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03.01.2022

08:35

Serie: Social Entrepreneurship

Erfolgreich durchs Teilen – Warum Share bis zu 39 Prozent des Verkaufspreises spendet

Von: Michael Scheppe

Das soziale Konsumgüter-Start-up Share ist in vier Jahren schnell gewachsen, schreibt aber noch rote Zahlen. 2022 will der Geschäftsführer trotzdem in neue Branchen vorstoßen.

Der 39-Jährige ist Chef des Social Start-ups Share.

Sebastian Stricker

Der 39-Jährige ist Chef des Social Start-ups Share.

Düsseldorf Im Frühjahr 2018 lagen die ersten Produkte von Share in den Regalen von Rewe und der Drogeriekette dm. Mittlerweile gibt es die Nussriegel, Mineralwässer oder Flüssigseifen des sozialen Start-ups Share fast überall: Bei Aldi Süd, Rossmann, Ikea, Shell oder Aral, in den Bordbistros der Deutschen Bahn oder in den Fliegern von Lufthansa und Eurowings. Einst mit drei Produkten gestartet, bietet das Berliner Unternehmen mittlerweile über 100 an, darunter Schokolade, Snacks, Hafermilch, Schreibwaren oder Mützen.

Heute, fast vier Jahre später, beschreibt sich Co-Gründer und Geschäftsführer Sebastian Stricker als „dankbar und ein Stück weit ungläubig“. Der Österreicher ist erfolgreich durchs Teilen: Für jedes Produkt, das Share verkauft, bekommt ein Mensch in Not eine thematisch passende Spende, verspricht die Konsumgütermarke. Stricker nennt es das „1+1-Prinzip“.

So gibt es etwa für jeden Nussriegel eine Portion Essen, für jedes verkaufte Mineralwasser unterstützt Share den Bau oder die Reparatur von Brunnen. Stricker kooperiert dazu etwa mit den Vereinten Nationen, der Berliner Tafel oder der „Aktion gegen den Hunger“. Anhand der QR-Codes auf den Produkten kann der Käufer im Internet nachverfolgen, wo Share Gutes tut.

Bislang hat Share 80 Millionen Hilfeleistungen erbracht, dabei 1,5 Millionen Menschen in 21 Ländern in Not erreicht, rechnet Stricker vor. Jede Sekunde würde Share ein Produkt teilen.

Die Umsätze wachsen jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich, liegen absolut gesehen im zweistelligen Millionenbereich. Die genauen Zahlen will der 39-Jährige nicht in der Zeitung lesen. Das Gros seiner Umsätze macht Share im Lebensmittelhandel.

Stationen bei Boston Consulting Group und der Clinton-Stiftung

Anders als die großen Marken investiert Share kaum in Werbung. Das Geld soll in die sozialen Projekte fließen – abhängig vom Produkt sind es bis zu 39 Prozent des Verkaufspreises. „Ich kann mich einfacher für Dinge motivieren, in denen ich einen größeren Sinn erkenne und was Gutes tun kann“, sagt Stricker.

Der Österreicher, der in Wien Wirtschaft studierte und in Politik promovierte, hatte schon immer eine soziale Ader. Nach vier Jahren als Berater bei der Boston Consulting Group arbeitete er für die Clinton-Stiftung in Tansania und für das Welternährungsprogramm der Uno in Rom und Westafrika. 2014 entwickelte er die Crowdfunding-App ShareTheMeal, mit der man 40 Cent für eine Mahlzeit für Bedürftige spenden kann. 2016 übernahm die Uno Strickers erstes Start-up.

Serie: Social Entrepreneurship

Die Idee der Serie

Soziale und ökologische Probleme mit unternehmerischen Mitteln lösen – die Idee der Sozialunternehmen ist schon mehr als 40 Jahre alt. Doch derzeit haben Gründer gute Chancen, Geldgeber und Unterstützer für ihre Ideen zu finden. Was treibt die Unternehmer an? Und was können sie bewirken? In einer Serie stellt das Handelsblatt die spannendsten Social Entrepreneure aus Deutschland und der Welt vor.

Teil 1: Auftakt

Es gibt genug zu tun, um die Welt ein wenig besser zu machen. Die Chancen für Sozialunternehmer, Geld für ihre Ideen zu sammeln, sind so gut wie nie zuvor.

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Teil 2: Share

Das soziale Konsumgüter-Start-up ist in vier Jahren schnell gewachsen. 2022 will der Geschäftsführer in ganz neue Branchen vorstoßen.

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Teil 3: Brightly

Zwei Gründerinnen haben ihr Interesse an nachhaltigem Leben zu einem Onlinehändler gemacht – mit Erfolg. Daran glauben auch die Wagniskapitalgeber.

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Teil 4: Solocal Energy

Die Mitarbeiter von Solocal Energy werben für eine Klimawende im Kleinen. So entsteht zunächst nur wenig Strom – ein Experte sieht dennoch Potenzial für das Konzept.

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Folge 5: Mozaik RH

Vor 15 Jahren begann Said Hammouche seine Mission für mehr Vielfalt in französischen Belegschaften. Heute zählen internationale Konzerne zu seinen Kunden.

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Folge 6: Too Good To Go

Über die Plattform können überschüssige Speisen von Läden für wenig Geld abgeholt werden. Ihre Nachhaltigkeit ist unter Experten umstritten.

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Als Unternehmen sozial zu agieren, ist ein Megatrend, auf den es sich lohne, eher früher als später aufzuspringen, berichtet er. „Gerade die Coronapandemie hat das Konsumverhalten komplett durchgeschüttelt, immer mehr Menschen ist gesellschaftliche Verantwortung auch beim Einkaufen wichtig.“ Der Anteil dieser Käufer werde in den kommenden Jahren weiter steigen, ist sich Stricker sicher.

Doch im Handel wird das eine Herausforderung bleiben. In der hart umkämpften Branche kommt es auf jeden Cent an, für die meisten Kunden entscheidet an der Supermarktkasse immer noch der Preis. Und Share ist oftmals etwas teurer als die Konkurrenz, weil die Firma nicht in Massen produziert – und ein Teil der Einnahmen in soziale Projekte fließen.

So zahlen sich die Bemühungen von Share bislang zumindest wirtschaftlich nicht aus. Das soziale Start-up schreibt auch im vierten Jahr keine schwarzen Zahlen. Geschäftsführer Stricker ist dadurch aber nicht beunruhigt. „Ich habe bei unseren Investoren das Gefühl, dass wir ein Fundament aufbauen können, auf dem wir langfristig wachsen können.“

In diesem Jahr stieg die auf nachhaltige Investments fokussierte Gesellschaft Creadev aus Frankreich beim Unternehmen ein. Die Anschubfinanzierung kam 2018 von Atlantic Food Labs des Berliner Investors Christophe Maire, von Ex-Handelsmanager Andreas Berger und von Döhler, einem Hersteller natürlicher Aromen.

Gutes tun und Geld verdienen – für Stricker ist das „absolut möglich“

Steigende Umsätze, keine Gewinne – da darf die Frage erlaubt sein, ob sich das soziale Unternehmertum bei Konsumgüterfirmen lohnt. „Aus meiner Sicht ist es absolut möglich, dass wir bald schwarze Zahlen schreiben“, sagt Stricker. Entwicklungshilfe könne erstaunlich günstig sein. Schon mit zwei bis vier Cent von einem Produkt könne Share für einen Tag sauberes Trinkwasser organisieren. Dass Gewinne bislang ausbleiben, erklärt Stricker auch mit Investitionen für die kommenden Jahre.

2022 will Share, das derzeit rund 100 Beschäftigte zählt, mehrere neue Partnerschaften verkünden. „Wir überlegen, in welchen anderen Bereichen das Sinn ergeben kann“, so Stricker. Anvisiert sind Kooperationen mit Banken, Mobilfunk- oder Reiseanbietern. Für einen Konsumgüterhersteller wären das durchaus ungewöhnliche Partnerschaften.

Die Berliner arbeiten mit immer mehr Unternehmen zusammen. Dass Stricker im Herbst 2021 Kooperationen mit Aldi Süd, Rossmann, der Drogeriekette Müller und dem Sportartikelhändler Decathlon abgeschlossen hat, hilft seinem Unternehmen, sich auf dem Massenmarkt zu etablieren. Doch „Rewe und dm waren unser Wegbereiter“, erzählt Stricker. „Ohne sie wären wir nie wettbewerbsfähig gewesen.“

Bislang hat Share 80 Millionen Hilfeleistungen erbracht, dabei 1,5 Millionen Menschen in 21 Ländern in Not erreicht. share GmbH

Riegel von Share

Bislang hat Share 80 Millionen Hilfeleistungen erbracht, dabei 1,5 Millionen Menschen in 21 Ländern in Not erreicht.

Schon ein Jahr später, 2019, konnte Share die Airline Eurowings als Partner gewinnen und verdrängte gar den Lebensmittel-Multi Nestlé mit seinem Wasser Vittel. Zuletzt schlossen die Berliner einen Deal mit der Eurowings-Mutter Lufthansa ab. Seit Dezember hat Share eine eigene Kollektion beim Brillen-Onlinehändler Mister Spex gestartet.

Share mag davon profitieren, dass sich immer mehr Betriebe mit nachhaltigen Bemühungen rühmen wollen. Mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der sich sozial engagiert, scheint eine unkomplizierte Lösung zu sein. Stricker bekommt laut eigener Aussage fast wöchentlich Anfragen aus der Wirtschaft. Er argumentiert, dass auch die Partner von Share lediglich auf die Bedürfnisse der Kunden reagierten. „Gutes Tun beim Konsumieren ist kein kurzfristiger Hype, sondern ein unausweichlicher Trend.“

Im ersten Interview mit dem Handelsblatt kam Stricker Anfang 2018 ins Träumen. Damals hoffte er, dass sich seine Marke in fünf Jahren in ganz Europa etablieren könne. Das wäre 2023. Darauf angesprochen, bekräftigt Stricker seine Wachstumspläne erneut. „Das Potenzial ist riesig. Gerade erreichen wir nur einen Bruchteil von dem, was möglich ist.“

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