Der Firmenpatriarch sorgt wieder mit Spitzen gegen die Gewerkschaften für Unruhe. Würth-Chef Friedmann hält den Konzern dabei trotz weltweiter Krisen auf Rekordkurs.
Stuttgart Seit mehr als 17 Jahren führt Robert Friedmann den Würth-Konzern, Weltmarktführer bei Montagetechnik. Im Schatten des mächtigen Firmenpatriarchen Reinhold Würth schafft man das nur mit viel diplomatischem Geschick.
Denn der inzwischen 87 Jahre alte Unternehmer greift immer wieder mal zur Feder und wendet sich in Rundschreiben direkt an seine Beschäftigten. „Blitze vom Zeus“, nannte seine Tochter Bettina das im vergangenen Jahr im Handelsblatt-Interview.
Andere operative Vorstandschefs würden sich da schnell düpiert fühlen. Der 55-jährige Friedmann bleibt in solchen Situationen gelassen. „Dass der Eigentümer seine Meinung in einem Wahlkampf äußert, ist sein gutes Recht“, sagte Friedmann am Mittwoch zum jüngsten Brief.
Im Vorfeld der Betriebsratswahl an diesem Dienstag hatte Reinhold Würth seine Belegschaft aufgerufen, die Kandidaten der IG-Metall-Liste nicht zu wählen. In dem Schreiben an die rund 7000 Beschäftigten der Muttergesellschaft der weltweit tätigen Gruppe attackierte Würth die Gewerkschaft „als Unternehmen, das sich über Mitgliedsbeiträge finanziert“.
Würth sind Einflüsse von außen ein Graus. Er verweist, darauf, dass seine Beschäftigten bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung bessergestellt gewesen seien, als es die Tarifverträge der Gewerkschaft vorgesehen hätten. Das solle auch in Zukunft so bleiben. Das Unternehmen zahlt gut, aber traditionell mit leistungsabhängigen Komponenten vor allem im Vertrieb.
Würth schätze seit jeher seine Mitarbeiter hoch und handle nach der Devise „Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus“, springt Friedmann dem Eigentümer bei. Der Firmenchef ist zwar wie Würth kein Freund der Gewerkschaft, aber versucht lieber, heikle Themen kleinzuhalten. Das Unternehmen habe in den vergangenen drei Jahren keine Probleme mit dem Betriebsrat gehabt, betonte Friedmann.
Das Unternehmen hatte in seiner Zentrale in Künzelsau 36 Jahre lang einen Vertrauensrat, allerdings ohne rechtliche Verankerung. 2019 wurde nach wochenlangen Querelen erstmals ein Betriebsrat gewählt. Die IG-Metall-Liste landete mit 15,8 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz. Wie sie bei der Wahl am Dienstag abgeschnitten hat, stand am Mittwoch noch nicht fest.
Reinhold Würth hat das 1945 gegründete Unternehmen vom kleinen Schraubenhändler zum Weltkonzern aufgebaut. Das Unternehmen beliefert Handwerker und Industrie mit Werkzeug, Hilfsmitteln und Kleinteilen wie Schrauben. Der Milliardär zählt zu den reichsten Deutschen und größten Kunstsammlern. Die operative Unternehmensführung hat Würth zwar schon vor knapp drei Jahrzehnten abgegeben, als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats hat er aber bei großen Entscheidungen immer noch das letzte Wort.
Unter Friedmanns Führung hat sich der Konzern in den Corona-Jahren als sehr resilient erwiesen. Der Umsatz wuchs 2021 um 18,4 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro. Das Unternehmen ist in der Pandemie um knapp ein Fünftel größer gewachsen. Das Betriebsergebnis erreichte mit 1,3 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert. Unter dem Strich stand 2021 ein Nettogewinn von 965 Millionen Euro, nach 604 Millionen Euro im Vorjahr.
Trotz Ukrainekrieg und Lieferengpässen ist das Wachstumstempo in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres unvermindert, wie Friedmann am Mittwoch erklärte. Das Umsatzplus betrug 18,8 Prozent, währungsbereinigt sind es 17,2 Prozent. Über die Hälfte des Wachstums entfallen nach Einschätzung des Würth-Chefs auf die Inflation. Das Betriebsergebnis wachse wegen der Kostensteigerungen bei Fracht, Lager und Vorprodukten im Vergleich geringer und liege um elf Prozent über dem Vorjahreswert.
„Wir sind sehr optimistisch in das Jahr 2022 gestartet – bis zum 24. Februar, als der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eskalierte“, sagte Friedmann. „Jetzt gilt es, diese nie da gewesene Konstellation von Unsicherheiten jeden Tag aufs Neue zu bewältigen.“
Die direkten Umsatzeinbußen sind gering. In Russland setzte Würth nach eigenen Angaben nur 70 Millionen Euro um. Die Geschäfte sind eingestellt, die 900 betroffenen Beschäftigten in Russland und der Ukraine würden weiter bezahlt, sagte der Würth-Chef.
Eine konkrete Prognose für 2022 wollte Friedman wie viele andere Konzernchefs auch nicht wagen. Möglich seien zehn Prozent Wachstum: „Wir sind trotz wachsender Sorgen vorsichtig optimistisch.“
Logistik von Würth
Die Kunden füllen ihre Läger.
Bild: Würth
Die Herausforderungen durch die Coronapandemie hätten sich allerdings mit dem Konflikt in der Ukraine und den Corona-Lockdowns in China vervielfacht. „Wir konzentrieren uns darauf, die Herausforderungen wie Verzögerungen in der Lieferkette, Materialengpässe und Preissteigerungen vorauszudenken, um so auch in Zukunft verlässlicher Partner für unsere Kunden zu sein“, sagte Friedmann.
Allerdings zählt Würth zu den Unternehmen mit erheblichen Reserven. Das Eigenkapital des Konzerns erhöhte sich im vergangenen Geschäftsjahr um gut5,3 Prozent auf mehr als sieben Milliarden Euro. Das entspricht mehr als 45,2 Prozent des Gesamtkapitals. Die Ratingagentur Standard & Poor’s bestätigte 2021 das seit 27 Jahren bestehende robuste Rating der Gruppe mit „A/outlook stable“.
Friedmann gehört zu den Unternehmenschefs, die die Bedeutung von Verfügbarkeit früh in der Pandemie erkannt hatten. „Jetzt kommt es auf Lieferfähigkeit an“, sagte der Manager. Die Vorratskäufe bei den Kunden seien gestiegen. „Die Kunden hamstern und füllen ihre Lager“. erklärt Friedmann. Das führe zu Produktionsengpässen, Lieferverzögerungen und damit zu steigenden Herstellungs- und Beschaffungspreisen.
Aber auch Würth hamstert. Die Lagerbestände sind 800 Millionen Euro höher als vor Jahresfrist, wie Finanzchef Joachim Kaltmaier bestätigt. Das drücke den Cashflow von 1,6 auf derzeit eine Milliarde Euro.
Das geänderte Verhalten der Kunden spürt Würth in der Elektronik. In der mit der Pandemie entstandenen und anhaltenden Chipkrise stieg die Nachfrage nach Elektronikprodukten wie Leiterplatten und elektronischen und elektromechanischen Bauelementen besonders stark: Die Würth-Elektronik-Gruppe legte beim Umsatz um 32 Prozent auf über 1,1 Milliarden Euro zu, der Elektrogroßhandel um 29 Prozent auf über 2,8 Milliarden Euro.
Friedmann zeigte sich vor allem stolz darüber, dass Würth 275.000 Kunden hinzugewonnen habe und mit vier Millionen Kunden weltweit einen Marktanteil in der Befestigungs- und Montagetechnik von zehn Prozent erkämpft habe. „Wir haben noch viel Potenzial, wenn sich die Umstände einmal wieder normalisieren“, sagte Friedmann. Das Unternehmen bewege sich auch in diesen schwierigen Zeiten weiter auf 20 Milliarden Euro Umsatz zu.
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