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21.09.2021

16:06

Umfrage

So glaubwürdig sind die Dax-Aufsteiger aus der Sicht von Konsumenten

Von: Anja Müller

Seit Montag hat der Deutsche Aktienindex zehn neue Mitglieder. Doch für Konsumenten ist nur bei der Hälfte der Neulinge der Unternehmenszweck klar erkennbar.

Mit Siemens Healthineers, Qiagen, Airbus, Zalando und Hellofresh haben nur fünf der zehn neuen Dax-Unternehmen ein klar erkennbares Statement zum Unternehmenszweck sichtbar gemacht. dpa

Anzeigetafel an der Frankfurter Börse

Mit Siemens Healthineers, Qiagen, Airbus, Zalando und Hellofresh haben nur fünf der zehn neuen Dax-Unternehmen ein klar erkennbares Statement zum Unternehmenszweck sichtbar gemacht.

Düsseldorf Der Deutsche Aktienindex soll die aktuelle Unternehmenslandschaft besser abbilden. Mit den zehn neuen Mitgliedern im Dax wird der Index tatsächlich ein wenig breiter. Aber für eine breitere Aktienkultur braucht es auch einen klar kommunizierten Unternehmenszweck, der auch bei den Konsumenten ankommt.

Doch mit Siemens Healthineers, Qiagen, Airbus, Zalando und Hellofresh haben nur fünf der zehn neuen Dax-Unternehmen ein klar erkennbares Statement zum Unternehmenszweck sichtbar gemacht. Porsche, Puma, Symrise, Sartorius und Brenntag tun das bislang nicht.

Das zeigt eine Umfrage der Managementberatung Globeone, die dem Handelsblatt vorliegt. „Dabei wächst der Druck auf Unternehmen, ihren Beitrag zur Lösung der großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit klar zu kommunizieren und auch die Unternehmensstrategie stärker danach auszurichten“, sagt Niklas Schaffmeister, Managing Partner bei Globeone.

Die Berater haben mit dem Meinungsforschungsinstitut Respondi in Köln fast 550 Konsumenten danach befragt, wie die Statements ankommen und ob sie verständlich und glaubwürdig sind.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Keines der Dax-Neu-Mitglieder erhält eine Zustimmung von mehr als 50 Prozent. Mit Siemens Healthineers und Qiagen erreichen zwei Unternehmen fast diese Schwelle.

Dabei setzt sich bei den Dax-Neumitgliedern ein Trend fort, den man auch bei den 30 bisherigen Dax-Unternehmen erkennen konnte. Globeone hatte bereits im Frühjahr im Rahmen der Purpose Readiness Studie 2021 mehr als 3000 Konsumentinnen und Konsumenten befragen lassen. Ein wichtiges Ergebnis: Gesundheits- und Umweltthemen funktionieren besonders gut.

Grafik

Bei den bisherigen Dax-Unternehmen hatten 22 von 30 einen Unternehmenszweck veröffentlicht. Mit Covestro an der Spitze, gefolgt von Fresenius Medical Care, Merck, Bayer und Henkel sind unter den acht Unternehmen, die mehr als 50 Prozent Zustimmung erhalten, vor allem Unternehmen, die Gesundheit und Kreislaufwirtschaft als Themen adressieren. „Das sind Themen, mit denen sich Bürger schnell identifizieren können, sei es durch die öffentliche Berichterstattung oder als direkt Betroffene“, sagt Schaffmeister. Zu den verbleibenden drei Unternehmen, die ebenfalls die Grenze von 50 Prozent Zustimmung erreichen, gehört aber auch der Sportartikelhersteller Adidas, die Deutsche Post sowie der Versicherungskonzern Allianz.

„Purpose muss eine Herzensangelegenheit sein“

Schaffmeister von Globeone analysiert, dass der Prozess bei vielen Unternehmen durchaus einige Zeit in Anspruch nehme, drei Jahre seien es zum Beispiel bei Beiersdorf (Platz 13) gewesen, bis die Vision: „Care beyond skin“ gefunden worden sei. Daimler hat für den Purpose von Mercedes-Benz Cars seit Sommer 2017 weltweit mehrere Hundert Interviews geführt und mehr als 23.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter online befragt.

Die Analyse, was bei den Konsumenten ankommt, ist keineswegs trivial. Manchmal ist das Statement zu allgemein, kritisiert der Experte, so sei es zum Beispiel bei Qiagen: „Making improvements in life possible.“ Offen ist darüber hinaus die Frage, in welcher Sprache man das Statement kommunizieren soll.

Klar sei aber, dass die Entwicklung von Vision und Purpose für ein Unternehmen eine Sache der Führung sei, der Kapitalmarkt fordere das: „Purpose muss eine Herzensangelegenheit sein“ und dürfe nicht als Marketingmaßnahme missverstanden werden.

Auch wenn Zalando nicht ganz oben in der positiven Bewertung der Konsumenten bei den Dax-Neumitgliedern steht, verfügt das Unternehmen, wie es auf Nachfrage bestätigt, bereits seit vier Jahren über die folgende erarbeitete Vision: „Reimaging Fashion for the Good of All“. Das 2008 gegründete Unternehmen hat den Branchenbezug hergestellt, aber schon damals die positive Wirkung als wichtiges Ziel mit hineingenommen.

Die positive Bewertung, in der auch die Glaubwürdigkeit eine wichtige Rolle spielt, liegt bei Zalando bei 36 Prozent, zeigt die Umfrage unter den Konsumenten. Dabei hat Zalando in der Zwischenzeit viel verändert. Das wird auch von den Gründern transportiert: Co-CEO David Schneider sagt: "Das Geld und die Zeit, die in die Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsvision fließen, betrachten wir nicht als Kosten, sondern als Investition – um für unsere Kund*innen, Markenpartner und Mitarbeitenden relevant zu bleiben."

Die Markenhersteller haben die Nachhaltigkeitsvorgaben bei Zalando längst zu spüren bekommen. Die Online-Modeplattform wird die Nachhaltigkeitsziele künftig immer enger fassen und daher auch Druck auf die Markenpartner ausüben. Allerdings ist das bei den Kunden offenbar noch nicht angekommen.

Purpose als Transformation zur Erfüllung der ESG-Ziele nutzen

Darüber hinaus fragte das Handelsblatt auch bei denjenigen Unternehmen nach, die bislang noch kein prägnantes Purpose-Statement herausgegeben haben. So erklären der Duft-, Geschmacks- und Ernährungsspezialist Symrise ebenso wie der Chemiedistributeur Brenntag auf Nachfrage ihre Mission; diese Ausführungen passen allerdings derzeit eher auf eine Seite und nicht in einen einzigen Satz. Man sei aber gerade dabei, ein solches Purpose-Statement in kürzerer Form zu entwickeln, antworten beide Unternehmen auf Nachfrage. Bei Puma heißt es, es gebe sehr wohl Statements und zwar in einer Langform, und mit dem letzten Satz als Kurzform: In der Langform heißt es: "Across our business we are taking action for people and the planet. And we will never stop holding ourselves accountable and finding ways to do more. There’s only one forever - let’s make it better." Beim Pharma- und Laborausrüster Sartorius habe man ebenfalls Mission und Vision formuliert, heißt es beim Unternehmen, auch eine Kurzform existiert: "Bessere Gesundheit für mehr Menschen". Für die B2BKunden, vor allem auch Entwickler von Biopharmazeutischen Medikamenten gibt einen englischsprachigen Unternehmenszweck: "Simplifying Progress".

Allgemein gültige Tipps gibt es nur wenige, heißt es bei Globeone, die folgenden sechs Tipps bieten Anhaltspunkte. Letztlich müsse jedes Unternehmen durch diesen Prozess, sagt Schaffmeister:

Erstens das Statement nicht überfrachten, einfach eine Antwort auf die kurze Frage geben, warum es das Unternehmen eigentlich gibt. Zweitens gehe es um Glaubwürdigkeit. So ist RWE auf dem letzten Platz gelandet. Das Statement sei zwar gut und eingängig: „Our energy for a sustainable life“ hätte drittens sogar den so wichtigen Branchenbezug, sei aber nicht glaubwürdig in Anbetracht der Ereignisse um die Braunkohle und den Hambacher Forst.

Viertens sei Klarheit wichtig, aber es müsse auch noch Platz in dem Statement für spätere Deutungen sein, denn fünftens dürfe man die Missionen nicht zu schnell wieder ändern. Sechstens seien die Statements für alle Stakeholder, also Anleger und Mitarbeitende, wichtig und als Ziel zu verstehen.

Schaffmeister sieht aber die Purpose-Statements als notwendigen Schritt. Im Idealfall sei der Purpose Dreh- und Angelpunkt aller ESG-Aktivitäten. Hinter den ESG-Dimensionen stecken sehr detaillierte Kennzahlen, die ein Unternehmen mit klaren Zielen verbunden hat und regelmäßig berichtet – also die operative Umsetzung der eigenen Bemühungen darlegt, einen positiven Beitrag zur Umwelt und Gesellschaft zu leisten.

Die Purpose-Definition setzt allerdings früher an, leitet die Transformation des Unternehmens und hilft dabei, konkrete ESG-Maßnahmen zu definieren. Der Purpose helfe als kommunikative Klammer, diese ESG-Kennzahlen und das Reporting effektiv an die Öffentlichkeit, Investoren und Mitarbeiter zu kommunizieren. Hier liege allerdings die größte Baustelle: „Einen Purpose zu definieren ist vergleichsweise leicht. Einen Purpose als Treiber der eigenen Transformation zu nutzen sowie ihn effektiv in den Zielgruppen zu verankern ist dagegen schwer.“ Nur wenige Unternehmen hätten das bisher kraftvoll und emotional ansprechend geschafft. „Da ist noch viel Luft nach oben.“

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