Geschlossene Bars und Cafés drücken auf die Bilanz von Illy. Mut macht CEO Pogliani die Digitalisierung: 2021 soll das Geschäftsmodell noch hybrider werden.
Illy Tasse
Sobald die Corona-Notlage vorüber ist, will Illy wieder neue Geschäfte eröffnen – auch in Deutschland.
Bild: Reuters
Rom Eine Leidenschaft für Kaffee hatte Massimiliano Pogliani schon als Student in Mailand: Damals besuchte er sogar einen Kurs für Kaffee-Sommeliers, noch heute kann der Illy-Chef wie ein Barista Herzen auf den Milchschaum zaubern.
Ebenjene Barista waren es aber auch, die dem 55-Jährigen zuletzt große Sorgen machten: Seit mehr als einem Jahr sind auf der ganzen Welt immer wieder Restaurants und Bars geschlossen, Kreuzfahrtschiffe kaum unterwegs, weniger Menschen steigen in Züge oder Flugzeuge. Überall dort schlürfen die Menschen aber genau das schwarze Koffeinelixier, für das die Familiendynastie aus dem Nordosten Italiens berühmt ist.
In Vor-Corona-Zeiten wurden jeden Tag rund acht Millionen Illy-Espressi in Restaurants, Bars und Cafés ausgeschenkt. Mehr als 60 Prozent des Umsatzes machte das Unternehmen im Außer-Haus-Geschäft.
Die Auswirkungen der Pandemie hätten die 1933 gegründete Firma mit ihren rund 1.400 Mitarbeitern also äußert hart treffen können. Der Umsatz ist 2020 auch gesunken – aber nur um 14 Prozent auf 446,5 Millionen Euro, wie das Handelsblatt vorab erfahren hat. Trotz aller Widrigkeiten fuhr Illycaffè einen Nettogewinn von fünf Millionen Euro ein.
Neben den Verkäufen in Supermärkten und bei Handelsketten (plus 30 Prozent) legte vor allem das Onlinegeschäft zu: Um 39 Prozent sind die Verkäufe im E-Commerce gestiegen, die Hälfte waren Neukunden. „Glücklicherweise haben wir das Onlinegeschäft schon 2018 zum Omni-Channel weiterentwickelt“, erklärt Pogliani. Und dabei soll es nicht bleiben.
Der gebürtige Mailänder, der vor fünf Jahren als erster familienfremder Manager die Geschäfte übernahm, setzt auch in diesem Jahr voll auf Digitalisierung. Für ihn ist sie nicht nur ein Verkaufskanal, der zuletzt fast 70 Millionen Euro umgesetzt hat, sondern ein Weg, „um das ganze Unternehmen zu transformieren“.
Schon länger gibt es ein digitales Kaffee-Abo, bei dem die rotsilbernen Metalldosen mit Pulver, Bohnen oder Kapseln in regelmäßigen Abständen nach Hause geschickt werden. Aber schon Ende Mai will Pogliani ein komplett neues Kundenprogramm präsentieren. Die Illy-App soll zum Dreh- und Angelpunkt werden.
„Dort ist das Treueprogramm integriert, es gibt Promotion-Aktionen, man kann direkt einkaufen“, sagt Pogliani. Über die App lassen sich auch Verkaufsstellen in der Nähe ansehen, dazu Bars und Cafés, die den Kaffee aus Triest führen.
Dass es bei dem Programm durchaus Überschneidungen mit der Konkurrenz von Nespresso gibt, ist kein Zufall: Nach seinem Wirtschaftsstudium, Stationen beim Heizungshersteller Vaillant und als Marketingchef beim Kaffeemaschinen-Hersteller Saeco wechselte Pogliani 2003 zum Nestlé-Konzern in die Schweiz. Dort verantwortete er das Wachstum der weltweiten Nespresso-Boutiquen und das Kundenprogramm Nespresso Club.
Nach einem Abstecher als CEO zum mittlerweile insolventen britischen Luxus-Handyhersteller Vertu kam Pogliani 2016 zurück nach Italien. Kurz nachdem er den Chefposten von Andrea Illy übernommen hatte, der als Sprössling der dritten Generation seit 1994 die Firma führte und heute Verwaltungsratschef ist, kündigte er an, den Umsatz bis 2027 verdoppeln zu wollen – damals lag er bei rund 450 Millionen Euro.
„Die Herausforderung, ein Familienunternehmen zu transformieren, hält einen schon immer mal wieder nachts wach“, gibt Pogliani zu. Besonders wenn man der Erste sei , der nicht Illy heiße. Trotzdem: Sein Wachstumsplan steht: „Wir werden 2021 wieder auf das Niveau von 2019 zurückkommen können.“
Illy-Chef Massimiliano Pogliani
Vor fünf Jahren übernahm der Mailänder die Kaffeedynastie als erster familienfremder CEO von Andrea Illy.
Bild: Illy
Die Pandemie habe nichts an den Gewohnheiten geändert. „Die Leute freuen sich schon darauf, wieder in Bars und Restaurants gehen zu können und zu verreisen.“ Sobald das Außer-Haus-Geschäft voll zurückkehre und sich der E-Commerce weiter so gut entwickele, prophezeit Pogliani „in der Zukunft ein viel stärkeres Wachstum“.
Es ist genau diese Mischung aus beiden Welten, die die Nahrungsmittelindustrie auf Kurs hält. „Hybride Modelle, die Online- und Offlinekanäle kombinieren, werden immer relevanter werden“, glaubt die E-Commerce-Expertin Maria Giuffrida von der Mailänder Universität Polimi.
„Es gibt viele Länder, wie etwa China, wo diese Modelle schon seit Jahren Realität sind.“ In den kommenden Jahren werde man diese Entwicklung auch in Italien und Europa sehen. Insgesamt war das Onlinegeschäft in Italien laut Giuffrida 2020 der größte Wachstumstreiber im Nahrungsmittelsektor.
Gleichwohl hat Illy zuletzt die physische Präsenz zusammengeschrumpft: 44 Läden wurden geschlossen. Heute zählt die Firma 186 Cafés und 39 Shops in rund 40 Ländern, der Großteil davon wird im Franchise betrieben. Teilweise hätten sich die Läden nicht mehr gelohnt, teilweise entsprachen die Standorte „nicht mehr unserem Image“, wie Pogliani erklärt.
Sobald die Corona-Notlage vorüber ist, will er wieder neue Geschäfte eröffnen – auch in Deutschland. „Ich sehe hier ein großes Entwicklungspotenzial“, sagt Pogliani. Der wichtigste Markt ist zwar weiterhin Italien, danach kommen die USA. Aber um den dritten Platz streiten sich seit Jahren Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
Im Heimatmarkt liegt Illy auf Platz drei der Kaffeeproduzenten. Lavazza aus Turin, ebenfalls familiengeführt, und die italienische Nestlé-Tochter kamen 2019 beide auf einen Umsatz von rund 2,2 Milliarden Euro. In Deutschland ist der Markt mit Jacobs, Tchibo und Dallmayr noch umkämpfter.
Frisches Kapital fürs Wachstum holte sich die Illy-Familie, die unter ihrer Holding etwa auch Schokolade und Tee vertreibt, erst im Februar in ihre Kaffeetochter: Mit 20 Prozent stieg die New Yorker Private-Equity-Firma Rhône Group ein.
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