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02.09.2019

16:38

Roman Koidl

Mit der Software dieses Gründers können Onlinehändler die Umsatzsteuer abführen

Von: Florian Kolf

ClearVAT ist das jüngste Start-up von Roman Koidl. Dessen Software berücksichtigt sämtliche Umsatzsteuergesetze in 28 EU-Ländern.

Der Unternehmer hat den damaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück beraten. ClearVAT AG

Roman Koidl

Der Unternehmer hat den damaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück beraten.

Düsseldorf Von Steuern hatte Roman Koidl beim Start seines Unternehmens im Grunde kaum eine Ahnung. Er hatte als Journalist gearbeitet, mehrere Romane und Sachbücher geschrieben, mit Kunst gehandelt und Peer Steinbrück in Digitalfragen bei seiner damaligen Kanzlerkandidatur beraten. Doch Koidl sah das eher als Vorteil. „Manchmal sieht man die Probleme klarer, wenn man von außen draufschaut“, ist er überzeugt.

Im Rahmen des Kunsthandels hatte er bereits die Plattform fineartmultiple aufgebaut, einen Marktplatz für zeitgenössische Kunst. Im Zuge dessen stieß er auf ein Phänomen, das in der Branche ein offenes Geheimnis ist: Zahlreiche Onlinehändler, die Waren über Europas Grenzen hinweg verkaufen, führen keine Umsatzsteuer ab. „Viele Händler sind offenbar der irrigen Meinung, das fällt nicht auf und wird nicht kontrolliert“, vermutet er.

Dazu kommt: Die Gesetzeslage in Europa – mit zahllosen Steuersätzen und Ausnahmen – ist sehr kompliziert. Da fällt es selbst Gutwilligen schwer, alles korrekt abzuführen. „Das europäische Mehrwertsteuerrecht ist ein bürokratischer Flickenteppich. Es ist schon absurd, dass Gesetze gemacht werden, an die sich in der Praxis kaum jemand halten kann“, findet Koidl.

Da er seine eigene Plattform rechtssicher aufstellen wollte, besprach er sich mit Fachleuten, und daraus entstand die Idee für sein jüngstes Start-up: ClearVAT. Als erstes Unternehmen bietet es ein komplettes Clearing für die Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Versandhandel an. Das heißt: Es übernimmt für die Kunden die korrekte Abführung der Steuer – und stellt sie dabei von allen Haftungsfragen frei.

Das ist juristisch nicht einfach zu lösen, denn schließlich macht sich der Geschäftsführer eines Unternehmens strafbar, wenn er einem EU-Mitgliedstaat die Umsatzsteuer vorenthält. Da kann er sich nicht auf die Fehler eines Dienstleisters berufen. ClearVAT löst das, indem es sich quasi als Zwischenhändler zwischen Händler und Kunden stellt. „Wir stellen den Händler haftungsfrei und übernehmen auch das Risiko der Betriebsprüfung“, erklärt Koidl.

Zusammen mit den Partnern SAP und Deloitte hat das Start-up eine Software entwickelt, die sämtliche Umsatzsteuergesetze in 28 EU-Ländern berücksichtigt, inklusive aller rund 7000 Ausnahmen.

Das war eine enorme Herausforderung. „Jede griechische Insel wird ja anders besteuert“, so Koidl. Gerade kleine Händler seien oft überfordert vom administrativen Aufwand der Umsatzsteuer. „Es geht da auch um Fairness“, sagt Gründer Koidl. „Ein Konzern wie Amazon kann das, aber ein kleiner Mittelständler kann das nicht.“

Für sein Unternehmen hat sich der 51-Jährige prominente Unterstützung geholt. Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück ist Aufsichtsratschef. „ClearVAT leistet einen wichtigen Beitrag zur Steuergerechtigkeit“, sagt Steinbrück. „Die Technologie schafft, woran sich die Politik seit über zehn Jahren die Zähne ausbeißt: eine einfache, praktische und faire Lösung, die Händlern Rechtssicherheit verschafft.“ Der ehemalige Pro-Sieben-Sat-1-Chef Thomas Ebeling hat in das Unternehmen investiert. „ClearVAT ist ein Start-up made in Germany, das von Anbeginn gesamteuropäisch denkt“, lobt er.

Das Unternehmen ist Anfang Juli online gegangen. Nach einer dreimonatigen Testphase mit mehreren Kunden soll es Anfang Oktober europaweit zur Verfügung stehen. Und das war die größte Herausforderung. „Wir machen es direkt in ganz Europa – und das ist schwieriger, als man denkt“, so Koidl.

Mehr: Die Migros-Tochter Galaxus will sich in Deutschland neben Amazon und Otto etablieren. Gelingt das, startet von Hamburg aus die Europa-Expansion.

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