Die weltweite Nummer zwei der Strategieberater will mit der Übernahme ihre führende Position im Nachhaltigkeitsgeschäft stärken – und gewinnt so auch gefragte neue Berater.
BCG-Konzernzentrale in München
Geführt wird BCG von einer Art deutschem Triumvirat, die alle drei aus dem Münchener Büro der Gesellschaft stammen.
Bild: BCG
Düsseldorf Die weltweit zweitgrößte Strategieberatung setzt ihren ambitionierten Expansionskurs fort. Die Boston Consulting Group (BCG) plant nach Informationen des Handelsblatts, den Konkurrenten Quantis aus der Schweiz zu übernehmen. Mit der auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierten Beratung will BCG dieses stark wachsende Beratungssegment weiter ausbauen. Das Nachhaltigkeitsgeschäft soll von zehn auf 25 Prozent des weltweiten Umsatzes ansteigen.
„Der Zusammenschluss von Quantis und BCG ist ein wichtiger Schritt. Wir investieren damit weiter gezielt in unsere Marktführerschaft im Bereich Klima und Nachhaltigkeit“, sagte BCG-Chef Christoph Schweizer. Quantis sei Marktführer im Bereich Ökobilanzen. Dimitri Caudrelier, CEO von Quantis, erklärte: „Wir kombinieren die Branchenkenntnisse und Transformationsfähigkeiten von BCG mit der wissenschaftlichen Expertise und dem Renommee von Quantis im Bereich der Nachhaltigkeit.“
BCG ist mit einem Jahresumsatz von zuletzt elf Milliarden Dollar nach McKinsey die weltweit zweitgrößte Strategieberatung. Die Akquisition von Quantis bringt BCG nicht wirklich näher an die Nummer eins heran, qualitativ setzt BCG damit aber ein Zeichen.
Die „grüne Beratung“, wie sie sich wegen ihrer Firmenfarbe gern nennt, positioniert sich damit erneut klar in diesem Wachstumssegment. Die Grundlage dafür legte die Beratung hierzulande bereits 2017 mit der Studie „Klimapfade“ beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Diese Studie öffnete den Beratern die Türen zu vielen Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik.
Quantis wurde 2006 in der Schweiz gegründet und hat seinen Hauptsitz in Lausanne. Eigenen Angaben zufolge ist die Beratung vor allem mit Kunden aus dem Konsumgütergeschäft und Handel gewachsen. Auf ihrer Website werben die „Quantisaner“ mit Projekten von Armani, über Evonik, Intel bis hin zu Unilever.
Für Branchenexperten wie Dietmar Fink, Geschäftsführer der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) aus Bonn, ist die Übernahme „ein Schritt in die absolut richtige Richtung“. Mit dieser festige BCG ihre Stellung als Nummer eins in der Nachhaltigkeitsberatung. Und auch für Quantis sei das eine „Riesenchance“. Die Schweizer seien bisher vor allem im gehobenen Mittelstand unterwegs gewesen. Unter dem Dach von BCG könnten sie ihre Kompetenzen nun skalieren.
Das Geschäft der Berater brummt insgesamt, doch das Topthema ist der Klimawandel. Er hat die Nachhaltigkeitsexperten und -teams in den Beratungsgesellschaften zu sogenannten „Rainmakern“ gemacht. Es gibt beinahe kein Projekt mehr, an dem sie nicht beteiligt sind. Die Energiekrise macht diesen Bereich noch wichtiger, lassen sich über effiziente Energiesysteme doch kurzfristig die Kosten drücken.
Christoph Schweizer
Der CEO von BCG.
Bild: BCG/Chris Tille
Vor allem McKinsey und BCG kämpfen im Bereich Nachhaltigkeit um Kunden. Es wird dabei in Vorleistung gegangen, und ganze Projekte werden als Marketingaufwand gebucht, nur um Flagge zu zeigen und die Konkurrenz rauszuhalten. So wird BCG auch dieses Jahr wieder Kooperationspartner bei der UN-Klimaschutzkonferenz im November in Ägypten (COP27) sein.
Nach Einschätzung von Branchenexperten wie Ralf Strehlau, seit 2017 Präsident des Bundesverbands der Deutschen Unternehmensberatungen (BDU), hat sich „Nachhaltigkeit neben Digitalisierung zu einem Wachstumssegment entwickelt“. Entsprechend werde in diesem Bereich gerade massiv investiert – „in Form von Zukäufen und durch die Einstellung neuer Berater“, so Strehlau, selbst Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von ANXO Management Consulting.
So wie jetzt BCG hat sich auch McKinsey in diesem Segment jüngst verstärkt. 2021 übernahm die Nummer eins die Konkurrenten Vivid Economics, eine in Großbritannien ansässige strategische Wirtschaftsberatung mit Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Makroökonomie, Planetrics, eine Klimaanalytik-Beratung, die Finanzinstituten hilft, klimabezogene Risiken und Chancen besser einschätzen zu können, sowie Material Economics, ein Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit mit Sitz in Stockholm.
Mit Quantis verleibt sich BCG nicht nur einen jungen, wilden und spezialisierten Konkurrenten ein. Es sind vor allem auch die rund 270 Mitarbeiter von Quantis, die die Übernahme attraktiv gemacht haben dürften. Schließlich war und ist das Recruiting neuer Berater die größte Herausforderung der Branche. Die Personalnot gilt – noch mehr als im Rest der westlichen Wirtschaft – als gefährliche Wachstumsbremse. Entsprechend „stolz“ zeigte sich BCG-Chef Schweizer darüber, „mehr als 250 Wissenschaftler und Umweltexperten bei BCG begrüßen zu können“.
Das diverse Team von Quantis soll nun mit größtmöglicher Freiheit in die Beratertruppe von BCG integriert werden. Vorlagen hierfür liefern die Übernahmen der US-amerikanischen Purpose-Beratung Brighthouse, die BCG im Jahr 2015 übernommen hat und die inzwischen ihr eigenes Büro in Berlin unterhält, sowie die Akquisition der Kölner Einkaufsberatung Inverto, die 2016 dazukam und gerade in der Lieferkettenproblematik florierte.
Die Wachstumspläne der Nummer zwei sind insgesamt groß. Das liegt auch am Führungsteam. Geführt wird BCG seit diesem Jahr von einer Art deutschem Triumvirat. CEO der Beratung ist Christoph Schweizer (49), das Europageschäft leitet Matthias Tauber (42), Deutschland- und auch Schweizchef ist Michael Brigl (47). Alle drei stammen aus dem Münchener Büro der Gesellschaft. Zudem haben sie Erfahrung mit Querschnitts- und Innovationsthemen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit und Erfahrung in der Beratung von Fusionen und Übernahmen.
Entsprechend ambitioniert und geschlossen, manche Branchenbeobachter sagen auch „aggressiv“, treten die BCG-Berater auf. So sagte Michael Brigl im Juli im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Wir wollen bei unseren Kunden und unseren Mitarbeitern die Nummer eins sein. Wir wollen vorn sein. Wir wollen maximal skalieren.“ Und weiter: „Wir sind sehr gut positioniert, und das wollen wir jetzt natürlich auch ausspielen.“
Im Fokus dabei: das Nachhaltigkeitsgeschäft. Es soll sich eigenen Angaben zufolge in den vergangenen zwei Jahren weltweit jeweils verdoppelt haben. Und so soll es weitergehen. Eine nachhaltige Strategie sei schließlich, so Brigl, heute für jedes Unternehmen essenziell – aus Überzeugung oder zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Zahlungsbereitschaft der Kunden sei entsprechend gestiegen.
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