Wingertszahn: 2023 wird noch herausfordernd. Wenn wir Ende des Jahres an den Punkt kommen, an dem wir vor Covid waren, dann hätten wir einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Dann läge der konzernweite Jahresüberschuss der RSG-Group wieder bei rund 26 Millionen Euro. Dessen Alleininhaber war bis zu seinem Tod Schaller. Wem gehört das Unternehmen jetzt?
Müller-Trimbusch: Es bleibt vollständig in Familienbesitz. Rainers Erben sind nun die Inhaber. Dass wir ein Familienunternehmen sind, macht auch einen großen Unterschied.

„Bei uns hat niemand auf Rainers Job gelauert“

Inwiefern?
Müller-Trimbusch: In einer Aktiengesellschaft stehen vier, fünf andere Manager bereit, wenn jemand abtritt. Bei uns hat niemand auf Rainers Job gelauert. Weder bei mir noch bei Hagen war es Teil der Karriereplanung, Chef der RSG-Group zu werden.

Klingt eher danach, dass Schaller keine langfristige Nachfolgeplanung gemacht hat.
Müller-Trimbusch: Rainer war 54 und stand voll im Saft. Es war für ihn noch nicht an der Zeit, eine Nachfolge einzuleiten. Hinterher kann man sagen, dass er damit offenbar nicht früh genug war. Aber wer kann schon mit so einem Unglück rechnen? Operativ waren wir sofort handlungsfähig, weil Rainer alles gut aufgestellt hatte.

Wir haben viel über Fitness geredet. Wie oft machen Sie Sport?
Wingertszahn: Ich nehme mir vor, jede Woche zwei Trainingseinheiten zu machen. Vergangenes Jahr habe ich das geschafft. Ich trainiere bei John Reed in Berlin und spiele ab und an Tennis.

Müller-Trimbusch: Bevor ich zur RSG-Group gekommen bin, war ich jeden Tag im Studio. Seither fehlt mir die Zeit – und ich mache täglich zu Hause Sport.

Herr Müller-Trimbusch, Herr Wingertszahn, vielen Dank für das Gespräch.

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