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13.03.2023

11:15

Gebäudetechnik

Wie Start-ups an Tools zur optimalen Wärmesteuerung arbeiten

Von: Bernward Janzing

Intelligente Steuerungen können den Wärmeverbrauch in Gebäuden deutlich drosseln. Entscheidend für die Klimabilanz ist dabei die Wahl der Heiztechnik.

Sensoren helfen, Räume ressourcensparend zu erwärmen und nur dann zu heizen, wenn der Raum genutzt wird. Getty Images News/Getty Images

Digitale Steuerung der Raumtemperatur

Sensoren helfen, Räume ressourcensparend zu erwärmen und nur dann zu heizen, wenn der Raum genutzt wird.

Freiburg Der Gebäudesektor kommt beim Klimaschutz nur langsam voran. Auf 115 Millionen Tonnen veranschlagt das Umweltbundesamt den CO2-Ausstoß für 2021. Zehn Jahre zuvor waren es 128 Millionen Tonnen – der Rückgang beträgt damit etwa zehn Prozent. Zukünftig muss es deutlich schneller gehen. 67 Millionen Tonnen CO2-Emissionen hat die Bundesregierung als Ziel für 2030 vorgegeben. 2045 soll der Gebäudesektor in Deutschland vollständig klimaneutral sein.

Ein höchst forderndes Unterfangen steht Energieversorgern und Immobilienbetreibern bevor. „Die Wärmewende ist im Vergleich zur Stromwende ungleich komplexer und vielschichtiger“, sagt Daniela Thrän, Leiterin des Departments „Bioenergie“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und Sprecherin des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien. Denn es müssten „über die bloße Installation neuer Technologien hinaus hier viele Bereiche flexibel miteinander abgestimmt werden“. Nur so sei es möglich, „die unterschiedlichen Wärmequellen und die Vielzahl der Wärmeabnehmer effizient miteinander zu verbinden“.

Massiv gestiegene Energiepreise haben zuletzt die Versäumnisse offenbart. Plötzlich wird nicht nur die Wärmedämmung attraktiver, Eigentümer und Betreiber von Gebäuden denken zudem vermehrt über die Art der Erzeugung und die optimale Nutzung von Wärme nach. Neben einem verstärkten Einsatz von Erneuerbaren rücken technische Lösungen in den Fokus, die eine bedarfsgerechte Steuerung versprechen.

Besonders in gewerblichen Gebäuden sowie in öffentlichen Einrichtungen gelten intelligente Steuerungen inzwischen als wichtiges Instrument für eine höhere Effizienz. Regelmäßig kommt es vor, dass leere Klassenzimmer beheizt werden, ebenso wie unbelegte Hotelzimmer. Selbst Heizkörper in Büros bleiben ständig auch nach Feierabend aufgedreht, wenn die letzten Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlassen haben.

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Abhilfe schafft moderne Haustechnik, die Zugriff auf jeden einzelnen Heizkörper hat. „So kann jeder Raum individuell angesteuert werden“, sagt Matthias Wagnitz, Referent Energie- und Wärmetechnik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Die Steuerungen berücksichtigen ganz unterschiedliche Parameter. So können Räume nach fixen Zeitvorgaben beheizt werden, was etwa in Schulen mit festen Belegungsplänen sinnvoll ist.

Bewegungsmelder im Einsatz

Alternativ werden Heizkörper über Bewegungsmelder im jeweiligen Raum geregelt – eine passende Lösung für Büros. Oder die Steuerung wird in eine ohnehin bestehende Software eingebunden, etwa das Buchungsprogramm eines Hotels. Eine behagliche Temperatur herrscht dann nur in jenen Räumen, die am betreffenden Tag auch gebucht sind. Sensoren können zugleich sicherstellen, dass die Heizung im Raum abgedreht wird, sobald ein Gast das Fenster öffnet.

Die möglichen Einsparungen durch die bedarfsgerechte Heizkörpersteuerung hängen nicht allein von der Nutzung des Objekts ab, sondern auch stark von der Qualität der Bausubstanz. „Am meisten bringt eine bedarfsgerechte Beheizung der Räume, wenn das Haus schlecht gedämmt ist“, sagt Wagnitz. Beim umfassend gedämmten Passivhaus hingegen kann sie nur noch wenig bewirken, weil die Räume ohnehin kaum noch Wärme nach außen abgeben.

Viele weitere Optionen sind denkbar. Besonders die Kopplung der Steuerung mit Wetterprognosen verspricht Einsparungen. Wird ein Raum am Morgen ohnehin von der Sonne erwärmt, kann die Heizung ausgeschaltet bleiben – anders als an einem Tag mit wolkenverhangenem Himmel. Wer verschiedene Systeme kombinieren will, stößt allerdings an Grenzen. „Es fehlen noch einheitliche Standards für den Datentransfer“, sagt Wagnitz. Oft sind Insellösungen im Einsatz, was den Aufwand erhöht.

Offene Plattform

Auf eine bessere Vernetzung zielt die Internet-of-Things-Plattform Wibutler. An deren Weiterentwicklung arbeiten das Joint Venture DBT Digital Building Technology, an dem unter anderem der Thermostat-Spezialist Oventrop und der Heiztechnikhersteller Viessmann beteiligt sind. Das Ziel ist ein herstellerunabhängiger Standard für die Digitalisierung der Gebäudetechnik. „Wir kommen aus dem Wohnbereich“, erläutert Felix Redepenning, Marketingmanager bei Wibutler.

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Das Spektrum der Steuerungsoptionen ist hier entsprechend vor allem auf Privatnutzer zugeschnitten – zum Beispiel mit Geofencing-Funktion. Eine App erkennt, ob einer der Familienangehörigen im Haus ist und steuert die Heizung entsprechend. Einsparungen von bis zu 20 Prozent seien mit der Wibutler-Plattform möglich, verspricht Redepenning.

Im Sektor der gewerblichen Gebäude ist unterdessen das Hamburger Start-up Vilisto tätig. Dessen Thermostate verfügen über integrierte Sensoren für die Präsenzerkennung und drosseln selbstständig die Heizleistung, wenn Beschäftigte die Räume verlassen. Die Heizkörperthermostate sind laut Vilisto „selbstlernend“. Sie merken sich beispielsweise, wann morgens die Beschäftigten ins Büro kommen und heizen entsprechend, sie spüren quasi, was der Raum benötigt.

Künstliche Intelligenz sorgt auch bei den Heizungsanlagen selbst für eine sparsame Steuerung – darauf setzt etwa der auf die Immobilienwirtschaft spezialisierte Energiedienstleister Techem in Eschborn. Doch selbst die besten Algorithmen können die Wärmewende nicht allein zum Erfolg führen. Parallel läuft die Suche nach der klimafreundlichsten Energiequelle für das Heizen.

So hat Baden-Württemberg 2021 die 103 größten Städte im Bundesland verpflichtet, alle relevanten Wärmedaten zusammenzutragen. Die Vorgabe betrifft alle Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern. Die Städte müssen bis Ende des laufenden Jahres einen Plan entwickeln, der aufzeigt, wie deren Wärmesektor spätestens 2050 klimaneutral sein kann.

Unter anderem geht es um Daten, die dabei helfen, Erzeuger industrieller Abwärme und deren potenzielle Abnehmer über das Wärmenetz zusammenzubringen. Das Potenzial ist groß. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hat die mögliche Energieeinsparung durch Nutzung industrieller Abwärme auf 125 Milliarden Kilowattstunden im Temperaturbereich ab 60 Grad Celsius beziffert – eine Menge, die dem Heizwert von zwölf Milliarden Liter Öl entspricht.

Allerdings fehlt es vielerorts noch an Wärmenetzen, und der Trend ist rückläufig. Die Trassenlänge der deutschen Fernwärmenetze sinkt laut Energieeffizienzverband AGFW seit 2018 – nach stetigem Anstieg in den zwei Jahrzehnten zuvor.

Mehr Nachhaltigkeit verspricht die elektrische Wärmepumpe. Diese wird politisch massiv propagiert, ist aber nicht unumstritten. Denn Wärmepumpen nutzen Strom und erhöhen damit zurzeit den Ausstoß an Treibhausgas. Beim aktuellen Strommix entstehen 432 Gramm CO2 pro Kilowattstunde – schließlich werden auch Kohle und Gas verstromt. Immerhin holt die Wärmepumpe aus einer Kilowattstunde Strom im Mittel drei bis vier Kilowattstunden Wärme heraus.

Jedoch belasten die Anlagen die Verteilnetze. Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, sagte kürzlich in einem Interview: „Wenn weiter sehr viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln.“ Dass in Zeiten hoher Netzauslastung die örtlichen Netzbetreiber den Strom für Wärmepumpen rationieren könnten, wird längst offen diskutiert. Gleichwohl hat die Bundesregierung die Wärmepumpe als Heizung der Wahl definiert. 500.000 neue Geräte will sie pro Jahr in die Gebäude bringen.

Auch Holz ist umstritten

Holz als Alternative zu fossilen Brennstoffen ist ebenfalls umstritten. Der Umweltverband Robin Wood nennt die Holzverbrennung eine „steinzeitliche Technologie“. Das meiste Holz sei höherwertig nutzbar, auch würden viele Holzprodukte Kohlenstoff lange speichern. „Zudem schreit der sehr schlechte Zustand unserer Wälder danach, möglichst viel Holz für den Schutz von Klima und Artenvielfalt im Wald zu lassen“, sagt die Waldreferentin der Verbands, Jana Ballenthien.

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