Die Gewinner des „Corporate Health Award“ kombinieren digitale Gesundheitsangebote und Vor-Ort-Maßnahmen.
Gewinner CHA
Mit Aktionen wie "Water for Workers" will das Unternehmen die Gesundheit der Mitarbeiter fördern.
Bild: Strabag
Nur knapp acht Minuten – so lange dauert ein Arztbesuch in Deutschland durchschnittlich. Ermittelt hat es das „British Medical Journal“. Führungskräfte des Finanzdienstleisters Deka können sich solche Hochgeschwindigkeits-Konsultationen sparen. Bei ihnen sorgt der Arbeitgeber über das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) für gründliche Untersuchungen. Ab diesem Jahr werden Manager bis zu 90 Minuten lang von Ärzten telemedizinisch durchgecheckt.
Stimmen die Blutwerte, passt die Ernährung zum Lebensstil, wie steht es um die berufliche Belastung? Solche Gesundheitsparameter werden in dem Pilotprojekt mit den Experten besprochen. Ziel des „Digitalen Gesundheitscoachings für Gruppenleitende“ ist es, nachhaltige Motivation zu schaffen für die Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit.
Das Interesse sei groß, sagt Katrin Becker, zuständig für das betriebliche Gesundheitsmanagement bei Deka. Nach der Beratung sollen Beschäftigte wissen, wie sie Gesundheit und Fitness verbessern. Manches lässt sich im eigenen Haus unter fachmännischer Anleitung erledigen – zum Beispiel im Betriebssportverein.
Mit ihrer Mischung aus digitalem betrieblichem Gesundheitsmanagement und Maßnahmen in Präsenz trifft die Deka den Puls der Zeit. Viele Unternehmen haben ihr BGM während der Pandemie digitalisiert – und wollen nun wieder stärker vor Ort tätig werden. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehnen sich gleichermaßen wieder nach mehr persönlicher Begegnung. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, die guten Eigenschaften aus der digitalen Welt mit altbewährten Maßnahmen der analogen sinnvoll zu ergänzen“, sagt Steffen Klink, bei EUPD Research als COO verantwortlich für den „Corporate Health Award 2022“ .
Gemeinsam mit dem Handelsblatt hat das Bonner Beratungs- und Marktforschungsunternehmen am Donnerstag 22 Branchenpreise und zehn Sonderpreise für herausragendes betriebliches Gesundheitsmanagement verliehen. Die Deka zählt zu den ausgezeichneten Unternehmen.
Den Sonderpreis „Zielgruppenspezifität“ erhielt die Strabag Gruppe Deutschland. Das Bauunternehmen verbindet die digitale mit der analogen Gesundheitswelt, um Baugeräteführer vor berufstypischen Rückenbeschwerden zu schützen. Hervorgerufen werden diese etwa durch ständiges Sitzen und Vorbeugen im Bagger. Strabag hat deshalb eigens von Sportwissenschaftlern Rückenübungen entwickeln lassen, die Baggerfahrer dort trotz der räumlichen Enge ausführen können.
Strabag hat die Trainingseinheiten auf Baustellen und im Studio gefilmt und auf einer Internetplattform gespeichert. Der Link dorthin befindet sich auf einer analogen „Bagger-Card“ im Handschuhfach eines jeden Fahrzeugs. Darauf ist ein QR-Code gedruckt, den die Geräteführer scannen. Bei den Übungen hilft ein Gymnastikband, ebenfalls Teil der Grundausstattung im Bagger. Rund 15.000 Euro habe die Aktion gekostet, von der Bekanntmachung in Betriebsversammlungen über die Videoproduktion bis hin zur Verteilung der Karten und Bänder, sagt Johannes Burchard, Leiter des konzernweiten betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Auch Burchard begrüßt die Rückkehr des digitalisierten Gesundheitsmanagements zu mehr Präsenzaktivität. „Eine bewegte Pause fördert die Gruppendynamik deutlich mehr als allein durchgeführte Übungen im Homeoffice“, sagt er. Auf Gruppendynamik setzt auch der Strabag-Wettbewerb „Water for Workers“. Laut einer aktuellen Umfrage der Techniker Krankenkasse trinken fast 40 Prozent der Berufstätigen weniger als die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Menge von etwa anderthalb Litern pro Tag – teils, weil sie es unter Stress schlicht vergessen.
„Auch bei uns leerten sich die Wasserspender zu langsam“, sagt Burchard. Strabag verschenkte daraufhin im vergangenen April in einem Pilotprojekt Trinkflaschen an 500 Büromitarbeiter. Mit dem Präsent ging die Aufforderung einher, Workshops zum Thema zu besuchen und online ein Trinktagebuch zu führen. Das Onlinetool meldet sich per Push-Benachrichtigung, wenn es Zeit ist, Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Strabag stellt zudem gesunde Getränke bereit.
Die Aktion am Standort in Köln stieß auf ein breites Echo. Jeder, der eine Flasche bekommen hatte, registrierte sich beim Trinktagebuch. Jeder fünfte Beschäftigte blieb bis zum Ende der Aktion nach vier Wochen dabei. Das Bauunternehmen will die Aktion nun an weiteren Standorten starten. Die Weiterempfehlungsquote der Teilnehmer erreichte 9,2 von 10,0 möglichen Punkten.
Nach knapp drei Pandemiejahren steht beim betrieblichen Gesundheitsmanagement Sport hoch im Kurs. Das ist das Ergebnis einer Onlinebefragung des Universitätsklinikums Essen unter mehr als 1000 Unternehmen. 54 Prozent von ihnen gaben an, sportliche Angebote innerhalb des BGM ausbauen zu wollen. Zu ihnen gehört auch Thyssen-Krupp Steel Europe – ebenfalls Gewinner beim Corporate Health Award. „Wir machen unseren Produktionsmitarbeitern ein Angebot der kurzen Wege“, sagt BGM-Leiter Ralf van Os.
In einem Pilotprojekt hat der Stahlkonzern auf einem Werksgelände in Bochum ein kleines Fitnesscenter eingerichtet – der Schutz vor Rückenleiden steht im Mittelpunkt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter betriebliches Gesundheitsmanagement vor allem dann annehmen, wenn es mit möglichst wenig Aufwand verbunden ist und ein klares Ziel verfolgt“, sagt van Os. Knapp 450 von 600 Beschäftigten trainierten nun regelmäßig. „Krankschreibungen we‧gen Rückenbeschwerden sind bei ihnen um rund 20 Prozent zurückgegangen.“ Nun sollen auch andere Standorte Fitnesscenter bekommen.
Der ADAC Nordbaden mit 130 Beschäftigten bringt das betriebliche Gesundheitsmanagement sogar bis in die Büros. „Wir waren froh, als Präsenzmaßnahmen endlich wieder möglich waren“, sagt Gesundheitsmanager Marc Nagel. „Digital ließ das Interesse allmählich nach. Nicht jeder hat zu Hause die nötige Selbstmotivation.“ Jetzt klopfen Physiotherapeuten oder Ergonomieberater an die Bürotür.
Auf digitales Gesundheitsmanagement will der ADAC Nordbaden dennoch nicht verzichten. Jeder Mitarbeiter hat ein Budget für Leistungen eines digitalen Gesundheitsanbieters. Ein Viertel der Kosten müssen Mitarbeiter selbst beisteuern, sagt Nagel. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Übungen so konsequenter zu Ende geführt werden, als wenn sie für die Beschäftigten kostenlos wären.“
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