Lieferengpässe und hohe Energiekosten setzen derzeit vielen Mittelständlern zu. Wie Unternehmen auf die Folgen des Ukraine-Kriegs reagieren können.
Giesserei Siempelkamp
Die höheren Energiepreise werden an die Kunden weitergegeben.
Bild: Siempelkamp Giesserei
Aachen Der Krieg in der Ukraine hat die Stromkosten für Verbraucher und Unternehmen drastisch in die Höhe getrieben. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Strompreise annähernd verdreifacht. Die IHK Koblenz hat in einer im März veröffentlichten Studie ein Beispiel durchgerechnet. Demzufolge hat ein mittleres Unternehmen der Glasindustrie im Jahr 2015 im Schnitt 100.000 Euro monatlich für seine Energieversorgung bezahlt. Aktuell ist dafür im Schnitt das Fünf- bis Sechsfache fällig.
Von diesem Preissprung sind vor allem energieintensive Industriebranchen betroffen. Ein Beispiel dafür ist die Siempelkamp Giesserei in Krefeld, die sich auf die Herstellung handgeformter Großgussteile bis 320 Tonnen Gewicht spezialisiert hat. Das Unternehmen gehört zu den größten Handformgießereien der Welt. „Wir leiten die höheren Produktionspreise aufgrund der gestiegenen Stromkosten an unsere Kunden weiter“, sagt Siempelkamp-Geschäftsführer Dirk Howe. „Dies funktioniert – zumindest vorübergehend – aber nur, weil wir am Markt sehr gut positioniert sind.“ Für kleinere Betriebe in der Branche sei dies nicht so einfach möglich, so Howe.
Für den Manager stellt sich jedoch die Frage, wie lange seine Unternehmenskunden zum Beispiel aus der Maschinenbaubranche die gestiegenen Preise noch mittragen werden. Schon als im vergangenen Jahr viele Rohstoffe aufgrund von gestörten Lieferketten knapp waren, haben die Krefelder begonnen umzudenken. So kalkulieren sie inzwischen deutlich höhere Lieferzeiten bei ihren Angeboten ein und haben ihr Materiallager aufgefüllt.
Vom Ausbruch des Ukrainekriegs sind viele Unternehmen auf dem falschen Fuß erwischt worden. Sie hatten laut Studie der IHK Koblenz auf eine Entspannung der Märkte gesetzt und mit dem Einkauf abgewartet oder nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen.
Der erneute Preisanstieg trifft die deutsche Wirtschaft daher massiv. Dazu kommt: Der Mittelstand musste im inter nationalen Vergleich aufgrund von Steuern und staatlichen Abgaben bereits vor der Ukrainekrise die höchsten Energiepreise in Europa zahlen.
Vor diesem Hintergrund schlagen derzeit viele Industrieverbände und Branchenvertreter Alarm.
Bei dem derzeitigen Preisniveau stünden viele Betriebe hierzulande vor dem Aus. Die Experten der IHK Koblenz schlagen daher vor, zum Beispiel die Rahmenbedingungen der Direktverträge für grünen Strom zu verbessern. Damit würden Firmen sich langfristig stabile Strompreise sichern und zugleich die betriebliche Klimabilanz verbessern.
„Angesichts der explodierenden Kosten für Energie und Rohstoffe sowie der Lieferengpässe ist professionelles Liquiditätsmanagement für Mittelständler jetzt wichtiger denn je“, sagt Tillmann Peeters, Gründungspartner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Falkensteg. Für die Firmen liege es zwar nun nahe, die hohen Kosten an die Kunden weiterzureichen – aber die müssten auch mitziehen.
Um die eigene Produktion sicherzustellen, empfiehlt er als zweite Maßnahme, den Lagerbestand auszubauen. Der Haken: Damit erhöht sich das gebundene Kapital, die Kapitalkosten steigen. Wichtig sei daher, durch intensives Controlling finanzielle Transparenz herzustellen und die Einnahmen zu verfolgen, um nicht in Liquiditätsengpässe zu geraten.
„Auf der Kundenseite müssen die Firmen aktives Forderungsmanagement betreiben“, so empfiehlt der Berater.
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Gute Kommunikation steht bei all dem an erster Stelle. „Zum Beispiel kann man mit den Kunden sprechen, ob sie bereit sind, früher oder sogar mehr für die Leistungen zu bezahlen als bisher. Und bei Zahlungsverzug direkt zum Telefonhörer greifen“, sagt Peeters. Beim Einkauf und im Vertrieb sei dabei viel „Fingerspitzengefühl“ erforderlich.
Für sich genommen klingen diese Maßnahmen allesamt banal und entsprechen betriebswirtschaftlichem Lehrbuchwissen. Aber wenn es an die konkrete Umsetzung geht, stehen meist unangenehme Gespräche mit Geschäftspartnern an. „Wichtig ist es, selbst aktiv zu werden und diese Gespräche tatsächlich zu führen“, gibt Peeters Unternehmensverantwortlichen mit auf den Weg.
Die Problematik der steigenden Preise bewegt auch den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). „Neue innovative Produkte, neue Märkte und andere Bezugsquellen müssen in zunehmendem Maße erschlossen werden“, so BVMW-Bundesgeschäftsführer Markus Jerger.
Dazu seien bei kleinen und mittleren Unternehmen Kreativität und Ideenreichtum gefragt. Er empfiehlt zudem, Absatz- und Beschaffungskanäle zu diversifizieren und zu prüfen, wo Optimierungsmöglichkeiten bestehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
„Ehrlicherweise wird das Bild aber nur dann komplett, wenn man sich eingesteht, dass diese Strategien längst nicht für alle Unternehmen erfolgreich umzusetzen sind“, sagt Jerger. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie und dem Wegfall von Kunden durch Sanktionen gebe es viele Betriebe, die ohne staatliche Unterstützung wirtschaftlich nicht überlebensfähig seien.
Der BVMW fordert daher Entlastungen bei Steuern, Abgaben und bei der Bürokratie für Firmen, damit diese sich auf ihr Geschäft und ihre Potenziale konzentrieren und so ihr Fortbestehen sichern können.
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