Das Land NRW hat als Start-up-Standort noch Nachholbedarf. Investor Frank Thelen erklärt, wo die Vorteile der Rhein-Ruhr-Metropole liegen.
Frank Thelen gilt spätestens seit seiner Teilnahme an dem Vox-Format Die Höhle der Löwen als einer der bekanntesten Start-up-Investoren Deutschlands. Dabei sitzt Thelen nicht wie so viele Start-up-Szenegrößen in Berlin, sondern in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn.
Herr Thelen, Sie selbst leben in Bonn und auch ihr Wagniskapitalgeber Freigeist Capital hat dort seinen Sitz. Warum denn gerade Nordrhein-Westfalen?
NRW ist ein guter Standort für Start-ups. Seine Stärken liegen ganz klar in seiner Vielfalt: Es gibt viele Universitäten, Fachhochschulen und andere Forschungseinrichtungen, eine gut und breit aufgestellte Wirtschaft und eine stark entwickelte Infrastruktur, besonders auch, was schnelles Internet angeht. All das sind gute und wichtige Voraussetzungen für Unternehmensgründungen. Außerdem steht NRW für Wandel und Erneuerung: Das Ruhrgebiet musste sich ganz neu erfinden und meine Heimatstadt Bonn eine neue Rolle finden, nachdem es seinen Status als Hauptstadt verloren hatte.
Aber wo hat denn NRW bitte einen Vorteil gegenüber Berlin?
Klar, Berlin hat ein starkes Image als kreativer Standort – und das zu recht. Die Metropolregion Rhein-Ruhr ist aber größer und hat eine breiter aufgestellte Wirtschaft; für viele Start-ups ist solch eine Branchennähe wichtig. Zudem beobachte ich einen zunehmenden Wettbewerb der Städte und Gemeinden, was die Ansiedlung von neuen Unternehmen angeht. Als Gründer kann ich davon profitieren, zum Beispiel wenn ich günstige Gewerbeflächen suche.
Nun belegt NRW aber meist gerade mal mittlere Plätze in Gründer-Rankings. Woran liegt das?
Die große Stärke von Berlin ist nicht nur, dass es hinsichtlich seines schon angesprochenen Image bei der internationalen Wahrnehmung stark im Fokus liegt, sondern dass dadurch hier ein sehr gut entwickeltes Start-up-Ökosystem an einem Ort konzentriert ist. NRW kann mit diesem Image nicht glänzen und wird hier auch nicht gegen Berlin ankommen können. Daher ist wichtig, dass man sich auf seine Stärken besinnt – und die liegen grundsätzlich in der Vielfalt. Diese ist aber auch ein Problem, im Fokus stehen die einzelnen Städte, weniger das Land NRW. Und was ich in Berlin hochkonzentriert finde, ist hier über ein großes Flächenland verteilt und steht dazu noch oft in einem Wettbewerb zueinander. Als Gründer kann man also auch schnell den Überblick verlieren. Mehr Koordination durch das Land könnte helfen, NRW als Start-up-Standort bekannter und attraktiver zu machen.
Gerade für das vom Strukturwandel geplagte Ruhrgebiet könnte der neue Gründergeist eine Chance sein. Doch der Standort NRW kämpft noch mit Problemen.
Welche Rolle spielt beispielsweise auch die Nähe zum Mittelstand oder Dax-Konzernen?
Klar, wenn ich eine App entwickle, ist es grundsätzlich egal, ob ich diese von Kleve, Berlin oder San Francisco aus in die Welt schicke. Die große Zeit der reinen App-Start-ups ist aber vorbei, es kommt inzwischen auf mehr Substanz an. Und ist ein Start-up zum Beispiel im Biotech oder Industrie-Bereich unterwegs, kann die Nähe zu etablierten Unternehmen sehr wichtig werden. Das haben beide Seiten inzwischen aber auch erkannt. Gerade die großen Dax-Unternehmen gehen aktiv auf Start-ups zu. Mittelständler sind hier noch zurückhaltender, erkennen aber auch, dass sie durch Kooperationen mit Start-ups profitieren können. Gerade in den Märkten, die sich durch die Digitalisierung gerade stark im Wandel befinden, ist das für sie besonders wichtig. Mit seinem starken Mittelstand und Dax-Unternehmen wie der Telekom oder Bayer bietet NRW hier einen guten Nährboden für Start-ups.
Herr Thelen, vielen Dank für das Interview.
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