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28.05.2020

13:17

Weltmarktführer für Schaumwein

Bei Henkell Freixenet ist die Sektlaune vorerst vorbei

Von: Katrin Terpitz

Die Oetker-Tochter ist durch den Zukauf von Freixenet zum größten Sekthersteller der Welt avanciert. Doch der Lockdown in der Pandemie bringt Ernüchterung.

Der spanische Cava-Produzent gehört seit 2018 mehrheitlich zu Henkell. Reuters

Freixenet-Flaschen

Der spanische Cava-Produzent gehört seit 2018 mehrheitlich zu Henkell.

Düsseldorf Gelegenheiten fürs Anstoßen mit Sekt gibt es in Zeiten von Corona so gut wie keine. Hochzeiten und Geburtstagsfeiern oder Grillpartys dürfen nicht stattfinden. Restaurants waren lange geschlossen. Entsprechend ist die Sektlaune der Konsumenten verflogen.

„Vor allem in Südeuropa, wo jede zweite Flasche Prosecco oder Cava in der Gastronomie getrunken wird, spüren wir einen herben Umsatzeinbruch“, stellt Andreas Brokemper, Chef von Henkell Freixenet, ernüchtert fest. Eine Prognose für das Gesamtjahr sei kaum möglich. Am schlimmsten wäre eine zweite Welle zum Jahresende. Denn Weihnachten und Silvester wird traditionell am meisten Sekt getrunken.

Der Marktforscher IWSR rechnet für 2020 mit einem Rückgang der weltweiten Nachfrage nach Schaumwein um die 15 Prozent. Auch Henkell Freixenet erwartet ähnlich hohe Einbußen. Der Außendienst war zwischenzeitlich in Kurzarbeit, die Produktion lief weltweit aber die ganze Zeit weiter.

Dabei war die Oetker-Tochter gerade erst zum größten Schaumweinproduzenten der Welt aufgestiegen. Im Sommer 2018 hatten die Wiesbadener gut die Hälfte der Anteile des katalanischen Cava-Herstellers Freixenet übernommen. Zum Kaufpreis wollte sich das Familienunternehmen nicht äußern.

Familie Oetker hat seit mehr als 25 Jahren gezielt und Schritt für Schritt führende Sektmarken, Weingüter und Spirituosenhersteller zugekauft. Vor zwölf Jahren kam der bekannte Prosecco-Produzent Mionetto aus Venetien hinzu.

Die Einkaufstour hat den Umsatz der Sektkellerei Henkell, die seit 1958 zum Oetker-Reich gehört, stetig vergrößert. „2019 haben wir erstmals die magische Umsatzmarke von einer Milliarde Euro ohne Sekt und Alkoholsteuern überschritten“, freut sich Brokemper, 51.

Allerdings hat der Henkell-Chef das Geschäft im vergangenen Jahr weiter fokussiert und margenschwache Marken abgestoßen. Das Champagnerhaus Henri Abelé, spanische Weingüter und Spirituosenmarken wie Scharlachberg und Jacobi wurden verkauft.

Henkell Freixenet erreichte laut IWSR 2019 einen Weltmarktanteil bei Schaumwein von 9,7 Prozent. Damit liegen die Wiesbadener mit global rund 3550 Mitarbeitern vor Wettbewerber Rotkäppchen Mumm. Das ostdeutsche Kultunternehmen dominiert allerdings mit mehr als 50 Prozent weiterhin klar den deutschen Sektmarkt.

Deutsche kaufen meist Sekt für unter fünf Euro

Jede dritte Flasche Sekt verkauft Henkell Freixenet im deutschsprachigen Raum. Hierzulande trinkt jeder im Schnitt vier Flaschen im Jahr, zeigen Zahlen des Verbands Deutscher Sektkellereien. Damit sind die Deutschen Weltmeister im Sekttrinken.

Allerdings wird hierzulande ein Großteil des Schaumweins zu niedrigen Preisen und über Aktionen vermarktet. „Es ist sehr schwierig, einem Deutschen eine Flasche Sekt für über fünf Euro zu verkaufen. Im Rest der Welt dagegen ist es schwierig, einen Sekt unter fünf Euro zu verkaufen“, konstatiert Brokemper. Laut IWSR liegt der Durchschnittspreis für eine Flasche hierzulande inklusive Steuern bei 4,62 Euro, weltweit dagegen bei 8,38 Euro.

„Es ist sehr schwierig, einem Deutschen eine Flasche Sekt für über fünf Euro zu verkaufen. Im Rest der Welt dagegen ist es schwierig, einen Sekt unter fünf Euro zu verkaufen.“ imago/sepp spiegl

Henkell-Freixenet-Chef Andreas Brokemper

„Es ist sehr schwierig, einem Deutschen eine Flasche Sekt für über fünf Euro zu verkaufen. Im Rest der Welt dagegen ist es schwierig, einen Sekt unter fünf Euro zu verkaufen.“

Im Trend liegen Rosé und Prosecco. „Vor allem Frauen lieben Spumante, der leicht und trocken ist“, sagt Brokemper, der seinen Prosecco grundsätzlich aus dem Rotweinglas trinkt. „Dort entfaltet sich ein besseres Bouquet als im Sektkelch“. Auch alkoholfreier Sekt wird immer populärer. Auch wenn der Marktanteil mit fünf Prozent laut Verband noch relativ gering ist.

Der gebürtige Ostwestfale führt den Hersteller von Marken wie Fürst von Metternich, Söhnlein Brillant und Wodka Gorbatschow seit 2013. Zuvor war der Betriebswirt, der bei Controlling-Papst Péter Horváth promovierte, in der Zentrale der Oetker-Gruppe in Bielefeld tätig. 2002 wechselte er in die Geschäftsführung von Henkell.

Das Auslandsgeschäft wird für Henkell Freixenet immer wichtiger. Vor allem die Generation der Millennials in den USA und auch weltweit findet zunehmend Geschmack an Prosecco. Brokemper ist erleichtert, dass die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Strafzölle von 100 Prozent auf Schaumwein erst einmal auf Eis gelegt sind.

Auch den Brexit sieht er gelassen, obwohl Großbritannien ein bedeutender Markt ist. „Schließlich produzieren die Briten kaum Wein selbst und sollten deshalb hohe Zölle vermeiden.“ Mitten in der Coronakrise schmiedet Brokemper bereits Zukunftspläne. „Schaumwein ist zwar nur eine Nische des Weinmarktes, aber diese wächst: In China, Australien, Südafrika oder Chile gibt es noch Chancen.“

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