PremiumDie Konkurrenten in Asien und den USA übertrumpfen deutsche Familienunternehmen. Die Größten können noch mithalten, doch ihnen fehlen Dynamik und Diversität.
Lidl
Der Discounter gehört wie Kaufland zur Schwarz-Gruppe, dem weltweit viertgrößten Familienunternehmen.
Bild: Reuters
Düsseldorf Die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen der Welt wachsen wieder. Nach einem Umsatzrückgang von 2,5 Prozent in den Erhebungen von 2019 und 2021 verzeichnet der Global Family Business Index 2023 ein Plus von im Schnitt 14 Prozent. Das geht aus der Erhebung der Universität St. Gallen und der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hervor, die dem Handelsblatt vorab vorliegt.
Am stärksten sind demnach mit 21 Prozent asiatische Familienunternehmen gewachsen, in Nordamerika betrug das Wachstum zwölf Prozent. Die deutschen Vertreter im Ranking konnten dagegen nur um sechs Prozent zulegen.
Der Report führt auch die Bedeutung von Unternehmen in Familienbesitz als Wirtschaftsfaktor vor Augen. Die weltweit 500 Top-Konzerne kommen gemeinsam auf einen Umsatz in Höhe von 8,02 Billionen Dollar und beschäftigen rund 24,5 Millionen Mitarbeitende. Im Ranking 2021 waren es noch 7,3 Billionen Dollar Umsatz und 24 Millionen Mitarbeitende.
Zu den Gründen, warum es den deutschen Vertretern in der Liste im Vergleich an Wachstumsdynamik fehlt, nennt Ev Bangemann, Managing Partner Markets bei EY Deutschland, den Branchenmix: „Während etwa die deutschen Familienunternehmen schwerpunktmäßig im Industriesektor tätig sind, wo hohe Wachstumsraten eher selten sind, gehören viele amerikanische und asiatische Unternehmen den Branchen Technologie und Konsumgüter an.“
Und die entwickelten sich insgesamt schneller und stärker. Mit Blick auf Asien käme hinzu, sagt Bangemann, dass die Volkswirtschaften in vielen Schwellenländern zudem oft ein höheres Wachstum aufwiesen – allerdings von einer niedrigeren Basis aus, als es bei reifen Volkswirtschaften wie etwa Deutschland der Fall sei.
Die unterschiedliche Spartengewichtung Deutschlands im Vergleich zum Rest der Welt zeigt sich im Index deutlich. International liegt der Anteil der Familienunternehmen in der industriellen Produktion bei 29 Prozent. In Deutschland sind es 41 Prozent.
Dieses Abweichungsverhältnis war im Global Family Business Index 2021 mit 27 zu 40,5 Prozent ähnlich. Damals verzeichneten die deutschen Familienunternehmen gegen den Trend ein Wachstum von 0,8 Prozent, als die Umsätze der Top 500 im Schnitt um 2,5 Prozent sanken.
Dass sich darin eine besondere Resilienz deutscher Familienunternehmen zeigt, ist für Thomas Zellweger, Mitinitiator des Index und Professor am Lehrstuhl für Familienunternehmen der Universität St. Gallen, noch nicht ausgemacht. Familienunternehmen seien insgesamt ziemlich resilient. Die Umsätze der Familienunternehmen in Europa insgesamt sowie in Amerika hätten sich verändert, aber nicht massiv. Unklar sei dabei, „ob die etablierten Familienunternehmen auf das richtige Pferd setzen“.
Denn auch in einem schrumpfenden Markt könnten Umsätze stabil bleiben oder gar zulegen. Aber dann fehle die Perspektive: „Gefährlich wird die Resilienz dann, wenn Wachstum in einem Markt erzielt wird, der nicht zukunftsgerichtet ist.“
Zumindest unter den umsatzstärksten Familienunternehmen hierzulande lässt sich derweil festhalten, dass die befürchtete Deindustrialisierung bisher nicht stattgefunden hat. Zellweger sieht zwei Trends: Erstens würden die wissensintensiven Branchen in Europa wichtiger, zum Beispiel industrienahe Dienstleistungen oder Prototypenentwicklungen. Reine Produktionsstätten hingegen würden weiter in Länder verlagert, in denen die Lohnniveaus geringer seien.
Es gebe aber auch den gegenläufigen Trend des „Nearshorings“, also Liefer- und Produktionsketten wegen des CO2-Abdrucks sowie hoher Transportkosten und -unsicherheiten zurück nach Europa zu holen. „Ich will da noch keine Prognose abgeben, aber eine regelrechte Reindustrialisierung werde es eher nicht geben“, sagt Zellweger. „Wenn sie kommt, dann in anderem Gewand, eben eher bei den wissensbasierten Themen.“
Insgesamt sind 78 der Top-500-Unternehmen deutsch, sie bilden damit die zweitgrößte Gruppe nach den USA (118). In den Top Ten liegen die USA mit sieben Unternehmen vorn. An der Spitze steht der Handelskonzern Walmart, gefolgt von der Holding Berkshire Hathaway von Warren Buffett.
Deutschland ist mit der Schwarz-Gruppe, zu der die Handelskonzerne Lidl und Kaufland gehören, auf Platz vier, und mit BMW, woran die Familie Quandt knapp 50 Prozent hält, auf Platz sechs vertreten.
Zusammen mit dem Autozulieferer Bosch (Platz 13) stellen diese Unternehmen zudem die drei umsatzstärksten Familienunternehmen Europas. Unter den Top 50 finden sich noch der Autozulieferer Schaeffler (21) der Pharmagroßhandel Phoenix (41), der Autohersteller Porsche (44) und der Edelmetallspezialist Heraeus (48).
Kein einziges der weltweiten Top-50-Familienunternehmen wird dabei von einer Frau geführt. Unter den Top 500 sind es gerade einmal sechs Prozent. Dabei liegt der Anteil weiblicher CEOs in Europa und Nordamerika bei jeweils sieben Prozent, in Asien bei vier.
Bei den insgesamt 78 deutschen Unternehmen im Ranking liegt der Anteil der weiblichen Konzernspitzen bei fünf Prozent. Die prominentesten Namen: Anna Maria Braun vom Medizinprodukte-Unternehmen B. Braun und Nicola Leibinger-Kammüller vom Laserspezialisten Trumpf.
Ev Bangemann sieht daher bei der Diversität Handlungsbedarf: „Das ist nicht mehr zeitgemäß, vor allem vor dem Hintergrund des anhaltenden Talentemangels und der immer komplexer werdenden geschäftlichen Herausforderungen, die nur durch Denken aus verschiedenen Perspektiven erfolgreich gemeistert werden können.“
Auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden könne die mangelnde Vielfalt an der Unternehmensspitze zum Problem werden, sagt die EY-Partnerin: „Für Unternehmen wird es beim Werben um Fachkräfte immer wichtiger, dass es weibliche Vorbilder in der Führungsetage gibt. Hier drohen viele Familienunternehmen den Anschluss zu verpassen.“
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×