Das Unternehmen konkurriert mit Autobauern um die begehrten Halbleiter. Klaus Geißdörfer fordert von der mit Steuergeldern geförderten Chipindustrie bevorzugte Belieferung.
Produktion bei EBM Papst
EBM-Ventilatoren sind in Autos, Wärmepumpen, Beatmungsgeräten, Computern, Heizungen, Klimaanlagen oder auch Kühlschränken verbaut.
Bild: EBM Papst
Stuttgart Klaus Geißdörfer ist erst seit 200 Tagen Chef bei EBM Papst. Die „Omni-Krise“, wie er es ausdrückt, mit Coronapandemie, Lieferengpässen, Kostenexplosion und Ukrainekrieg hat die ersten Monate seiner Amtszeit bei dem zur Weltspitze gehörenden Ventilatorenhersteller geprägt.
Klar ist nach wenigen Minuten seiner ersten Bilanzpressekonferenz als Firmenchef: Geißdörfer nimmt kein Blatt vor den Mund. Besonders wurmt ihn aktuell das Verhalten deutscher Chiphersteller. „Es gibt durchaus deutsche Halbleiterlieferanten, die weiterhin sehr viel ins Ausland exportieren, und wir als deutsche Kunden fühlen uns dann etwas ungut“, sagte der 48-Jährige am Donnerstag.
Den EBM-Papst-Chef ärgert, dass die Chiphersteller Steuergelder bekämen, um ihre Produktionen in Deutschland aufzubauen. „Auf der anderen Seite wird die deutsche Industrie genauso behandelt wie ein ausländischer Kunde“, sagte er. Eine Forderung schiebt Geißdörfer gleich hinterher: „Ich glaube, man muss das überdenken, ob das dauerhaft in Deutschland so bleiben kann.“
Namen nannte der Manager nicht. Aber Deutschlands größter Chiphersteller ist der Dax-Konzern Infineon, auch Bosch hat dreistellige Millionenbeträge für sein neues Halbleiterwerk in Dresden bekommen.
Geißdörfers Antrittsschelte ist ein Klagen noch auf hohem Niveau. Denn das Unternehmen aus Mulfingen in der Hohenlohe hat mit einer Umsatzsteigerung um knapp zehn Prozent auf 2,3 Milliarden Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr einen neuen Umsatzrekord hingelegt.
Klaus Geißdörfer
Der promovierte Ingenieur soll wieder Kontinuität in die Führung von EBM bringen.
Bild: EBM Papst
Ein Plus von 13,1 Prozent im Geschäftsbereich Heiztechnik und Hausgeräte (448,7 Millionen Euro) sowie ein Zuwachs von 10,5 Prozent im Segment Industrielle Lufttechnik (1,5 Milliarden Euro) zeigen nach Geißdörfers Einschätzung, wie stark die Anforderungen der Energiewende und der in Deutschland vermehrt geförderte Einsatz von erneuerbaren Energien das Wachstum von EBM beflügeln. „Hier erwartet uns ein gigantisches Marktwachstum“, sagte der Manager.
Ohne die Lieferengpässe hätte man noch viel mehr am Markt absetzen können, als man aktuell produziere, erklärte Geißdörfer. Zudem seien die Margen durch steigende Logistikkosten und Materialpreiserhöhungen massiv unter Druck geraten. „Wir konnten das nicht unmittelbar an unsere Kunden weitergeben“, schränkt der neue Chef ein. Das Geschäftsergebnis der Gruppe sei aber dennoch deutlich im schwarzen Bereich.
Zwar konnte der Ventilatorenspezialist die Konditionen inzwischen mit zeitlichem Verzug nachbessern. Aber schon droht weiteres Unheil: „Wir sind in den ersten beiden Monaten des Geschäftsjahres gut gestartet, aber wir erwarten die nächsten drei Monate wieder massive Lieferunterbrechungen für elektronische Bauteile“, sagte Geißdörfer.
Die Krise bei elektronischen Bauteilen werde sich noch mindestens das ganze Jahr hinziehen. Es könne wieder zu Produktionsunterbrechungen kommen. Das Ziel erneut zweistellig zu wachsen sei dadurch gefährdet. Eine konkrete Prognose wollte Geißdörfer wegen der unsicheren Situation der Weltkonjunktur deshalb nicht geben.
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Coronabedingte Lockdowns wie in Schanghai könnten EBM jederzeit wieder treffen. Mit dem Neu- und Ausbau der Werke in China und den USA will Geißdörfer nach dem Konzept Produktion vor Ort „local for local“ die Georisiken möglichst klein halten.
EBM verbaut ähnliche elektronische Bauteile in seinen Lüftern wie die Autoindustrie bei ihren Elektrofahrzeugen. „Wir kämpfen da wirklich gegen die großen Spieler auf der Welt bei der Verteilung dieser Produkte.“ EBM-Ventilatoren sind in den unterschiedlichsten Dingen verbaut: neben Autos auch in Wärmepumpen, Beatmungsgeräten, Computern, Heizungen, Klimaanlagen oder auch Kühlschränken.
Auf den Ukrainekrieg hat EBM Papst jetzt konsequent reagiert. Die Geschäftseinheiten in Russland mit 50 Beschäftigten hat Geißdörfer an das dortige Management verkauft. Der russische Markt machte allerdings nach Unternehmensangaben nicht mehr als ein bis zwei Prozent des Umsatzes aus.
Geißdörfer folgte vor wenigen Monaten auf dem Chefsessel des Familienunternehmens auf Interimschef Thomas Wagner. Dieser war eingesprungen, als CEO Stefan Brandl im vergangenen Juli zum Autozulieferer Dräxlmaier wechselte. Der promovierte Ingenieur soll jetzt längerfristig wieder Kontinuität in die Führung von EBM bringen. Geißdörfer studierte an der Universität Erlangen-Nürnberg Chemieingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Verfahrenstechnik und promovierte an der EBS zum Thema „Total Cost of Ownership“.
Er bringt viel Erfahrung mit und dürfte für ordentlich Bewegung in der schwäbischen Provinz sorgen. Sein Werdegang lässt durchaus erahnen, dass er gewohnt ist, auch in größeren Dimensionen zu denken.
Nach ersten beruflichen Stationen unter anderen bei Siemens begann Geißdörfer 2002 als Assistent des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Schaeffler-Gruppe. Das war damals mit Jürgen Geißinger der forsche Manager, der Schaeffler später nach dem Dax-Konzern Continental greifen ließ und aus einem fränkischen Provinzunternehmen einen Weltkonzern formte.
13 Jahre war Geißdörfer in verschiedenen Funktionen bei Schaeffler. Im Jahr 2016 wechselte er zu ZF Friedrichshafen und führte dort die Industrietechnik. Auch bei ZF erlebte er den Aufstieg eines eher behäbigen Stiftungskonzerns durch Übernahmen zum zweitgrößten Autozulieferer in Deutschland aus nächster Nähe.
Seit 2021 war er Geschäftsführer bei One Logic, einem führenden Unternehmen für Data Science und Künstliche Intelligenz, wo er zuletzt die Series-B-Finanzierungsrunde abschloss und weiterhin im Beirat tätig ist.
Ganz so spektakulär dürfte es in Mulfingen allerdings nicht gleich zugehen. Geißdörfer deutete bei seinem ersten Auftritt aber an, dass er das Unternehmen strategisch weiter auf Digitalisierung und Vernetzung ausrichten will. Der Manager arbeitet mit einer kleinen Mannschaft an der Strategie für die kommenden Jahre.
Demnächst will er mehr dazu sagen, wie der Plan bis zum Jahr 2030 aussehen soll. Vor allem Daten sollen aufbereitet mit Künstlicher Intelligenz im Unternehmen besser genutzt werden, um das Verhalten von Kunden besser vorherzusagen.
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