Zwei Jahre nach dem Tod von Heinz Hermann Thiele ist noch immer unklar, was aus seinem milliardenschweren Nachlass wird. Jetzt attackiert seine Witwe die Stiftungsaufsicht.
Heinz Hermann Thiele mit zweiter Frau Nadia 2018
Noch immer tobt der Streit um das milliardenschwere Erbe des Unternehmers.
Bild: Bloomberg via Getty Images
Düsseldorf Der Streit um das Milliardenerbe des Großunternehmers Heinz Hermann Thiele erreicht eine neue Eskalationsstufe. Seine Witwe Nadia hat die bei der Regierung von Oberbayern angesiedelte Stiftungsaufsicht verklagt. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte zuerst darüber berichtet.
Nadia Thiele wolle durchsetzen, dass die Satzung einer von Thieles Testamentsvollstreckern eingerichteten Stiftung von der Aufsicht nicht anerkannt wird, bestätigte eine Sprecherin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München dem Handelsblatt: „Die der Anerkennungsbehörde konkret vorgelegte Fassung entspricht nach Ansicht der Klägerin nicht dem maßgeblichen Willen des Stifters.“
Heinz Hermann Thiele war einer der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands. Er begann seine Karriere als Jurist in der Patentabteilung des Autozulieferers Knorr-Bremse und stieg innerhalb von nur 15 Jahren zum Vorstandschef auf. Anschließend kaufte Thiele das angeschlagene Unternehmen auf Kredit. In den folgenden Jahrzehnten steigerte er den Umsatz von Knorr-Bremse von 254 Millionen auf fast sieben Milliarden Euro.
Als Thiele im Februar 2021 verstarb, gehörte ihm auch ein Mehrheitsanteil am Schienenkonzern Vossloh, ein großes Aktienpaket der Lufthansa, ein immenses Immobilienvermögen und eine Rinderzucht in Uruguay. Sein Vermögen wurde auf 17 Milliarden Euro geschätzt.
Eigentlich wollte Thiele sein Vermögen schon zu Lebzeiten in eine Stiftung einbringen. Weil dies nicht geschah, liegt diese Aufgabe bei seinem Testamentsvollstrecker Robin Brühmüller. Der erbte den Auftrag seinerseits von seinem Vater, einem langjährigen Vertrauten des Unternehmers.
Die Beziehung von Heinz Hermann Thiele zu den Brühmüllers ist deutlich länger als die zu seiner zweiten Ehefrau Nadia. Die beiden heirateten 2011. Als Thiele starb, war er 79 Jahre alt, seine zweite Frau Nadia 45. Thiele hinterließ auch zwei Kinder, Julia Thiele-Schürhoff und Henrik Thiele. Letzterer hat selbst eine separate Klage angestrengt, weil er sich benachteiligt sieht.
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Nadia Thiele attackiert Brühmüller seit Monaten. In ihrer aktuellen Klage kritisiert sie vor allem die Personen, die der Testamentsvollstrecker für die Stiftung ihres verstorbenen Ehemannes vorgesehen hat. Eine davon ist Stephan Schauhoff. Der Anwalt bei der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn soll in den Beirat der Thiele-Stiftung eintreten.
Nadia Thiele äußert sich öffentlich nicht zu den Erbstreitigkeiten. Aus ihrem Umfeld heißt es, sie halte Schauhoff nicht für unabhängig, weil dieser seinerseits Brühmüller in Stiftungsfragen berate. Nadia Thiele sehe deshalb einen Interessenkonflikt bei Schauhoff.
Schauhoff wollte zu dem konkreten Mandat nichts sagen, teilte aber mit, dass er „bei seiner anwaltlichen Tätigkeit stets eingehend prüfe, ob ein Interessenkonflikt bestehen könnte, erst recht, wenn entsprechende Verdächtigungen geäußert werden“.
Als zweites Beiratsmitglied soll ein ehemaliger Personalchef von Knorr-Bremse vorgesehen sein. Auch ihn soll Nadia Thiele für nicht unabhängig halten. Der ehemalige Manager sei freundschaftlich mit Brühmüller verbunden und deshalb nicht geeignet, seine Funktion neutral auszuüben.
Neben den Personen soll sich die Thiele-Witwe auch an der Struktur der Stiftung stören. So sei beabsichtigt, dass neue Vorstandsmitglieder der Stiftung nicht vom Beirat bestellt werden, sondern vom ausscheidenden Vorstand. Es sei ein klarer Verstoß gegen Corporate-Governance-Regeln, dass sich ein scheidender Vorstand seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin selbst aussucht. Ungewöhnlich ist eine solche Art der Neuvergabe von Vorstandsposten in Stiftungen jedoch nicht. Womöglich war sie sogar vom Erblasser gewollt.
Die Klägerin soll sich auch an der vorgesehene Vergütung der Stiftungsvorstände mit einem sechsstelligen Betrag stoßen.
Ein Sprecher Brühmüllers äußerte sich zu den konkreten Punkten nicht. Das Verhältnis des Testamentsvollstreckers zu Thieles Witwe ist spätestens seit dem Zeitpunkt zerrüttet, als sie Brühmüller Raffgier und betrügerisches Verhalten gegenüber ihrem verstorbenen Mann vorwarf.
Die Vergütung eines Testamentsvollstreckers wird in Deutschland nach der sogenannten Neuen Rheinischen Tabelle bemessen. Sie sieht vor, dass ein Testamentsvollstrecker ab einer Erbmasse von fünf Millionen Euro 1,5 Prozent davon erhält, soweit dies im letzten Willen nicht anders geregelt ist. Im Testament von Heinz Hermann Thiele gibt es keine Sonderregelung, deshalb könnte Brühmüller mehr als 250 Millionen Euro erhalten.
Nadia Thiele hält dies nicht nur für unmoralisch, sondern auch für illegal. Ihre Anwälte Peter Gauweiler und Thomas Fischer sprachen bei der Staatsanwaltschaft München vor, die begann Ermittlungen und hat bereits die Büroräume von Brühmüller durchsucht. Der Testamentsvollstrecker betont, sich rechtskonform zu verhalten.
Auf dem Rechtsweg war Nadia Thiele bisher erfolglos. Das Nachlassgericht München urteilte am 2. Dezember 2022, Heinz Hermann Thiele sei durchaus in der Lage gewesen, sein Testament zu lesen, zu verstehen und zu hinterfragen.
Der Milliardär habe sich häufig mit dem Testament befasst, nichts deute auf eine Manipulation seines Willens durch andere. Hätte Thiele eine andere Vergütung für den Testamentsvollstrecker festsetzen wollen, hatte er dazu jede Gelegenheit.
Heinz Hermann Thiele
Der Milliardär hat sich nach Einschätzung eines Gerichts intensiv mit seinem Testament beschäftigt.
Bild: dpa
Statt beim Testamentsvollstrecker sah das Nachlassgericht bei Thieles Witwe Grund zur Rüge. Es warf ihren Anwälten ein „feindseliges Verhalten“ vor. Es dränge sich der Eindruck auf, sie wollten Brühmüller mit der Strafanzeige „öffentlich degradieren und so einen Entlassungsgrund schaffen“.
Auch Brühmüller selbst weist die Vorwürfe zurück. Es sei eine bewusste Entscheidung Thieles gewesen, das Honorar nach der Neuen Rheinischen Tabelle zu bemessen.
Aus dem Umfeld des Testamentsvollstreckers heißt es, er stimme sich eng mit der Stiftungsverwaltung ab. Diese hatte im Dezember mitgeteilt, dass der Entwurf für Thieles Stiftungssatzung anerkennungsfähig sei. Seither seien keine Probleme identifiziert worden.
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