Das Bonner Mode-Start-up Von Floerke ist nach Geschäftsausweitung kaum noch handlungsfähig. TV-Investor Frank Thelen ist verärgert und betreibt Schadensbegrenzung.
David Schirrmacher
Der Gründer des Modehändlers „Von Floerke“ weitete das Geschäft offenbar zu schnell aus.
Bild: Privat
Bonn Erst nahm er den Mund zu voll, dann die Auftragsbücher. „Ihr denkt viel zu klein“, sagte David Schirrmacher seinen Geschäftspartnern, wenn sie ihm beim Ausbau seines Start-ups Von Floerke zu etwas mehr Ruhe und Zurückhaltung rieten. Schirrmacher hörte nicht.
Während sein Modehandel rote Zahlen schrieb, ließ er sich im Porsche und mit anderen Luxusartikeln ablichten. Dann erweiterte er sein Geschäftsfeld, verkaufte fortan auch Spirituosen. Das war im Oktober. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft, Von Floerke steht vor dem Aus.
Schirrmacher hat sich verrechnet – vorausgesetzt, er rechnete überhaupt. Nach Handelsblatt-Informationen startete er nach nur einer Woche Planungszeit den Vertrieb für alkoholische Getränke, gleichzeitig warf Schirrmacher eine Marketingmaschine an. Sein Unternehmen schaltete Fernsehspots bei N-TV, Bandenwerbung beim 1. FC Köln und warb intensiv auf Facebook.
Es folgte etwas, über das sich Gründer selten beklagen: ein Andrang potenzieller Kunden. 40.000 Bestellungen soll Von Floerke nach Informationen des Portals Gründerszene allein in den ersten drei Wochen nach Verkaufsstart für die Spirituosen erhalten haben.
Nur: Um einen Besteller zu einem Kunden zu machen, muss ein Unternehmen auch etwas liefern. Von Floerke bekam das nicht hin. Die Infrastruktur des Start-ups war auf die Menge der Anfragen nicht ausgelegt. Außerdem hatte der erst 26-jährige Schirrmacher nach Handelsblatt-Informationen Pech mit seinen eigenen Lieferanten.
Nun trifft Von Floerke das, womit sein Gründer es groß machen wollte: Mund-zu-Mund- beziehungsweise Bildschirm-zu-Bildschirm-Propaganda. Menschen, die Alkohol bestellen, scheinen bei Lieferausfall noch ungehaltener zu reagieren als andere.
Auf die Welle der Bestellungen folgte ein Sturm der Entrüstung. Das Wort „Betrug“ machte die Runde – und bekam Nahrung. Von Floerke verschickte Lieferbestätigungen auch dann, wenn er nicht lieferte. Die enttäuschten Kunden ließen ihren Bestellungen Strafanzeigen folgen, nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Schirrmachers Geschäftspartner sehen sich in dem Chaos gefangen – offenbar teilte er ihnen weder seine Pläne noch sein Scheitern rechtzeitig mit. Von Floerke wurde bekannt, als Schirrmacher 2016 in der „Höhle der Löwen“ (DHDL) auftrat. In der TV-Show stellen Gründer ihre Geschäftsideen einer Jury aus potenziellen Geldgebern vor.
Den drei Investoren Frank Thelen, Judith Williams und Vural Öger gefiel Schirrmachers Konzept vom Versand mit hochwertigen Maßanzügen und selbstgebundenen Fliegen, und sie gaben Gebote ab. Während Williams und Öger im Anschluss aber schnell wieder ausstiegen, investierte Thelen 150.000 Euro für 16 Prozent der Firmenanteile.
Auch danach kümmerte sich Thelen intensiv um Von Floerke. Der 43-Jährige wirkte als Aushängeschild und gewann Niclaus Mewes als Mitstreiter. Der Mytaxi-Gründer steckte mehrere Hunderttausend Euro in Von Floerke. Über die Crowd-Investing-Plattform Kapilendo nahm das Bonner Start-up 2017 mit Unterstützung Thelens zusätzliche 1,2 Millionen Euro ein.
Lange Zeit begeisterte Von Floerke Kunden und Investoren. Das Modesortiment wurde ständig erweitert, neue Lieferanten im asiatischen Markt ermöglichten kürzere Lieferzeiten. Noch Mitte dieses Jahres wurden erste Boutiquen in deutschen Großstädten wie Düsseldorf oder Köln eröffnet, und Schirrmacher plante bereits ein Franchisesystem. Der Lohn: Die Umsatzerlöse wuchsen rapide.
Mit Kampfpreisen drängte der Gründer des Mode-Start-ups in den Getränkemarkt. Doch der riesige Ansturm führt zu einem PR-Desaster, das auch Investor Frank Thelen betrifft.
Dem Handelsblatt liegt exklusiv die betriebswirtschaftliche Auswertung bis Juni 2018 vor. Demnach war Von Floerke gerade auf dem Weg, rentabel zu werden. Noch im vergangenen Jahr machte das Unternehmen nach Steuern einen Verlust von mehr als 911. 000 Euro – die Umsätze waren nicht hoch genug.
Doch bis Mitte des Jahres nahm Von Floerke deutlich mehr ein. Im sechsten Kalendermonat dieses Jahres waren es knapp 323.000 Euro, ein Jahr zuvor waren es nur 100.000 Euro. Sogar ein Gewinn von 42.000 Euro konnte ausgewiesen werden.
Noch im August wirkte Thelens Investment daher wie ein Coup. Nach Handelsblatt-Informationen war ein anderer Unternehmer bereit, 4,5 Millionen Euro zu zahlen – für Thelens Anteile an Von Floerke sowie weitere Prozente. Als Schirrmacher dann ohne Absprache mit den Partnern plötzlich einen neuen Geschäftszweig aufbaute, gerieten die Verkaufsgespräche ins Stocken – und sind nun Geschichte. Von Floerke gilt als unverkäuflich.
Geld können bei diesem Start-up wohl nur noch Anwälte verdienen. Schirrmacher hat offenbar nicht nur seine Kunden verärgert, sondern vor allem seine Geschäftspartner getäuscht. Noch am 7. November veröffentlichte er eine „Klarstellung der Geschäftsführung“.
Die Gründer wollen Smarthome nach Deutschland bringen – und bekommen dafür nun frisches Geld von Rocket Internet, Vattenfall und Seven Ventures.
Schirrmacher dementierte Gerüchte, er habe sich mit Christian Schoenberger, 32, eingelassen, einem umstrittenen Spirituosenhändler, der wenige Wochen später verhaftet wurde. „Der Versuch, uns als Geschäftspartner von Christian Schoenberger (…) oder in die Nähe von Betrug zu rücken, wird von uns in jedem Fall (…) rechtlich verfolgt“, drohte Schirrmacher.
Dem Handelsblatt liegen Dutzende Mails zwischen Schirrmacher und Schoenberger vor, die zuvor bereits in Auszügen auf dem E-Commerce-Blog Wortfilter von Mark Steier auftauchten. Darin wird klar: Schirrmacher und Schoenberger tauschten sich zumindest intensiv über Einkaufswege und Marketing aus.
Aus einer Mail von Schoenberger an Schirrmacher: „Hallo David. Nach meiner Planung müssen wir Freitagmorgen in der Metro einkaufen, damit wir dann jeden Tag Ware haben. Bitte für Freitag Bargeld einplanen.“
Als ihre Verbindung öffentlich wurde, besprachen sie auch ihre Dementis. „Hier brennt die Luft, alle Presseportale gehen wegen mir ab“, empörte sich Schoenberger am 5. November. Eine dritte Person schrieb: „Fuck! Aber das musste ja herauskommen. Auf der anderen Seite könnt ihr aber alles abstreiten – Offiziell trittst Du ja nicht in Erscheinung.“ Schirrmacher erwiderte: „Ja“.
Als die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft gegen Schirrmacher bekannt wurden, sperrte die Hausbank einen überlebenswichtigen Kontokorrentkredit. Bereits zuvor wurden die Konten der Schirrmacher Moden GmbH bei Zahlungsdienstleistern wie Paypal wegen unerwartet hoher Umsätze durch das anschwellende Spirituosengeschäft eingefroren.
Schirrmacher hatte seine Finanzpartner nicht auf die bevorstehenden Änderungen im Zahlungsvolumen hingewiesen. Nun ist das Unternehmen finanziell gelähmt, seine Investoren warten vergeblich auf ihre Zinszahlungen. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll noch in dieser Woche Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit angemeldet werden.
Schirrmachers Freund und Berater Schoenberger wird versuchter gewerblicher Betrug vorgeworfen. Seine Geldgeber vermuten bei Schirrmacher ein anderes Motiv. „David wollte meiner Einschätzung nach tatsächlich die Endkunden bedienen“, sagte Frank Thelen dem Handelsblatt. „Er hat aber unfassbare Fehler gemacht.“ Der Unternehmer ist dennoch stinksauer auf Schirrmachers Alleingänge und betreibt nun Schadensbegrenzung.
Nach Handelsblatt-Informationen plant Thelen, seine Anteile via Kapilendo den anderen Anteilseignern anzubieten. Weitere Schlagzeilen aus diesem Umfeld könnten Thelens Ruf als smarter Investor beflecken. Thelen darf sich als Gesellschafter dazu nicht äußern, Kapilendo verweigert eine Stellungnahme.
Von der Internetseite seines eigenen Unternehmens allerdings ist jeder Hinweis auf Von Floerke bereits getilgt. Dazu Thelen: „Das kann man als Indiz sehen.“
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