Die britische Hauptstadt ist in den Top Ten der weltweit nachhaltigsten Metropolen. Doch eines zeigt sich trotz aller grünen Bemühungen: Eine Auto-Maut allein reicht nicht.
Stau in London
Die britische Metropole versucht schon seit Jahren, den Verkehr zu reduzieren. Trotz vieler Erfolge geht es nach Ansicht des Bürgermeisters nicht schnell genug.
Bild: imago images/i Images
London Wer nach den klimafreundlichsten Städten auf dem Globus sucht, würde nicht unbedingt auf London kommen. Verstopfte Straßen und die damit verbundene Luftbelastung prägen das Bild, das viele Besucher der rund neun Millionen Einwohner zählenden Weltmetropole mit nach Hause nehmen.
Tatsächlich ist die britische Hauptstadt längst dabei, diesen Eindruck zu korrigieren, und rangiert seit Jahren im „Sustainable Cities Index“ der niederländischen Beratungsfirma Arcadis unter den Top Ten der weltweit nachhaltigsten Metropolen.
Bürgermeister Sadiq Khan gab 2018 die Parole aus, London solle „eine Stadt werden, in der Gehen, Radfahren und öffentliche Verkehrsmittel die attraktivste und praktischste Wahl sind“. Voraussetzung dafür sei, „die Abhängigkeit Londons vom Auto zu verringern“.
„Verglichen mit anderen Städten, hat London vieles richtig gemacht“, sagt Robin Hickman, Verkehrswissenschaftler am University College London, „insbesondere der entschlossene Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Einführung von Umweltzonen sind beispielhaft auch für andere Städte.“
Verkehrsplaner in London haben sich bereits in den 1960er-Jahren mit der Frage beschäftigt, wie der Autoverkehr eingedämmt und umweltfreundlicher gesteuert werden könnte. Der bis heute größte staatliche Eingriff in die Mobilität kam 2003: London führte als eine der ersten Großstädte in Europa eine City-Maut („Congestion Charge“) ein, die heute 15 Pfund (etwa 17 Euro) kostet und die jeder täglich zahlen muss, der mit seinem Auto durch die Innenstadt fährt.
Fahrzeuge, die bestimmte Umweltnormen nicht erreichen, müssen seit 2019 zudem 12,50 Pfund pro Tag zahlen, wenn sie in einer gesondert gekennzeichneten Umweltzone (Ultra Low Emission Zone) im inneren Ring Londons unterwegs sind.
Die Maut machte zwar weltweit Schlagzeilen, jedoch sank der Ausstoß von Treibhausgasen im Stadtverkehr an der Themse zwischen 2000 und 2018 nach Angaben der Stadtverwaltung nur um sieben Prozent. Viel zu wenig, so Khan, um bis 2050 alle klimafeindlichen Emissionen im Verkehr zu stoppen. „In einer Millionenstadt wie London ist es extrem schwierig, die Emissionen durch den Autoverkehr zu senken“, sagt Verkehrsexperte Hickman. Allein mit den Mautgebühren werde man den Klimazielen nicht schnell genug näher kommen.
Londons Bürgermeister hat deshalb eine Studie darüber in Auftrag gegeben, welche zusätzlichen Schritte es braucht, um das Net-Zero-Ziel zu erreichen. Die wohl wichtigste Empfehlung des im Januar veröffentlichten Berichts ist, „dass der Autoverkehr in London bis zum Ende des Jahrzehnts um mindestens 27 Prozent reduziert werden muss, um die Klimaziele zu erreichen“. Hinzu kommt: Der Verkehrsstau habe inzwischen wieder das Niveau vor Ausbruch der Pandemie erreicht und koste der Stadt mehr als fünf Milliarden Pfund pro Jahr.
Die Fachleute schlagen in dem Report unter anderem vor, die gebührenpflichtige Umweltzone auf das gesamte Stadtgebiet Groß-Londons auszudehnen. Bereits im Oktober 2021 war die Zone schon einmal vergrößert worden.
Khan hält das jetzige Mautsystem zwar für technologisch überholt und würde es lieber durch ein „einfaches und faires System“ ersetzen, das neben den gefahrenen Kilometern auch die Umweltbelastung durch die Fahrzeuge, den Grad der Verkehrsüberlastung in der Region und den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln mitberücksichtigt.
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Es wird nach Meinung von Verkehrsexperten jedoch noch Jahre dauern, bis ein derart komplexes Mautsystem technologisch verfügbar ist. Ein Zwischenschritt könnte sein, das derzeitige Gebührenmodell um eine einfache Maut für alle nichtelektrischen Fahrzeuge zu ergänzen oder dadurch zu ersetzen. Auch das ist politisch heikel, da bisher nur etwa zwei Prozent der Fahrzeuge im Londoner Stadtverkehr elektrisch unterwegs sind.
„Ich bin nicht bereit, tatenlos zuzusehen und zu warten. Wir haben einfach keine Zeit zu verlieren“, sagt Khan und will deshalb die Umweltzone zunächst voraussichtlich bis Ende August 2023 ausweiten und verschärfen. Dadurch würden schätzungsweise 3,5 Millionen Londoner zusätzlich in der gebührenpflichtigen Zone leben und rund 135.000 weitere Fahrzeuge von der Maut erfasst. Im Moment läuft dafür ein öffentlicher Anhörungsprozess.
Die konservative Opposition im Londoner Stadtparlament kritisiert die Pläne des Labour-Bürgermeisters als ein reines Abkassieren („Money Grabbing“) bei den Autofahrern. „In einer Zeit, in der die Lebenshaltungskosten für die Londoner in die Höhe schnellen, scheinen diese Vorschläge schlecht getimt zu sein“, bemängelte auch Nicholas Lyes, Sprecher des britischen Automobilklubs RAC.
Nach Berechnungen der Autolobby hat die Londoner Transportbehörde TfL seit der vorherigen Expansion der Umweltzone fast 100 Millionen Pfund Mautgebühren eingenommen. Das Geld soll nach Angaben der TfL für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, von Radwegen und Fußgängerzonen verwendet werden.
Darin sieht auch der Londoner Verkehrswissenschaftler Hickman den richtigen Weg: „Nur wenn wir das Fahrradnetz entschlossen ausbauen, sodass auch die Wege zum Einkaufen, zur Arbeit oder Schule sicher sind, kommen wir wirklich weiter.“
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